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Mitten im Mammutumzug

Das Archiv und die Museumsdepots der Stadt Regensburg starten heuer ihren langandauernden Umzug in das gemeinsame, topmoderne Archiv- und Depotgebäude in Burgweinting. Auch wer schon wirklich große private Umzüge mitgemacht hat, hat nicht den Hauch einer Ahnung, was das an Vorbereitungen bedeutet…

Fotografie: Bestücke Paletten auf einer Ausstellungsfläche im Museum

5. Mai 2023

Rund 90.000 Museumsstücke, teils sehr wertvolle Unikate, und zehntausende Kartons mit historischen Schriftstücken und Originalurkunden aus dem Regensburger Stadtarchiv werden sich auf die Reise machen. „Allein unser Bestand entspricht neuneinhalb laufenden Kilometern“, mit diesem Vergleich versucht Lorenz Baibl, Leiter des Stadtarchivs und des Amtes für kulturelles Erbe, die Dimension dieses Vorhabens vorstellbar zu machen. Und seine Archivalien sind dabei noch der deutlich kleinere Anteil dieses Mammutumzugs! Die Museen der Stadt Regensburg haben noch deutlich mehr zu tun.
Im Stadtarchiv lagern hauptsächlich Papiere und Pergamente, die im weitesten Sinne mit Regensburgs Geschichte zu tun haben. Die älteste Urkunde stammt aus dem Jahr 1299. Auch Briefe von Martin Luther und Napoleon Bonaparte sind darunter.

Besuch im Stadtarchiv

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Fotografie: Jede Menge Ordner werden derzeit im Stadtarchiv in passende Archivkartons verpackt.
Jede Menge Ordner werden derzeit im Stadtarchiv in passende Archivkartons verpackt. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Papier und Pergament sind für einen Umzug noch recht dankbares Material, weil beides leicht und in der Regel auch gut in genormte Archivkartons passt. „Im Runtingerhaus sind wir gut im Plan“, sagt Baibl. „Allerdings haben wir noch eine Außenstelle im Stadtosten, da ist noch einiges zu tun.“ Feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie studentische Hilfskräfte packen mit an. „Wir werden vorrausichtlich erst im Frühjahr 2024 umziehen, den Anfang macht das Museum mit den Objekten, die klimatisch eher unempfindlich sind.“

Im Herbst soll es losgehen

Im Herbst 2023 soll das fertige Depotgebäude an die Stadt übergeben werden. Der Innenausbau läuft derzeit, in weiten Teilen stehen schon die Regale für die Objekte, die hierher umziehen werden. „Die aktuelle Feuchtigkeitsmessung im Neubau stimmen uns optimistisch, dass es zum Spätherbst klappt“, sagt der stellvertretende Leiter der Museen der Stadt Regensburg, Dr. Andreas Boos. Dass die klimatischen Bedingungen stimmen, ist oberste Prämisse für den Beginn des Umzugs: Die Luftfeuchtigkeitswerte dürfen je nach Material nicht über 50 bzw. 60 Prozent liegen. Zu hohe Luftfeuchtigkeit könnte nämlich zu Schimmel und anderen Schäden an den Objekten führen. Das derzeitig vielversprechende Raumklima könnte sich unter Umständen negativ verändern – etwa wenn sich beim Umzug viele Menschen gleichzeitig im Gebäude aufhalten und arbeiten. Also heißt es sehr behutsam vorgehen: Den Anfang im Herbst 2023 machen klimatisch eher unempfindliche archäologische Funde wie Steinobjekte und Keramik.

Fotografie: Inga Ziegler scannt Barcodes an einem Museumsobjekt.
Inga Ziegler leitet für die städtischen Museen den Umzug ins neue Depot. © Stadt Regensburg, Inga Ziegler

Von der Postkarte bis zum Sarkophag

Stück für Stück findet der große Umzug statt und wird wohl auch im Jahr 2024 noch nicht endgültig abgeschlossen werden können. Inga Ziegler würde sich freuen, wenn es schon so weit wäre. Die Diplom-Restauratorin leitet die Umzugsvorbereitungen im städtischen Museum und hat bereits vor einigen Jahren bei den Ausräumarbeiten des Deutschen Museums in München mitgemacht. Ihre Erfahrung ist Gold wert! Seit Anfang 2020 bereitet sie mit Unterstützung von langjährigen Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern sowie eigens eingestellten Restauratorinnen und Umzugstechnikern den großen Umzug vor. „Bislang haben wir im Fachbereich Archäologie rund 21.500 Fundkisten verpackt, in denen meist mehrere Einzelteile aus unterschiedlichen Grabungen gesammelt sind. Im Fachbereich Kunst und Kulturgeschichte sind es knapp 18.000 Objekte,“ schildert sie den aktuellen Stand. Damit fehlt in der Archäologie nur etwa ein Viertel, in der Kunst- und Kulturgeschichte noch mehr als die Hälfte der Gesamtmenge. 

