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Die erste ihrer Art

So jemanden wie Martina Köglmeier gab es noch nie bei der Stadtverwaltung. Die 55-Jährige ist Lehrerin für Geschichte, Deutsch und Ethik und damit prädestiniert für eine zusätzliche Aufgabe: Seit eineinhalb Jahren ist sie auch die erste Archivpädagogin der Stadt Regensburg.

Fotografie: Martina Köglmeier lehnt an einer Mauer neben einem Plakat.

10. Juli 2023

Herzblut ist das erste Wort, das einem in den Sinn kommt, wenn man Martina Köglmeier kennenlernt. Voller Begeisterung erzählt sie von ihrer ungewöhnlichen Jobkombination bei der Stadt Regensburg: „Mit einer halben Stelle arbeite ich am Von-Müller-Gymnasium als Lehrerin, mit der anderen Hälfte bin ich Archivpädagogin. Das ist die perfekte Kombination für mich!“. Dank der Unterstützung und der Kooperation zwischen Bildungs-, Kulturreferat und vor allen Dingen der Schulleitung ist ihre Stelle bei der Stadtverwaltung seit Herbst 2021 auf diese Weise aufgeteilt. Davor war sie Vollzeit-Lehrerin an dem städtischen Gymnasium.
Über einen mehrjährigen Schulworkshop zur Archivarbeit war die Geschichts- und Deutschlehrerin in engen Kontakt mit dem Stadtarchiv gekommen und hat ihre Leidenschaft für die Einrichtung als Lernort entdeckt. Hat da vielleicht auch noch ein bisschen dazu beigetragen, dass ihr Ehemann nicht nur Historiker an der Uni Regensburg, sondern auch ehrenamtlicher Archivpfleger in Bad Abbach ist? „Das mag gut sein“, sagt die Mutter von drei erwachsenen Kindern schmunzelnd.

Fotografie: (v. r. n. l.) Martina Köglmeier mit drei Archivkolleginnen und -kollegen: Günther Handel, Ferdinand Wagner und Nina Herrmann
Die Inhalte der Archivbroschüre sind derzeit auch als kleine Ausstellung im Stadtarchiv zu sehen (v. r. n. l.: Martina Köglmeier mit drei Archivkolleginnen und -kollegen: Günther Handel, Ferdinand Wagner und Nina Herrmann). © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Gebrauchsanleitung fürs Stadtarchiv

Jedenfalls hat sie schnell auch den Bedarf nach einer Art „Gebrauchsanleitung“ für das Stadtarchiv und die wissenschaftliche Arbeit mit historischen Quellen erkannt. Und so wurde sie, was sie heute ist: „Dass beide Stellen, Schule und Archiv, bei der Stadt angesiedelt sind und ich so denselben Arbeitgeber habe, hat die Kombination überhaupt erst so unkompliziert möglich gemacht.“
Das erste Projekt, das sie realisiert hat, war eine Broschüre für Schülerinnen und Schüler, die ihnen erklärt, was ein Archiv überhaupt ist und was man dort eigentlich alles finden kann. „Meine Archivkolleginnen und -kollegen haben mich mit ihrem Fachwissen total unterstützt, alleine hätte ich das nie geschafft!“, betont die Teamplayerin. Köglmeiers Kollege Patrick Welscher hat sogar sein grafisches Talent ausgepackt und die Zeichnungen für die Broschüre im Comicstil gezeichnet. Sie wiederum hat die Entwürfe ihren Schülern aus verschiedenen Jahrgangsstufen gezeigt und getestet, ob sie bei der Zielgruppe auch ankommen.

Ideale Schnittstelle zwischen Archiv und Schule

Ähnliche Synergien ergeben sich immer wieder in der einzigartigen Kombination aus Lehrerin und Archivpädagogin. „Ich bin eine Schnittstelle zwischen Schülern, Lehrern und dem Archiv. Da ist es ideal, dass ich beide Seiten kenne.“ Ein Glücksfall nicht nur für das Archiv, sondern auch für ihre Schülerinnen und Schüler: Denn der praktische Anteil bei der Wissensvermittlung liegt der Lehrerin sehr am Herzen. „Ich habe fantastische Schüler! Die wollen ganz viel selber machen und finden es spannend, Dinge über die Vergangenheit herauszufinden,“ schwärmt sie. Gut, wenn man da eine Lehrerin hat, die auch archivfest ist. „Wir haben zum Beispiel ganz tolle Ergebnisse für unser W-Seminar ,Jüdische Geschichte in Regensburg’ erzielt.“ Die Schüler haben auf Basis ihrer Recherchen biographische Zeitstrahle über jüdische Bürgerinnen und Bürger aus Regensburg erstellt. Die Klasse 9c hat außerdem einen halbstündigen Film anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus gedreht. Dieser wurde bei der offiziellen Gedenkfeier der Stadt 2022 gezeigt.

Fotografie: Martina Köglmeier studiert eine alte Zeitschrift.

Themenheft und Ausstellung über die 1950er-Jahre in Regensburg

Eine weitere wichtige Aufgabe als Archivpädagogin ist es, didaktisch aufbereitete Quellenhefte zu bestimmten stadtgeschichtlichen Themen  zu entwickeln, auf die Lehrer zurückgreifen können. „Wir wollen es den Lehrerinnen und Lehrern etwas einfacher machen. Bei einem ohnehin dichten Lehrplan haben sie oft nicht die Zeit, immer wieder nach neuen Unterrichtsmaterialen zu suchen. Das übernehmen wir – zumindest in gewissem Umfang.“ Aktuell arbeitet sie mit drei weiteren Kolleginnen und Kollegen aus dem Archiv an einem Themenheft über die 1950er Jahre in Regensburg. Sie durchstöbern das Archiv nach Material aus der Zeit und stoßen dabei u. a. auf historische Zeitschriften, die einen Alltag und ein Frauenbild zeigen, das die Schülerinnen und Schüler von heute überraschen dürfte. Da ist nichts zu lesen oder zu sehen von Gleichberechtigung. Amüsant und eine historische Tatsache ist es allemal.

Die Fünfzigerjahre sind so spannend, dass es nicht nur ein Themenheft, sondern noch in diesem Jahr auch eine Ausstellung dazu geben soll. „Wir arbeiten hier mit einigen städtischen Institutionen wie zum Beispiel dem Historischen Museum und den Archivaren des SSV Jahn Regensburg zusammen“, erzählt die 55-Jährige begeistert. Womit wir wieder bei Köglmeiers Herzblut angelangt sind: Sie steckt mit ihrem Elan alle um sie herum an. Auf die Ausstellung darf man sich sicher schon mal freuen!

Text: Claudia Biermann