Der Regensburger Neupfarrplatz – Wo sich Weltreligionen begegnen
Wer über den Neupfarrplatz schlendert, erlebt einen Ort mit vielen Gesichtern: Mal bunter Marktplatz, mal laute Partylocation und mit seinem traditionellen Christkindlmarkt magischer Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen. Er ist zudem Spiegelbild jahrhundertealter Religions- und Stadtgeschichte.
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Bilddokumentation Stadt Regensburg11. Dezember 2025
Mit seinen rund 5.000 Quadratmetern ist er einer der größten und wichtigsten Plätze der Altstadt. In seiner Mitte thront die Neupfarrkirche – gelandet wie ein Ufo auf dem weiten Platz, zusätzlich erhöht auf einem Sockel. Dass sie überhaupt hier steht, hängt eng mit der Zerstörung des jüdischen Viertels im Jahr 1519 zusammen. Unter dem Pflaster lässt sich noch heute in diese Zeit zurückgehen: Im document Neupfarrplatz, einem unterirdischen Archäologiemuseum, lässt sich die bewegte Historie bestaunen.
Jüdisches Viertel im Mittelalter
Die Radierung von Albert Altdorfer aus dem Jahr 1519 zeigt das Innere der Synagoge.
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Museen der Stadt Regensburg, Dauerleihgabe der Bayerischen LandesstiftungDenn früher stand an dieser Stelle das dicht bebaute jüdische Viertel von Regensburg – mit eigener Synagoge, Ritualbad und verwinkelten Gassen. Urkundlich erwähnt wurde es bereits um 1000. Das stellt eine der ältesten urkundliche Erwähnung einer jüdischen Ansiedlung in Deutschland dar. Über 500 Jahre lang prägte die jüdische Bevölkerung das Leben und die Geschichte Regensburgs mit. Kaiser Maximilian I. hielt die Hand über sie. Dieser Schutz fiel nach dem Tod des Kaisers 1519 jedoch weg und gipfelte in einem Pogrom. Das Viertel wurde zerstört, die jüdische Bevölkerung gewaltvoll vertrieben.
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Bilddokumentation Stadt RegensburgSeit 2005 erinnert ein begehbares Bodendenkmal des berühmten israelischen Künstlers Dani Karavan in Form der nachgezeichneten Synagogenmauern an das gnadenlos ausgelöschte Viertel und die Vertreibung der Menschen. Westlich daneben steht der Reichsstadtbrunnen aus der Renaissance.
Von der Wallfahrtskirche zur ersten evangelischen Kirche der Stadt
Blick vom Dom auf den Neupfarrplatz 1940
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Christoph Lang, Stadt RegensburgAnstelle des jüdischen Viertels sollte im 16. Jahrhundert schnell eine katholische Wallfahrtskirche zu Ehren der Schönen Maria entstehen – als Zeichen für den religiös und politisch motivierten Neuanfang. Bei Abbrucharbeiten der Synagoge soll der Legende nach ein Arbeiter von Trümmerteilen verschüttet worden sein. Man konnte den Totgeglaubten jedoch wie durch ein Wunder retten. Das deutete man als himmlisches Zeichen und errichtete daher zunächst eine kleine Kapelle. Doch bevor die geplante Wallfahrtskirche fertiggestellt werden konnte, ebbte die Begeisterung der Massen für Wallfahrten wieder ab. Luthers Reformen erreichten die Stadt und so wurde 1542 aus dem noch unvollendeten Bau die erste evangelische Kirche Regensburgs, die neue Pfarre. Seitdem trägt auch der Platz seinen heutigen Namen. Endgültig fertiggestellt wurde die Kirche als Bau der Renaissance mit spätgotischen Elementen erst 1860. Heute finden hier neben Gottesdiensten auch Konzerte, Lesungen und der wechselhaften Religionsgeschichte des Ortes folgend interreligiöse Veranstaltungen statt. Die schlichte Eleganz ihres Innenraums überrascht viele – kein Prunk, sondern stille Klarheit. Wer eintritt, spürt, dass dieser Ort Geschichte in sich birgt.
