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Stadtteilspaziergang: Auf den Spuren der Römer durch Kumpfmühl

Kumpfmühl ist die Keimzelle des römischen Regensburgs. Hier wurde um das Jahr 79 v. Chr. der erste militärische Präsenzpunkt der Römer am nördlichsten Donaubogen errichtet. Auf einem Stadtteilspaziergang lässt Stadtheimatpfleger Prof. Gerhard Waldherr das Lagerleben lebendig werden.

Fotografie: Stadtheimatpfleger Prof. Gerhard Waldherr erläutert einem Mann am Kumpfmühler Geschichtsquader die spannende Geschichte des ehemaligen römischen Kohortenlagers.
Stadtheimatpfleger Prof. Gerhard Waldherr erläutert am Kumpfmühler Geschichtsquader die spannende Geschichte des ehemaligen römischen Kohortenlagers. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

14. April 2023

Wir schreiben das Jahr 150 nach Christi Geburt. Händler aus Oberitalien, die den beschwerlichen Weg über die Alpen hinter sich gebracht haben, erreichen über die heutige Augsburger Straße, die auch damals schon eine wichtige Verkehrsachse war, den Militärstützpunkt auf dem Hügel südlich der Donau. Ihr Ziel ist die Zivilsiedlung östlich des Lagers, in etwa dort gelegen, wo sich heute das Zentrum Kumpfmühls befindet. Ein Rasthaus am nördlichen Rand des heutigen Marktplatzes bot nicht nur Platz für die Zugtiere, sondern auch eine Unterkunft für die Menschen. Und die war durchaus komfortabel. Geräumige Zimmer, mit Wandbemalungen geschmückt, standen rund um den Innenhof zur Verfügung. Eine Badeanlage mit Warm- und Kaltwasserbecken, in der die Reisenden den Staub abwaschen und sich erholen konnten, vermittelte bereits damals Wellness-Atmosphäre. Anschließend bot sich ein Spaziergang durch die Zivilsiedlung an, den sogenannten vicus, in der nicht nur die Angehörigen der Soldaten ein Zuhause gefunden hatten. Hier lebten auch Handwerker, Gastwirte und Händler in sogenannten Streifenhäusern, bis zu 30 Meter lang und aufgereiht zu beiden Seiten der Straße. An die frontseitige Holzveranda grenzte entweder ein Ladengeschäft oder die jeweilige Produktionsstätte des Handwerkers. Ganz hinten befand sich der Wohnbereich. Meist hatten diese Häuser auch ein Obergeschoss, eigene Brunnen und einen Keller, dessen Boden nicht selten mit einer Sandschicht bedeckt war, damit die dort gelagerten und unten spitz zulaufenden Amphoren Halt fanden.

Archäologie ist ein Puzzlespiel

Spuren dieses regen Treibens sind heute nicht mehr sichtbar, erklärt Waldherr. Denn Archäologie ist wie ein Puzzlespiel. Aus wenigen Bruchstücken, die bei Grabungen aufgespürt werden, stückeln die Archäologen in mühevoller Kleinarbeit historische Fakten zusammen. Und immer wieder müssen Annahmen korrigiert werden, wenn neue Erkenntnisse ans Licht gebracht werden.

Im Jahr 1873 entdeckte man eher zufällig Reste einer römischen Thermenanlage in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Behnerkellers, nördlich der heutigen Kleingartenanlage. 1909 stieß man dann auf erste Spuren einer zivilen Siedlung nordöstlich der heutigen Wolfgangskirche und erst in den 1920er-Jahren spürten Archäologen die Wehrmauer und den westlichen Lagereingang des Kastells Kumpfmühl auf. Damals ging man aufgrund dieser Grabungen von einem fast quadratischen Grundriss aus. Erst im Jahr 1994 als bei neuerlichen Untersuchungen Mauerreste außerhalb dieses Areals entdeckt wurden, musste man davon ausgehen, dass das Lager um das Jahr 130 n. Chr. herum wohl um etwa 45 Meter nach Westen auf das sogenannte Spielkartenformat erweitert wurde. Waren anfangs rund 500 Mann dort stationiert, so war das Lager – vermutlich aus Sicherheitsgründen – inzwischen auf etwa 1.000 Mann aufgestockt worden.