Anders als im Archiv ist die Bandbreite der Museumsobjekte jedoch immens: Der archäologische Bestand des historischen Museums ist der zweitgrößte in Bayern.

Zeitlich reicht die Sammlung von der Steinzeit bis zur Gegenwart, inhaltlich von der winzigen, kunstvollen Anstecknadel bis zum riesigen, steinernen Sarkophag.

Fotografie: Inga Ziegler bereitet mit einer Kollegin ein Musikinstrument für den Umzug vor.
Inga Ziegler bereitet mit einer Kollegin ein Musikinstrument für den Umzug vor. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Inventur, Reinigung, Umzug und Neuanfang in einem

Was den Umzug für das Museum zusätzlich verkompliziert, ist die Tatsache, dass die Objekte auf verschiedene Stellen im Stadtgebiet verteilt und größtenteils noch nicht digital erfasst sind. Also muss möglichst jedes noch so kleine Teil in der Museumsdatenbank inventarisiert und sein Standort verbucht werden – schließlich soll es ja im neuen Depot auch leicht wiedergefunden werden.
„Wir reinigen außerdem jedes einzelne Objekt, denn Schmutz oder potentielle Schädlinge dürfen nicht mit umziehen. Fragile oder defekte Teile werden gesichert und alles in konservatorisch unbedenkliche Gebinde verpackt,“ erklärt Restauratorin Ziegler. Viele Transportkisten sind Sonderanfertigungen, die hausintern gebaut werden, riesige Holzkisten sind darunter. Seit einigen Monaten bewegen sich Inga Ziegler und ihre Kollegen zwischen Kisten und Kartons und stoßen dabei auf manche Überraschung – wie etwa eine leuchtende Schnupftabakflasche – und verpacken viele wertvolle Objekte.

Bei einem Umzug dieser Dimension kommt es natürlich immer wieder auch zu Problemen: Da treten Fehler in der digitalen Datenbank auf, die aber unbedingt funktionieren muss, weil nur so die verpackten Gegenstände zuverlässig am jeweiligen Standort wiedergefunden werden können. Auch mehr Personal würde nicht schaden, derzeit sind zwei offene Stellen unbesetzt.
Den Transport der vielen tausend Stücke selbst macht dann eine darauf spezialisierte Firma. Rund eine Million Euro ist für den gesamten Umzug, inklusive der umfangreichen Vorbereitungen und Verpackungsmaterialien, eingeplant.

Fotografie: Regale im Museumsdepot
Regale über Regale im neuen Depot: Bereit zum Bestücktwerden © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Planung ist alles

Nach einem zuvor erstellten Einrichtungsplan räumen die Fachkräfte der Spedition und Museumsmitarbeitende die Teile in die vorgesehenen Regale, registrieren mögliche Transportschäden und speichern den neuen Standort. „Verändert sich mit den ersten Kisten das Raumklima in den neuen Depoträumen nicht zum Nachteil der Objekte, werden weitere Paletten mit Teilen aus dem Museum transportiert, im neuen Depot ausgepackt, eingeräumt, gebucht und das Verpackungsmaterial abtransportiert,“ erklärt Ziegler das langwierige Prozedere. Allein für die Objekte aus dem Teildepot direkt im historischen Museum wird diese Vorgehensweise sicher ein halbes Jahr in Anspruch nehmen. Immer wieder mal wird dann das Historische Museum für ein paar Tage geschlossen werden müssen, damit der Abtransport der Objekte erfolgen kann. In den Ausstellungsräumen des Museums selbst wird sich dagegen vorerst nichts verändern. „Wenn wir den ganzen langen Umzug geschafft haben, werden wir nach all den Strapazen endlich all unsere Museumsstücke und Archivalien am selben Ort in einem topmodernen, klimatisch optimierten Depot gelagert haben, das außerdem Platz für viele weitere Jahre Stadtgeschichte bietet“, freut sich der stellvertretende Museumleiter Dr. Boos. Und Inga Ziegler und ihre Kollegen können dann auch wieder mit dem jahrelangen Erfassen, Reinigen und Einpacken aufhören.

Text: Claudia Biermann