Navigation und Service

„Heimat ist, wo ich dazupasse.“

Die Donau und die Regensburger Plätze liebt der neue Stadtheimatpfleger Gerhard Waldherr sehr. Doch was hat der ausgewiesene Römerexperte und Geschichtsprofessor der Regensburger Universität in diesem städtischen Ehrenamt vor, das er seit 1. Juli innehat? Wo will er sich einbringen? Und was versteht er eigentlich unter „Heimat“?

Fotografie: Drohnenbild Regensburg
Die Donau mit ihren grünen Ufern liebt der neue Stadtheimatpfleger genauso wie die steinernen Plätze Regensburgs. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

10. August 2022

Die regensburg507-Redaktion hat mit dem waschechten Regensburger über seine neue Aufgabe gesprochen.

 

Früher war „Heimat“ ja ein altbackener, fast schon verpönter Begriff: Seit einigen Jahren ist „Heimat“ aber wieder sehr modern. Herr Prof. Waldherr, was macht „Heimat“ für Sie aus?

Heimat ist für mich eine Mischung aus Gefühl und Ort. Es ist dort, wo ich mich wohlfühle, wo ich mich nicht rechtfertigen muss für das, was und wie ich bin. Wo ich einfach dazupasse. Das hängt mit liebgewonnenen Gewohnheiten, der vertrauten Sprache und Lieblingsorten zusammen.  

Porträt: Prof. Gerhard Waldherr
Prof. Gerhard Waldherr © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Haben Sie einen Lieblingsort in Regensburg?

Es gibt für mich in Regensburg nicht den „einen“ Lieblingsort. Ich liebe das Zusammenspiel von Altstadt, dem Fluss mit seinen Ufern und den Plätzen. Ich liebe es, auf einem unserer schönen Plätze zu sitzen, den Menschen zuzuschauen und die schönen Bauten um mich herum zu genießen. Jedem Regensburg-Besucher rate ich: Flanieren Sie ziellos durch die Gassen und über die Plätze und genießen Sie einfach!

 

Ursprünglich diente das Amt des Stadtheimatpflegers in erster Linie der Denkmalpflege. Das „Bewahren“ alter baulicher Strukturen einer Stadt ist heute nicht mehr so vorrangig, weil das inzwischen durch staatliche Denkmalschutzbehörden in der Regel sehr gut erfolgt. Worin sehen Sie also Ihre (Haupt)Aufgabe?

Der Schutz und das Bewahren der Baudenkmäler bleiben weiterhin ein Schwerpunkt der Tätigkeit des Stadtheimatpflegers, um den einzigartigen Charakter Regensburgs zu erhalten. Nicht von ungefähr steht schließlich die Regensburger Altstadt auf der UNESCO-Welterbeliste.

Darüber hinaus sehe ich aber einen weiteren Fokus in der Vermittlung von Traditionen und Brauchtum. Ich möchte diese aber nicht 1:1 konservieren, sondern ihre Bedeutung und Geschichte mehr in den Vordergrund rücken, damit dieses Wissen und Verständnis für nachfolgenden Generationen präsent bleibt. Ich will dazu beitragen, dass Regensburg für alle Bewohnerinnen und Bewohner – Alteingesessene genauso wie Neuzugezogene aus verschiedensten Kulturkreisen – „Heimat“ werden oder bleiben kann. Das ist immer auch ein Gefühl.

Wie stellen Sie sich das vor?

Wir brauchen ein Umfeld, in dem jeder seine Kultur und Traditionen leben kann, und gleichzeitig ein Angebot, Regensburg, seine Kultur und seine Traditionen kennenzulernen. Wer die Geschichte einer Stadt und ihre Kultur versteht, fühlt sich wohl, entwickelt Respekt und möchte das „Erbe“, auch das bauliche Erbe, bewahren. Ich möchte daher auch mit Schulen zusammenarbeiten und Projekte, etwa zum Thema „Was ist Heimat für dich?“ anstoßen. Dank meiner beruflichen Erfahrung, auch als Kulturvermittler bei cultheca, habe ich zahlreiche Kontakte zu Vereinen und Initiativen in einzelnen Stadtteilen, mit denen ich gerne ein gemeinsames Programm auf die Beine stellen möchte.

Die Altstadt ist das Aushängeschild für Regensburg. Ihr Vorgänger hat sich für weniger Verkehr in der Altstadt stark gemacht. Wie sehen Sie das?

Ich liebe die Altstadt und das Lebensgefühl, das sie vermittelt. Wir müssen uns langfristig überlegen, wie es mit ihr weitergehen soll. Ich kann mich noch gut erinnern, als Autos am Alten Rathaus vorbei zum Parken auf den Haidplatz fuhren. Zum Glück haben wir das heute nicht mehr – ich denke, da stimmen mir alle zu. Der Stadt, den Menschen und auch dem Handel hat das nicht geschadet. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir immer noch zu viel Verkehr in der Altstadt haben, zum Beispiel am Domplatz. Das ist aber ein großräumigeres Thema: Wir können die Auto nicht einfach verbannen ohne Alternativen zu schaffen, wie man die Altstadt gut erreichen kann. Sie muss lebendig bleiben, darf kein Museum werden. Das zu lösen sehe ich als eine der großen Herausforderung der nächsten Jahre.

 

Welche noch?

Regensburg ist eine wachsende Stadt. In den vergangenen Jahren wurde viel gebaut, es kamen viele neue Quartiere und viele neue Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen dazu. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass wir es schaffen, diese zu integrieren – räumlich und sozial. Wir brauchen vor Ort in den neuen Stadtteilen eine Infrastruktur, welche Lebensqualität schafft, so dass man sich dort gerne aufhält und dort auch lebt, nicht nur schläft.

 

Was wollen Sie denn hierzu beitragen?

Ich bin ja erst seit Kurzem im Amt und entwickle noch konkrete Maßnahmen. Aber ich möchte die Tradition der Stadtteilspaziergänge von meinem Vorgänger fortsetzen und die einzelnen Viertel mehr betonen. Regensburg ist mehr als nur die Altstadt. Die einzelnen Stadtteile haben ihre eigene, interessante Geschichte, die es wert ist erzählt zu werden. Ich denke da zum Beispiel an die ehemaligen Kasernenflächen. Manche Menschen, die dort leben, wissen gar nicht, was dort vorher gewesen ist.

 

Klingt spannend! Viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch!

Text und Interview: Claudia Biermann