Christkindlmarkt seit mehr als 200 Jahren
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Bilddokumentation Stadt RegensburgIm 18. Jahrhundert entwickelte sich die Gegend zur Wirtschaftszentrum, gleich mehrere Banken und Geschäfte siedelten sich hier an. Der Platz war lebendiger Marktplatz. Seit Ende des 18. Jahrhunderts verwandelt sich der Platz jedes Jahr im Winter in ein funkelndes Weihnachtsmärchen: Der Regensburger Christkindlmarkt lockt mit dem Duft von Glühwein, Bratwürsten und gebrannten Mandeln Tausende Besucherinnen und Besucher an. Zwischen festlich geschmückten Holzhäuschen, Lichterketten und Krippenfiguren scheint die Hektik des Alltags für einen Moment stillzustehen. Der Weihnachtsmarkt macht den Neupfarrplatz jedes Jahr im Advent zu einem magischen Ort für Jung und Alt.
Vom Schocken zum Kaufhof
1920 wurde an der Ostseite des Neupfarrplatzes in der Nachbarschaft der Alten Wache das von der jüdischen Familie Schocken geführte gleichnamige Kaufhaus eröffnet. Von den Nazis wurde sie später enteignet. Nach dem Grauen der Nazizeit folgte an dieser Stelle das neue Kaufhaus Merkur.
Nach den Kriegsjahren sehnten sich die Regensburger nach Zerstreuung und Unterhaltung. Da kamen 1947 die italienischen Seiltänzer Carlo und Henrico wie gerufen: Todesmutig spannten sie ein Seil über den Dächern der Stadt und spazierten unter den staunenden Augen der Bürger völlig ungesichert vom Dom zur Neupfarrkirche. In den Jahren danach war der Platz stark von Bus- und Autoverkehr geprägt, der nördliche Bereich wurde ein Parkplatz.
Eine große Veränderung fand Anfang der 1970er Jahre statt. 1972 wurden mehrere historische Häuser an der Dreihelmgasse, der Pfauengasse, am Neupfarrplatz, in der Schlossergasse und am St.-Kassians-Platz abgerissen. Diese Häuser machten Platz für den Gebäudekomplex, der zunächst das Kaufhaus Horten, bis 2024 dann das Kaufhaus Galeria Kaufhof beherbergte. Die Westfassade der „Alten Wache“ wurde in den Kaufhausneubau integriert. Seit seiner Eröffnung prägt der 20.000 Quadratmeter große Komplex neben der Neupfarrkirche das Aussehen des weitläufigen Platzes.
Heute: Verkehrsberuhigter Multifunktionsplatz
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Bilddokumentation Stadt RegensburgNach Ausgrabungen in den 1990er Jahren, bei denen neben den bedeutenden jüdischen Funden auch ein großer mittelalterlicher Goldschatz entdeckt wurde, wurde der Neupfarrplatz umgestaltet und verkehrsberuhigt. Auf der Südseite des Platzes glänzt bis heute das frühere Bankiershaus Palais Löschenkohl. Der Neupfarrplatz ist heute ein weitläufiger Ort mit zahlreichen Geschäften, Marktständen, einem kleinen, aber feinen Kiosk und viel Platz zum Hinsetzen und Genießen.
Text: Claudia Biermann
Die Reihe Regensburger Plätze entstand in Kooperation Janina Rummel von der Abteilung Welterbekoordination. Weitere spannende Einblicke in das baukulturelle Erbe von Regensburg finden Sie unter www.regensburg.de/welterbe.
Weitere Informationen
Quellen
- Karl Bauer: Regensburg. Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. MZ-Buchverlag 2014.
- Regensburger Plätze. Geschichte und Funktion städtischer Räume. Regensburger Herbstsymposium für Kunst, Geschichte und Denkmalpflege 2016. Morsbach Verlag, Regensburg 2017.
- document Neupfarrplatz




