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Stadtteilspaziergang Burgweinting: Zeitreise durch fünf Jahrtausende

Die größte archäologische Flächengrabung Bayerns: Burgweinting kann auf diesen Titel stolz sein, noch mehr aber auf das Ergebnis. Denn bei den Grabungen kamen Siedlungsspuren aus fünf Jahrtausenden zu Tage. Auf unserem Stadtteilspaziergang geht Stadtheimatpfleger Prof. Dr. Gerhard Waldherr diesen Spuren nach.

Fotografie: Stadtheimatpfleger Dr. Gerhard Waldherr zeigt vor dem Gelände der Villa Rustica die Lage der Gebäude.
Stadtheimatpfleger Dr. Gerhard Waldherr zeigt vor dem Gelände der Villa Rustica die Lage der Gebäude. © Stadt Regensburg, Dagmar Obermeier-Kundel

8. Mai 2023

Ausschlaggebend dafür, dass sich hier am westlichen Rand des Gäubodens Menschen ansiedelten, war sicherlich der fruchtbare Lössboden. Aber auch die Nähe zur Donau, einem wichtigen Verkehrs- und Handelsweg. Viele Quellen, der Aubach und die angrenzenden Auwälder mit ausreichend Weideflächen boten ideale Bedingungen.

An der Oberfläche ist heute nichts mehr zu sehen von der wechselvollen Geschichte und den ganz persönlichen Geschichten, die sich hier in Burgweinting abspielten. Mehr als einen Meter Humusschicht muss man abtragen, um auf Spuren zu stoßen. Und dann sind es meist nur Verfärbungen, die auf Pfostenlöcher von Häusern schließen lassen. Manchmal entdecken die Archäologen auch Gräber, in denen noch Skelette erhalten sind. Anhand der Knochen und aufgrund der möglicherweise vorhandenen Grabbeigaben lassen sich dann Rückschlüsse auf das Leben und das Sterben der Menschen in grauer Vorzeit ziehen.

Über 12.000 archäologische Funde

Wir beginnen unseren Spaziergang an der Otto-Schwerdt-Schule. Hier, wo in den letzten 25 Jahren das Neubaugebiet Burgweinting Nord-West entstanden ist, sind bei Grabungen in einem Zeitraum von 1994 bis 2021 mehr als 12.000 Funde und Befunde auf einem über 70 Hektar großen Areal entdeckt und analysiert worden.

Die ältesten stammen von der noch steinzeitlichen Chamer Kultur, benannt nach ihrem wichtigsten Fundort Cham. Sie wurde in der ersten Hälfte des dritten Jahrtausends v. Chr. von den Schnurkeramikern und später von den Glockenbecherleuten abgelöst. Von dieser Zeit zeugen Gräberfunde, die belegen, dass die Menschen damals hier neben Ackerbau und Viehzucht auch Tonwaren hergestellt haben.

Um 2000 v. Chr. begann die Bronzezeit. Pfostenlöcher, die man westlich der Otto-Schwerdt-Schule fand, zeugen von einer zusammenhängenden Siedlung mit mehreren Langhäusern. Spektakulär eine weitere Entdeckung: Die Siedlung mit 133 Hausgrundrissen, die aus der Urnenfelderzeit (1100 bis 850 v. Chr.) nachgewiesen werden konnte, ist in ganz Mitteleuropa einzigartig.

Aus keltischer Zeit (800 bis 100 v. Chr.) stammen die Überreste einer Siedlung mit bis zu 80 Gebäuden. Kochtöpfe aus Graphit, der Mühlstein einer Drehmühle und weitere Funde belegen, dass in dieser Zeit bereits reger Fernhandel betrieben worden ist.

