Der Rathausplatz – Regensburgs Schaltzentrale seit 800 Jahren

Rund um den Rathausplatz spielte bereits seit dem 13. Jahrhundert die große Politik. Bis heute befindet sich an dem kleinen, aber sehr feinen Platz die „gute Stube“ der Stadt.

Fotografie: Luftaufnahme des Rathausplatzes © Bilddokumentation Stadt Regensburg

24. September 2025

Vor mehr als 700 Jahren wurde Regensburg zur freien Reichsstadt und konnte endlich selbst über sich bestimmen. Und erst recht im 17. und 18. Jahrhundert, als hier Europapolitik gemacht wurde. Bis heute befinden sich im Alten Rathaus die Büros der Regensburger Stadtspitze. Wunderschöne Repräsentationsräume schließen sich an: Hier lässt es sich romantisch heiraten oder eindrucksvolle städtische Festempfänge und Konzerte besuchen.

Sehen und gesehen werden

Repro einer Grafik von Matthäus Merian von 1644. Damals gab es noch den Marktturm an der Ostseite. Er ist 1706 abgebrannt. Repro einer Grafik von Matthäus Merian von 1644. Damals gab es noch den Marktturm an der Ostseite. Er ist 1706 abgebrannt. © Museen der Stadt Regensburg

Gegenüber kann man sich gemütlich im Hofbräuhaus oder im Café Prinzess niederlassen und den Blick auf das prächtige Alte Rathaus genießen. Kein Wunder also, dass der eigentlich recht kleine Platz auch Touristenmagnet und beliebter Treffpunkt für Stadtführungen ist.
Bereits früher diente der Platz – an einer wichtigen Handelsstraße und in Hafennähe gelegen – als Marktplatz, aber auch als öffentlicher Versammlungsort, als Gerichtsort unter freiem Himmel und als Bühne für politische Inszenierungen. Hier wurden Stadtrechte verlesen, Gesetze verkündet – und auch Verurteilungen öffentlich gemacht.

Platz als Nabel Europas

Fotografie: Kupferstich Auffahrt der Gesandten um 1729 von Andreas GeyerKupferstich Auffahrt der Gesandten um 1729 von Andreas Geyer © Museen der Stadt Regensburg

Der Charakter des Platzes blieb über die Jahrhunderte lebendig: Als 1663 der Immerwährende Reichstag nach Regensburg kam und dauerhaft im Reichssaal tagte, wurde die Stadt zur diplomatischen Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches – und der Rathausplatz zum politischen Nabel Europas. Hier reihten sich Kutsche an Kutsche, hier residierten Gesandte, wurden Geschenke ausgetauscht, Streitigkeiten verhandelt – oft jahrelang.

Künstlich geschaffen

Dabei ist der Rathausplatz gar kein „Platz“ im eigentlichen Sinne: Seine Form ist unregelmäßig, fast beiläufig. Seine heutige Form wurde „künstlich“ von der Stadtspitze, dem Rat, geschaffen. Bereits im 13. Jahrhundert befand sich hier das erste Regensburger „Rathaus“, vergleichbar zunächst einer für Regensburg typischen Patrizierburg. Der älteste Teil des Alten Rathauses ist der 55 Meter hohe Turm. Stück für Stück wurde der Komplex erweitert – um den markanten Rathausturm, den prunkvollen Reichssaal, Gerichtsstube und Gefängnis. Der Rat kaufte über die Jahre angrenzende Gebäude auf, ließ diese abreißen und durch neue ersetzen – so entstand im 14. Jahrhundert der Reichssaal oder zwischen 1721 und 1723 der Südflügel des Alten Rathauses. 

Fotografie: So sahen die Entwürfe von Melchior Bocksberger für die Fassadenbemalung des Rathauskomplexes im 16. Jahrhundert aus.So sahen die Entwürfe von Melchior Bocksberger für die Fassadenbemalung des Rathauskomplexes im 16. Jahrhundert aus. © Museen der Stadt Regensburg

Was kaum ein Regensburger weiß: 1573/1574 sollten die Fassaden des Alten Rathauses komplett vom renommierten Maler Melchior Bocksberger bemalt werden und biblische und mythologische Szenen sowie Allegorien zeigen, die das starke Selbstbewusstsein der freien Stadt ausdrücken sollten. Die Entwürfe sind überliefert und beeindrucken. Wieviel davon tatsächlich ausgeführt wurde, ist heute aber unklar.

Fotografie aus dem Jahr 1895Fotografie aus dem Jahr 1895 © Museen der Stadt Regensburg

Ringsherum: Gebäude mit Geschichte

Fotografie: Hirsch über dem Hofbräuhaus © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Auch die Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes erzählen Geschichte, selbst wenn sie erst aus dem 19. Jahrhundert stammen: Das heutige Hofbräuhaus ist ein zentraler Ort des geselligen und politischen Austauschs – bis heute finden hier (politische) Stammtische und Vereinstreffen statt. Der Hirsch über dem Eingang erinnert an den Vorgängerbau aus dem 15. Jahrhundert, das Haus im Hirsch.

Hier lebte u. a. ein ehemaliger Ratsherr. Im Rathausplatz 2 befindet sich Deutschlands wohl ältestes Kaffeehaus aus dem Jahr 1686.

Straßenbahn

Zwischen 1903 und 1964 verlor der Platz für eine Weile seine Repräsentationsfunktion und wurde zur Durchgangsstraße: Die Straßenbahn machte den Anfang, später brausten hier auch Autos an den historischen Gebäuden vorbei. In den 1980er Jahren wurde die sogenannte Platzfolge jedoch zur Fußgängerzone, seitdem lässt es sich auf dem Platz wieder herrlich flanieren. Und jedes Jahr zur Weihnachtszeit funkelt hier der wohl beliebteste Tannenbaum der ganzen Stadt.

Repro 01.06.1939: Aus der Gesandtenstraße kommend führte die Straßenbahn über den Rathausplatz. Fotografie: Folterkammer FragstattFotografie: Ein Künstler skizziert das Portal zum Reichssaal.Altes Rathaus RegensburgFotografie: Beleuchteter Christbaum auf dem Rathausplatz

Text: Claudia Biermann

Die Reihe Regensburger Plätze entstand in Kooperation mit Janina Rummel von der Abteilung Welterbekoordination. Weitere spannende Einblicke in das baukulturelle Erbe von Regensburg finden Sie unter www.regensburg.de/welterbe.

Weitere Informationen

Quellen

  • Karl Bauer: Regensburg. Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. MZ-Buchverlag 2014.
  • Eugen Trapp: Das Regensburger Rathaus und sein Vorplatz. Kommunale Selbstdarstellung einst und jetzt. In: Regensburger Plätze. Geschichte und Funktion städtischer Räume. Regensburger Herbstsymposium für Kunst, Geschichte und Denkmalpflege 2016. Morsbach Verlag, Regensburg 2017.
  • Das Alte Rathaus zu Regensburg. Ein Führer. Von Martin Angerer, Konrad M. Färber und Helmut-Eberhard Paulus. MZ-Buchverlag 1992.

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Fotografie: Dächerblick über die Innenstadt

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