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Verstorbene mit Würde gehen lassen

Sie ist von Natur aus eine Frohnatur. Deshalb fällt es auf den ersten Blick schwer, zu verstehen, weshalb Kerstin Korb ihren Beruf so liebt. Als Mitarbeiterin in der Städtischen Bestattung sorgt sie dafür, dass trauernde Angehörige Rat, tatkräftige Unterstützung und ein offenes Ohr in einer Situation finden, die für die meisten sehr belastend ist.

Fotografie – Kerstin Korb im Beratungsgespräch
Kerstin Korb hat für trauernde Angehörige immer ein offenes Ohr. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

15. Dezember 2020

Da kann es auch schon mal vorkommen, dass sie einen Kunden in den Arm nimmt, um Trost zu spenden. Die Corona-Pandemie stellt hier allerdings eine zusätzliche Herausforderung dar, denn körperlicher Trost ist aus Infektionsschutzgründen untersagt. Viel schwieriger aber ist zurzeit der Umgang mit den Hinterbliebenen, wenn ein Angehöriger an COVID-19 verstorben ist. „Sie müssen sich vorstellen, dass sich diese Menschen ja nicht verabschieden konnten. Vielleicht haben sie ihren Vater, ihre Mutter, Schwester oder Onkel schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Das ist wirklich grausam“, erzählt die 55-Jährige. Und genau diese Fälle bestimmen derzeit ihren Arbeitsalltag. „Von zwölf Sterbefällen, die ich heute bearbeitet habe, sind acht an Corona verstorben“, berichtet sie und schüttelt den Kopf, wenn sie an Menschen denkt, die die Pandemie immer noch kleinreden oder gar leugnen. „Da bin ich einfach fassungslos! Das sind doch Menschen, die da ohne den Beistand ihrer Angehörigen auf der Intensivstation sterben, und darunter sind durchaus auch Jüngere und Gesunde. Da kann man doch nicht einfach drüber weggehen und so weitermachen wie bisher!“

Fotografie – Geschmückter Sarg in Aussegnungshalle
Unabhängig von der Herkunft der Verstorbenen hat eine würdige Bestattung stets oberste Priorität. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Spagat zwischen Empathie und Organisation

Aber nicht nur in der momentanen Situation ist es der gebürtigen Allgäuerin eine Herzensangelegenheit, ihren Job professionell, aber mit viel Empathie zu erledigen. „Ich möchte den Angehörigen die Angst nehmen und ihnen die Sicherheit geben, dass der Verstorbene bei uns in wirklich guten Händen ist,“ unterstreicht sie. „Das ist immens wichtig, um loslassen zu können.“ Das ist auch der Grund, weshalb sie im Gespräch nicht einfach eine Liste abhakt mit den Dingen, die in einem Todesfall zu erledigen sind. Sie geht auf die Trauernden ein und versucht zu erspüren, was ihnen guttun könnte. „Jeder Mensch ist anders, wenn er trauert. Die einen können ihren Schmerz gleich herauslassen. Sie weinen und nehmen auch meinen Trost an. Andere sind wie versteinert und wollen alles so schnell wie möglich hinter sich bringen, und wieder andere sind voller Wut über die Ungerechtigkeit des Schicksals. Und die tragen sie eben auch zu mir. Damit muss ich fertig werden.“

Würde des Verstorbenen wahren

Das Wesentliche ist für Kerstin Korb die Würde des Verstorbenen. Ganz gleich, ob es sich um eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens handelt oder um einen Menschen, der sein Leben am Rande der Gesellschaft verbracht hat, sie macht keine Unterschiede. Notfalls stellt sie auch den Kontakt zum Sozialamt her, um eine würdige Bestattung zu gewährleisten. Im Gespräch mit den Angehörigen muss sie aber dennoch ihren Job machen und darauf achten, dass alles seinen vorgeschriebenen Gang geht. „Da dürfen keine Fehler passieren“, betont sie. Deshalb geht sie im Gespräch natürlich auch auf alle Punkte ein, die bedacht und erledigt werden müssen. Welche Kleidung soll der Verstorbene tragen? – Liegen die notwendigen Dokumente bereits vor? Wo soll die Beerdigung stattfinden? Blumenschmuck? Trauerredner oder Pfarrer? Sterbebilder? – Es gibt vieles zu bedenken, was die meisten in dieser Situation überfordert. Kerstin Korb kümmert sich um alles.