Fotografie: Römerspielplatz in Burgweinting
Der sogenannte Römerspielplatz macht das Leben in römischer Zeit erlebbar. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Römische Villa Rustica mit Fußbodenheizung

Als die Römer im ersten Jahrhundert n. Chr. an die Donau vorstießen, nutzten sie das fruchtbare Land in Burgweinting zur Versorgung ihrer Militärlager. Über 100 römische Bauernhöfe konnte man bisher im südlichen Landkreis nachweisen. Eine solche Villa Rustica bestand aus einem zum Teil unterkellerten Haupthaus, der eigentlichen Villa, die sogar eine Fußbodenheizung – sogenannte Hypokausten – aufweisen konnte, und mehreren Wirtschaftsgebäuden. Eine Mauer grenzte das Anwesen ein. Um den Hof gruppierten sich die Äcker und Weideflächen. Die Höfe dienten neben der Selbstversorgung in erster Linie der Produktion von Lebensmitteln für die rund 15.000 in Castra Regina stationierten römischen Soldaten. Mehr als 300 Jahre prägten die Römer die Landschaft im Donaubogen.

Der südlich der Otto-Schwerdt-Schule gelegene Römerspielplatz und der begrünte Grundriss einer Villa Rustica zeugen von dieser Zeit und lassen sie erlebbar werden für Groß und Klein. Stelen, die leider immer wieder von Vandalen beschädigt werden, begleiten den Weg und machen die kulturelle Entwicklung transparent. Darauf sind auch viele der spektakulären Funde abgebildet, wie beispielsweise die Fass- und Kastenbrunnen, die die Römer mit Trinkwasser versorgten.

Originalgetreues Bajuwarenhaus

Wir kehren um, überqueren wieder die Kirchfeldallee und spazieren am Rand des Schulgeländes bis zum Bajuwarenhaus. Waldherr erklärt, dass zwischen der römischen Besiedlung und der darauffolgenden bajuwarischen eine zeitliche Lücke von rund 100 Jahren klafft. Bis circa 400 n. Chr. konnten römische Spuren nachgewiesen werden. Von den Bajuwaren, einem Mischvolk aus Germanen, wie Thüringern, aber auch Goten und nicht zuletzt Römern, können wir erst ab etwa 500 sprechen. Sie entwickelten ihre eigene Lebensweise. Die Annehmlichkeiten ihrer römischen Vorgänger traten sie buchstäblich mit Füßen. So reparierten sie den Ziegelfußboden der Hypokaustenheizung mit Lehm und machten damit das Heizsystem funktionsunfähig, erzählt Waldherr. Ob sie die Annehmlichkeiten einer Fußbodenheizung nicht zu schätzen wussten, weil viel kälteunempfindlicher, oder ob sie vor dem aufwändigeren Unterhalt zurückschreckten, weiß niemand. „Das geht ganz schnell, dass einmal angeeignetes Wissen wieder verloren geht“, erklärt der Stadtheimatpfleger. „Wenn Fähigkeiten nicht von Generation zu Generation weitergegeben werden, sind sie bald unwiederbringlich verloren.“

Römische Schließtechnik

Das Bajuwarenhaus, das leider nur bei Veranstaltungen oder im Rahmen von Führungen zugänglich ist, befindet sich auf dem Gelände der Otto-Schwerdt-Schule. Es ist die Rekonstruktion eines originalen frühmittelalterlichen Hauses, das sich ursprünglich um das Jahr 600 n. Chr. herum im Osten vom heutigen Burgweinting befand. Das Dach ist an einem Joch aus massiven Eichenbalken aufgehängt. Die Wände aus mit Lehm verspachteltem Weidengeflecht wurden gekalkt, um Schädlingsbefall zu verhindern. Der Boden besteht aus gestampftem Lehm. Kleine Schiebefenster sorgen für ein wenig Licht und Lüftung – dringend notwendig, weil im Haus selbst auf offenem Feuer gekocht wurde. Eine eingezogene Etage aus Holzbrettern bot den Bewohnern Raum zum Schlafen. Interessant auch die Türe, die Waldherr mit einem großen und eigenartig gezackten Schlüssel öffnet – eine Errungenschaft aus römischer Zeit, die die Bajuwaren offensichtlich nicht verschmäht hatten!

Leider hält das römische Schloss dem modernen Vandalismus nicht Stand. Immer wieder wird ins Bajuwarenhaus eingebrochen. Die ungebetenen menschlichen Besucher richten dabei viel größeren Schaden an als die Kaninchen, die sich mitunter einen Weg unter der Tür durchgraben oder die Schleiereule, die das Bajuwarenhaus zu ihrem ständigen Winter-Domizil erkoren hat.

Text: Dagmar Obermeier-Kundel