Annemarie Reck geht Regensburgs Geschichte auf den Grund

Wer inmitten einer Sturmwarnung aus Dresden für ein Vorstellungsgespräch anreist und die Stelle dann auch noch bekommt, den wirft wohl so schnell nichts aus der Bahn. Der Archäologin Annemarie Reck ist das geglückt. Jetzt ist sie zuständig für alle Bodendenkmäler, die in Regensburg noch vermutet werden – und davon gibt es noch wirklich viele.

Porträt: Annemarie ReckAnnemarie Reck © Bilddokumentation Stadt Regensburg

10. September 2025

„Die Stelle ist für mich ein Jackpot“, sagt die 33-Jährige auch noch nach einem guten halben Jahr im neuen Job im Amt für kulturelles Erbe und lacht: „In Regensburg gibt es so viel Tolles unter der Erde zu entdecken!“ Die Archäologin der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt kommt ins Spiel, wenn in der Domstadt Bodenarbeiten stattfinden. Das kann ein großes Baugebiet eines Bauträgers sein, ein Einzelgrundstück, auf dem eine Familie ihr Haus errichten möchte, oder wenn der Boden für Arbeiten an unterirdischen Leitungen geöffnet wird.

Reiche Geschichte im Boden

Fotografie: Annemarie Reck betrachtet Pläne des Neupfarrplatzes.Pläne wie diese zeigen, welche historischen Baufunde unter dem Neupfarrplatz vorhanden sind. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Weil Regensburg eine fast 2000-jährige Geschichte hat, findet man immer wieder historische Überreste, die zumindest dokumentiert werden müssen. Das schreibt das Bayerische Denkmalschutzgesetz vor. „Im Idealfall haben uns die Bauherren oder deren Architekten schon im Vorfeld kontaktiert“, erklärt Reck. „Dann können wir beraten und schon vor Baustart abklären, ob es sich bei der Fläche um ein bekanntes Bodendenkmal oder einen sogenannten Vermutungsfall handelt und auf diese Weise Verzögerungen im eigentlichen Bauverlauf in der Regel weitgehend ausschließen.“

Recherche und Begutachtungen vor Ort

Ein Vermutungsfall liegt zum Beispiel vor, wenn frühere Grabungen bereits Hinweise auf denkmalpflegerisch wertvolle Funde gegeben haben – oder wenn auf dem Nachbargrundstück bereits Funde bekannt sind. „Etwa 90 Prozent der Bodendenkmäler sind nicht genau umrissen. Wie weit sie sich erstrecken, beruht oftmals auf Schätzungen. Deshalb müssen wir da behutsam vorgehen“, so die Archäologin. Hier helfen ihr u. a.  Datenbanken und archäologische Fachinfosysteme, die u. a. alte Flurkarten und Luftbilder beinhalten, der erweiterte Bayernatlas sowie wissenschaftliche Arbeiten. Intensive Recherche gehört zum Job dazu. „Wir wollen den Aufwand für die Bauherren ja möglichst geringhalten, müssen unser Erbe in der Erde aber – wie es das Gesetz vorschreibt – auch schützen.“

Fotografie: Annemarie Reck arbeitet an einem PC. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Wenn bei einer geplanten Baumaßnahme ein „Vermutungsfall“ vorliegt, informiert Annemarie Reck den Bauherren darüber. Er muss dann einen bodendenkmalrechtlichen Antrag stellen. Das führt dazu, dass der Oberboden unter fachlicher Aufsicht behutsam abgetragen wird. Oft werden dafür archäologische Fachfirmen beauftragt. Je nach Baustelle schnürt Annemarie Reck aber schon mal ihre Sicherheitsschuhe, setzt ihren Bauhelm auf und macht sich ihr eigenes Bild vor Ort. „Wenn die erste Bodenschicht behutsam abgetragen wird, sehen wir in der Regel schon an der Färbung des Bodens, ob hier etwas verborgen liegt“, beschreibt die gebürtige Würzburgerin das Vorgehen. „Ist nichts erkennbar, wird die Fläche für den Bau freigegeben. Sind aber Befunde wie Hausgrundrisse, Gräber, Siedlungsgruben oder Mauern erkennbar, müssen diese fachgerecht ausgegraben und dokumentiert oder konservatorisch überdeckt werden. Die Kosten hierfür trägt dann allerdings der Bauherr. Es gibt jedoch Förderungen, die man beantragen kann.

