Damit Bürokratie nicht zur Hürde wird

Jivka Eisenstein unterstützt als Verfahrenslotsin Kinder und junge Menschen, die eine Behinderung haben oder von einer Behinderung bedroht sind, und ihre Familien.

Porträt: Jivka EisensteinJivka Eisenstein © Bilddokumentation Stad Regensburg

7. Oktober 2025

Frau Eisenstein, wer kann sich an Sie wenden und was ist Ihre Aufgabe als Verfahrenslotsin?

Unser Beratungsangebot richtet sich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahre, die eine Behinderung haben oder von einer Behinderung bedroht sind – sowie an ihre Eltern und Erziehungsberechtigten. Sie haben Anspruch auf sogenannte Eingliederungshilfe – und da wird es kompliziert, denn: Für körperliche und geistige Behinderungen ist die Eingliederungshilfe im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) geregelt, zuständig ist der Bezirk. Eingliederungshilfe bei seelischen Behinderungen fällt dagegen unter das SGB VIII; die Zuständigkeit liegt hier bei der Kinder- und Jugendhilfe, also beim Amt für Jugend und Familie der Stadt. Laut dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) von 2021 soll in den kommenden Jahren beides bei der Kinder- und Jugendhilfe zusammengeführt werden. Bis es so weit ist, haben wir aber noch eine Übergangszeit, die ebenfalls geregelt werden muss. Dazu kommt, dass je nach Einzelfall die Zuständigkeit auch bei der Kranken-, Renten oder Unfallversicherung liegen kann. Für Betroffene ist es nicht einfach, dieses komplexe System zu durchschauen. Deshalb sieht das KJSG vor, dass es bei den Jugendämtern sogenannte Verfahrenslotsen gibt – Fachkräfte, die beraten, begleiten und an die zuständigen Stellen weitervermitteln.

Ich bin als Verfahrenslotsin beim Amt für Jugend und Familie der Stadt Regensburg tätig. Wichtig ist mir dabei vor allem eines: Meine Beratung ist unabhängig und vertraulich. Ich unterliege der Schweigepflicht – das bedeutet: Informationen, die mir anvertraut werden, gebe ich nicht weiter. Auch nicht an Kolleginnen und Kollegen innerhalb des Amtes.

Meine Aufgabe ist es, Familien zu unterstützen – damit sie die Leistungen und Hilfen erhalten, die ihnen gesetzlich zustehen. Und damit sie sich in einem oft komplizierten System nicht allein gelassen fühlen.

Fotografie: Jivka Eisenstein in einem Beratungsgespräch © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Können Sie einen typischen Fall aus Ihrer Beratung nennen?

Obwohl jeder Fall individuell ist, verfolgt die Eingliederungshilfe ein klares Ziel: Kindern und Jugendlichen soll – unabhängig von körperlichen oder psychischen Einschränkungen – eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden.

Beispielfall: Ein sechsjähriger Junge mit Autismus-Diagnose steht kurz vor der Einschulung. Damit er den Schulalltag bewältigen kann, braucht er eine Schulbegleitung. Der Antrag dafür muss beim zuständigen Eingliederungshilfeträger gestellt werden – je nach gesetzlicher Grundlage entweder beim Jugendamt (SGB VIII) oder beim Bezirk Oberpfalz (SGB IX).

Anders sieht es bei körperlichen Erkrankungen aus: Hat ein Kind beispielsweise Diabetes, sind medizinische Hilfsmittel wie Insulinpumpen oder Messgeräte keine Leistungen der Eingliederungshilfe, sondern fallen in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkassen.

In solchen Fällen begleite ich die Eltern durch den oft undurchsichtigen „Bürokratie-Dschungel“. Ich erkläre, welche Anträge wo gestellt werden müssen, vermittle an die richtigen Stellen und helfe dabei, passende Unterstützungsangebote zu finden. Bei Bedarf stelle ich auch den Kontakt zu spezialisierten Beratungsstellen her, die sich mit der jeweiligen Diagnose auskennen.

Dabei gilt: Die Beratung ist freiwillig. Niemand wird zu etwas gedrängt. Die Familien entscheiden selbst, ob und welche Angebote sie nutzen möchten. Mein Ziel ist es, Orientierung zu geben – damit kein Kind aufgrund von Formalitäten auf wichtige Unterstützung verzichten muss.

 

Welche Unterlagen müssen die Eltern mitbringen?

Ich begleite Familien schon vor der Antragstellung und helfe dabei, die richtigen Schritte einzuleiten. Damit die Behörden aktiv werden können, braucht es in der Regel eine Diagnose von einer Fachärztin oder einem Facharzt – sie ist Voraussetzung für die Antragstellung.

Unabhängig davon können sich Betroffene jederzeit telefonisch oder per E-Mail an mich wenden, damit wir gemeinsam ihren individuellen Fall prüfen. Dafür ist kein offizieller Antrag nötig.

Die Beratung ist kostenlos, unabhängig und selbstverständlich vertraulich.

Text und Interview: Katrin Butz

Weitere Informationen

Kontakt

Jivka Eisenstein
Telefon: (0941) 507-95103
E-Mail: ZWQuZ3J1YnNuZWdlciRha3Zpai5uaWV0c25lc2ll oder ZWQuZ3J1YnNuZWdlciRlc3RvbHNuZXJoYWZyZXY=

Zur Person

Jivka Eisenstein ist in Bulgarien geboren und aufgewachsen. Seit 2009 lebt sie in Deutschland. Sie hat Wirtschaftswissenschaften M. A. in Bulgarien und Sozialpädagogik B. A. an der OTH Regensburg studiert und arbeitet seit 2015 beim Amt für Jugend und Familie der Stadt Regensburg.

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