Sie macht das so gut und professionell, dass sich viele Menschen im Nachhinein bei ihr für den reibungslosen Ablauf bedanken. „Ich habe sogar schon zu Weihnachten Karten mit netten Worten bekommen“, erzählt sie. Diese Dankbarkeit der Menschen und das Gefühl, mit ihrer Arbeit wirklich helfen zu können, das ist es auch, was sie an ihrem Beruf so schätzt.

Fotografie – Das Team der städtischen Bestattung
Das Team der Städtischen Bestattung kümmert sich um alles, was zu einer Bestattung gehört. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Optimistisches Naturell

Dabei war es eher Zufall, dass Kerstin Korb in diesem Metier gelandet ist. Ausgebildet ist sie eigentlich als Einzelhandelskauffrau. Ihre beiden Eltern starben viel zu früh. Als der Chef des Bestattungsunternehmens in ihrer Heimatstadt Kempten, bei dem sie sich in ihrer Trauer gut aufgehoben fühlte, sie fragte, ob sie dort als Sekretärin arbeiten wolle, sagte sie spontan zu und arbeitete sich schnell zur Geschäftsführerin hoch. „Aber direkt mit Verstorbenen wollte ich zuerst nichts zu tun haben, da hatte ich am Anfang Berührungsangst.“ Doch sie lernte, die Scheu zu überwinden und den Tod als einen Teil des Lebens zu akzeptieren. „Wenn man damit konfrontiert wird, dann wird man auch damit fertig“, ist sie sich sicher.

Der Liebe wegen verschlug es die Allgäuerin schließlich vor gut 13 Jahren nach Regensburg. Sie bewarb sich bei der Städtischen Bestattung und wurde genommen. Mit ihrer fröhlichen und aufgeschlossenen Art ist sie bei den Kolleginnen und Kollegen sehr beliebt. „Ich bin eine ganz Normale, eine Lustige, eine Gemütliche und – wie man in Bayern so schön sagt – eine Kracherte“, sagt sie von sich selber. Die Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen habe sie noch mehr mit ihrem Mann zusammengeschweißt, der ebenfalls bei der Stadt Regensburg als Koordinator bei der Verkehrsüberwachung arbeitet, in seiner Freizeit gerne Musik macht und als Stadtführer tätig ist.

Ihr optimistisches Naturell hilft Kerstin Korb dabei, auch mit schwierigen Situationen fertig zu werden. Beispielsweise dann, wenn die Verstorbenen noch jung sind und von ihren Eltern betrauert werden. „Das ist das Allerschlimmste für mich“, sagt sie. „Nach solch einem Gespräch muss ich oft für eine Stunde raus, weil mir das so in der Seele weh tut.“ Aber auch in solchen Fällen erledigt sie ihren Job akribisch. Das bin ich den Angehörigen einfach schuldig, dass wenigstens meine Arbeit reibungslos funktioniert.“

Fotografie – Blumenschmuck
Auch der passende Blumenschmuck wird von Kerstin Korb organisiert. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Vertrauensverhältnis baut sich auf

Weil sich die meisten Menschen, die zu ihr kommen, in einer seelischen Extremsituation befinden, gewinnt Kerstin Korb in vielen Fällen tiefe Einblicke in deren Leben. „Da wird manchmal das ganze Leben vor mir ausgebreitet“, sagt sie. Das Vertrauensverhältnis, das sich dabei aufbaue, dürfe sie nicht beschädigen.

An einen Fall erinnert sie sich, der ihr noch heute auf der Seele liegt. Sie stand einer Frau bei, die den Tod ihrer betagten Mutter nicht fassen konnte, denn, wie Kerstin Korb weiß: „Trauer ist immer ganz individuell, und völlig unabhängig vom Alter der Verstorbenen. Schließlich ist es die Mutter, die sie verloren hatte.“  Als aber diese Frau nur rund sechs Wochen später wieder bei ihr vorsprach, weil deren 18-jährige Tochter bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war, war Kerstin Korb trotz ihrer großen Erfahrung im Umgang mit Trauernden und ihrer notwendigen professionellen Distanz tief erschüttert. „Das war einfach nur furchtbar für mich. Solche Dinge trage ich dann schon mit nach Hause und da geht es mir dann auch nicht gut.“

Aber trotz dieser Belastungen liebt Kerstin Korb ihren Beruf. „Wenn ich spüre, dass die Menschen nach der Beerdigung zufrieden sind mit meiner Arbeit, dann ist das Balsam für meine Seele. Das ist die wirklich schöne Seite meines Jobs.“

Text: Dagmar Obermeier-Kundel