Puzzlearbeit führt zu Erkenntnissen

Fotografie: Annemarie Reck an einer AusgrabungsstelleAktuellster Fund: Reste eines römischen Hauses in der Allee am Bahnhof © Stadt Regensburg, Dr. Johannes Sebrich

Erst im August kamen bei der Erneuerung der Brunnen in der Fürst-Anselm-Allee Reste eines römischen Gebäudes zutage. Bislang war an dieser Stelle noch kein römisches Gebäude bekannt. „Wir überlegten zunächst, ob es sich um die Reste einer bisher unbekannten lagernahen ´villa rustica´ handeln könnte oder möglicherweise um ein Gebäude im Friedhofskontext“, so Reck. Denn südlich der Albertstraße ist bereits ein größeres Gräberfeld mit Brand- und Körperbestattungen des 3.- 5. Jahrhunderts n. Chr. bekannt. Inzwischen gehen die Archäologen davon aus, dass es sich um ein gehobenes Gebäude der Zivilsiedlung handelt. Sogar eine Warmluftheizung konnte darin nachgewiesen werden. „Der Befund ist insofern bedeutend, weil eine zivile Ansiedlung direkt südlich des römischen Legionslagers Castra Regina bisher nicht bekannt war“, schildert Reck die Erkenntnisse, die im Laufe der aktuell stattfindenden Grabung immer weiter fortschreiten.

Ein weiterer Fall aus diesem Jahr: Bei Leitungsarbeiten in der Predigergasse – jenseits eines bekannten Friedhofs – wurde ein Skelett gefunden. Alles deutet auf eine formale Beerdigung hin. Wie alt es ist, wird derzeit untersucht. In der Keplerstraße entdeckte man Teile der Stadtmauer. „Hier gab es eigentlich alte Pläne, auf denen bereits Leitungen hinterlegt waren. Plötzlich tauchte dann die Mauer auf und wir wurden kontaktiert,“ erzählt die Fachfrau. „Mit dem Ergebnis, dass die Mauer dokumentiert wurde, erhalten blieb, und für die Leitungen eben umgeplant wurde.“ Fälle wie diese sind in Regensburg nicht selten. Warum ist es dann immer noch so wichtig, all diese Funde zu sichern und genau zu untersuchen? „Weil wir immer wieder neue Erkenntnisse gewinnen,“ antwortet Reck.  „Durch die rege Bautätigkeit der letzten Jahrzehnte wurden leider unzählige Bodendenkmäler Bayerns – viele auch von überregionaler Bedeutung – teilweise auch unbeobachtet zerstört. Diese Informationen über unsere Vergangenheit sind für immer verloren.“ Pflicht des Denkmalschutzes ist es, diese einmaligen Quellen nach bestem Wissen und Gewissen für die Nachwelt zu erhalten oder zumindest ihren Informationsgehalt durch eine fachgerechte Ausgrabung zu bewahren. „Alles, was wir heute über das Leben unserer frühen Vorfahren wissen, verdanken wir den Grabungen der vergangenen Jahrzehnte“, betont die Archäologin. Und das macht den neuen Job ja auch so spannend für die 33-Jährige, die sonst eher auf ruhige Hobbys setzt. 

Text: Claudia Biermann

Weitere Informationen

Dienststelle von Annemarie Reck

Untere Denkmalschutzbehörde

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