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Wenn Steine sprechen könnten – das Alte Rathaus

Altes Rathaus - Turm

5. Oktober 2018

Wann sind Sie das letzte Mal durch die Regensburger Altstadt spaziert und haben einmal den Blick nach oben schweifen lassen? Schon länger her? Dann sollten Sie das unbedingt nachholen. Denn in der Regensburger Altstadt lohnt es sich eigentlich immer, genau hinzuschauen.

Kleine und große Steinfiguren, die an Häuserecken „hocken“, verzierte Fenster, und immer wieder einmal das Regensburger Stadtwappen gibt es zu entdecken. Die Fassade des Alten Rathauses zum Beispiel verrät erstaunlich viel über die Regensburger Stadtgeschichte.

Das fehlende Fenster vom Reichssaal

Das Alte Rathaus, wie wir es heute kennen, hat sich natürlich über die Jahrhunderte verändert. Vor allen Dingen ist es aber nicht in einem Rutsch erbaut worden. Die Notwendigkeit für ein Rathaus entstand, als Regensburg 1245 zur freien Reichsstadt wurde. Denn ab diesem Zeitpunkt durfte Regensburg einen eigenen Bürgermeister und einen eigenen Rat haben.

Zunächst baute man den heutigen Mittelteil mit dem Rathausturm. Um Empfänge und Bälle abhalten zu können, entstand dann rund 100 Jahre später ein großer Saal. Heute ist dieser Saal allgemein bekannt als der Reichssaal, weil er in der Neuzeit zum „Zuhause“ für den Immerwährenden Reichstag wurde. So ein Saal benötigt natürlich einen entsprechend repräsentativen Eingang, weshalb man anschließend ein großes Eingangsportal errichtete.

Und das scheint aus heutiger Sicht etwas größer geraten zu sein, als geplant. Denn man hat damit einfach eines der Fenster des Reichssaals zugebaut. Wenn Sie nämlich die Fensterreihen zum Saal zählen, werden Sie merken, dass eigentlich immer vier Fenster zusammen gruppiert wurden. Lediglich in der letzten Reihe vor dem Portal zählt man heute nur noch drei. Fenster Nummer Vier schaut hier von innen die Wand an und ist damit ein stilles Zeugnis für die Baugeschichte des Alten Rathauses.

Altes Rathaus - fehlendes Fenster vom Reichssaal - Nahaufnahme

Wer sucht, der findet: gekreuzte Schlüssel

Das Regensburger Stadtwappen zeigt zwei schräg gekreuzte silberne Schlüssel auf einem roten Schild. Die Schlüssel sind das Attribut des Heiligen Petrus, dem Patron des Regensburger Doms und der Stadt. Und vermutlich gibt es das Wappen an keinem anderen Ort in der Altstadt so häufig zu entdecken wie am und im Alten Rathaus.

Allein an der Fassade ist das Wappenbild ganze sieben Mal in Stein verewigt. Bei der Stadttwappen-Dichte konnte sich wirklich jeder sicher sein, dass er sich vor dem Rathaus der Stadt befindet.

Portal mit Schutz und Trutz am Alten Rathaus

Die Wächter vom Rathausplatz

Vor allem ausländische Besucher unserer Stadt können sich beim Klang der Namen oft das Schmunzeln nicht verkneifen: Schutz und Trutz, das bringt die Schönheit der deutschen Sprache schon besonders gut zur Geltung. Kein Wunder, dass die beiden Geharnischten über dem Eingangsportal am Alten Rathaus so grimmig dreinschauen.

Die Herren hatten aber auch einen ernsten Auftrag: Sie sollten seinerzeit die Wehrhaftigkeit der Stadt versinnbildlichen. Schutz mit den verschränkten Armen und Streithammer in der Hand, ist bereit zur Verteidigung. Und Trutz hebt schon den Stein, bereit zum Angriff, wenn jemand der Stadt Böses will. Die beiden sendeten somit ein unmissverständliches Signal an jeden, der durch das Portal geschritten ist. Und das waren im Laufe der Jahrhunderte nicht wenige.

Schutz und Trutz könnten bestimmt die eine oder andere Anekdote vom jahrhundertelangen, bunten Treiben auf dem Regensburger Rathausplatz zum Besten geben. Doch wie es sich für Steine gehört, hüllen sie sich in Schweigen. Und so muss auch die Rathausfassade für sich stehen und wirken. Auf den einen mehr, auf den anderen weniger.

Text: Sonja Jäger