Die Befestigung, die ursprünglich aus einer Holz-Erde-Mauer bestand, war schon um das Jahr 120 herum durch eine über zwei Meter dicke Steinmauer ersetzt worden. Im Inneren befanden sich die Mannschaftsunterkünfte aus einfachem Fachwerk. Nur die deutlich größere Kommandantur war aus Stein gebaut. Zwei sich kreuzende Hauptstraßen erschlossen das 2,8 Hektar große Areal, das strategisch günstig auf der Hügelkuppe gelegen war, so dass von dort die beiden nördlichen Einfallstore, die Naab- und die Regenmündung, überwacht werden konnten. Die Thermenanlage außerhalb der Kastellmauern diente zur Körperhygiene und zur Erholung der Truppen und der Zivilbevölkerung.

Fotografie: Schatz von Kumpfmühl
Der Schatz von Kumpfmühl – Von einem römischen Offizier vergraben, der einen germanischen Angriff befürchtete? © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Schatzfund im Römerkastell

Ein Highlight bei der Entdeckung des römischen Kumpfmühls, so erzählt Waldherr, war das Jahr 1989, als ein Baggerfahrer zufällig einen Bronzekessel zu Tage förderte, der einen Schatz in sich barg. 619 römische Silbermünzen, 25 Goldmünzen, einige Bronzemünzen, zwei Armreife aus Silberblech, vier goldene Ringe, zwei halbmondförmige Anhänger aus Gold, zwei Silber-Ketten und Gewandspangen, sogenannte Flügelfibeln, ließen die Augen der Archäologen aufleuchten. Der Schatz von Kumpfmühl ist heute im Historischen Museum auf dem Dachauplatz zu bestaunen.

„Wir vermuten, dass es sich dabei um das Geld und den Schmuck einer Offiziersfamilie handelt“, erklärt Waldherr. Man könne wohl davon ausgehen, dass der Schatz aufgrund einer Gefahrensituation innerhalb des Lagers vergraben wurde. Von einer Bergung scheint der eigentliche Besitzer aber abgehalten worden zu sein. Der mutmaßliche Grund waren die Markomannenkriege in den 160er- und 170er-Jahren, in denen feindliche germanische Stämme das Römerlager in Kumpfmühl zerstörten und weit bis ins römische Reich nach Süden vordrangen. Dass die jüngste der aufgefundenen Münzen im Jahr 166 nach Christus geprägt worden sei, untermauere diese These, so Waldherr.

Nach dem Ende der Markomannenkriege bauten die Römer das Lager nicht wieder auf, weil sie erkannt hatten, dass die Nordgrenze des Reichs nur mit einer massiven Aufstockung der Truppen zu sichern war. Weil auf der Hügelkuppe nicht genug Platz vorhanden war, ließ Kaiser Marc Aurel im Jahr 179 nach Christus direkt an der Donau ein zweites römisches Lager für eine Besatzung von 6.000 Soldaten errichten: Castra Regina war geboren!

Ein ungelöstes Rätsel

Eine grausige Entdeckung machten Archäologen im Jahr 2011. Inmitten von geschlachteten Rindern und Schafen stießen sie auf ein weibliches Skelett. Die Frau war in Hockstellung begraben worden, die Hände vors Gesicht geschlagen, ein Felsbrocken im Rücken. Dieser Fund ist bis heute ein ungelöstes Rätsel. Handelt es sich um eine Bestrafung, einen Opferritus oder um eine spezielle Bestattungsform, die vor Wiedergängertum, also vor Untoten schützen sollte? Auch Waldherr muss hier passen, verweist aber darauf, dass die römische Bevölkerung, die damals in und um das Kastell lebte, mitnichten aus gebürtigen Römern bestand. „Die Menschen kamen aus allen Winkeln des damaligen römischen Reichs und brachten natürlich auch ihre ganz speziellen Riten und Opferbräuche mit.“

Text: Dagmar Obermeier-Kundel