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Therese Fieger: „War sie die allererste Frau bei der Straßenreinigung?“

Wer war wirklich Regensburgs allererste Straßenkehrerin? Nach einem Artikel über unsere Kollegin Ute Doß als vermeintlich erste Frau bei der Straßenreinigung begann eine spannende Recherche.

27. September 2019

Kaum war unser Artikel über Ute Doß als erste Straßenkehrerin erschienen, klingelte bei uns im Büro im Alten Rathaus schon das Telefon. Am Apparat war Elmar Fieger, der uns erklärte: „Das, was Sie da von der ersten Frau bei der städtischen Straßenreinigung geschrieben haben, das ist falsch. Und ich kann das auch beweisen. Die erste Straßenkehrerin war nämlich meine Mutter.“ – Gemeinsam mit seinem ältesten Bruder Werner erschien er zwei Tage später in der Pressestelle und legte uns zwei Fotos und einen schon reichlich abgegriffenen Arbeitsvertrag auf den Tisch. Da stand es dann schwarz auf weiß, dass Fräulein Therese Fieger mit Wirkung vom 18. August 1958 als Straßenkehrerin und Abortreinigerin für einen Stundenlohn von 1,64 DM bei der Stadt Regensburg eingestellt wurde. Und ja, sie sei wirklich die allererste Frau gewesen und lange Zeit auch die einzige geblieben, bekräftigen die Söhne: „Darauf war sie unheimlich stolz!“

Stadtmenschen - Straßenreinigerin Therese Fieger 1
Eine eigene Uniform gab es damals noch nicht. Therese Fieger machte sich in ihrer Privatkleidung an die Arbeit. © privat

War sie nun wirklich die Allererste? Unsere Neugierde war geweckt. Das städtische Archiv ist für derartige Fragen immer eine gute Adresse. Lorenz Baibl, dessen Leiter, hatte unseren Text über Ute Doß, unsere neue Straßenkehrerin, ebenfalls gelesen und machte sich auf die Suche.  Wir
ließen uns derweil sicherheitshalber noch mehr über Therese Fieger erzählen, vielleicht sollte sie ja den Titel behalten...

Dass sie, die im Jahr 1923 auf die Welt gekommen war, da schon drei Söhne im Alter von zwölf, neun und sechs Jahren hatte, änderte nichts an der Anrede "Fräulein". Andere Zeiten halt! „Wir stammen von drei verschiedenen Vätern“, erzählt Sohn Elmar nicht ohne Stolz. „Meinen Vater wollte sie heiraten, aber dann ist er kurz davor gestorben.“ Und sein Bruder Werner, in dessen Adern asiatisches Blut fließt und der sich deshalb „Chan“ nennt, ergänzt genauso stolz: „Ich war ein Besatzungsbastard!“ So sei die Mutter mit den drei ledigen Kindern zurückgeblieben. Von der Wohlfahrt habe Therese Fieger nicht leben wollen, deshalb nahm sie die Arbeit als Straßenkehrerin an, auch wenn das Jugendamt, das die Vormundschaft für die Kinder übernommen hatte, diese deshalb kurzerhand ins Waisenhaus gesteckt habe. Erst 1961 durften die Jungs wieder nach Hause.

Begegnung mit Hans Albers

Er habe damals nach der Schule oft seiner Mutter bei ihrer körperlich schweren Arbeit geholfen, erinnert sich Elmar. Der Obere Wöhrd und die öffentlichen Toilettenanlagen beim Eisernen Steg und am Donaumarkt – das war das Revier der Therese Fieger. Tagaus, tagein und natürlich sommers wie winters rückte sie frühmorgens um 5.30 Uhr von ihrer Wohnung in der Werftstraße aus, holte aus der Remise unter dem Brückenfuß des Eisernen Stegs ihren orangefarbenen Karren, Stroh- und Reisigbesen, eine Schaufel und im Winter auch ein Stoßeisen, um die Gehwege von Eisplatten zu befreien, und zog los. Eine spezielle Uniform für die Straßenreiniger habe es damals nicht gegeben. Jeder sei selbst dafür verantwortlich gewesen, dass er Kleidung trug, die für die Arbeit geeignet war.
Wenn es eisig kalt war, wurde ihr auf ihrer Tour manchmal ein heißer Kaffee angeboten, auch die Zuhälter und die Prostituierten, die damals in der Thundorferstraße noch das Sagen hatten, hätten ihr ab und an was zugesteckt, erinnern sich die beiden Brüder.
Ein Highlight ihrer Berufskarriere sei ein Abend gewesen, an dem in der RT-Halle ein Faschingsball gegeben wurde. „Da hat sie den Hans Albers gesehen“, erinnert sich Chan. „Das hat sie immer wieder erzählt.“ Mitte der 1970er-Jahre sei ihre Mutter der anstrengenden Arbeit nicht mehr gewachsen gewesen. Deshalb wurde sie als Putzkraft übernommen und reinigte fortan städtische Gebäude. Am 31. Oktober 2012 starb sie im Alter von 89 Jahren.


Doch sollte diese tapfere Frau und alleinerziehende Mütter dreier Söhne nun den Titel "allererste Straßenreinigerin" dauerhaft behalten dürfen oder würde dieser Zusatz auch für sie nur ein vorübergehender bleiben? Nach den Sommerferien sollten hoffentlich weitere Erkenntnisse vorliegen...

Die Suche nach der echten "Ersten Straßenkehrerin" ist noch nicht zu Ende

Und tatsächlich: Auf Lorenz Baibl ist Verlass! 20 000 Personalakten städtischer Bediensteter liegen im Stadtarchiv zum Glück sehr gut erfasst und wohl archiviert. Deshalb hat Lorenz Baibl auch tatsächlich noch mehr Damen bei der Straßenreinigung ausfindig gemacht. Und zwar gleich drei an der Zahl schon vor Therese Fieger: Die erste bekannte Straßenkehrerin in Regensburg war demnach Kreszenz Kulzer, geboren 1862 in Krottenthal im Landkreis Cham. Von 1910 bis 1927 war sie bei der Stadtverwaltung beschäftigt. Ab 1917 erhielt sie zehn Jahre lang Unterstützung von ihrer Kollegin Anna Karl (geboren am 17. November 1869 in Schwandorf). Die dritte Dame vor Therese Fieger war dann auch die erste echte Regensburgerin am Besen: Maria Reif aus Stadtamhof. Sie begann ihre Tätigkeit 1941 und beendete sie am 30. September 1954 und damit fast auf den Tag genau vier Jahre vor Therese Fiegers erstem Arbeitstag.    

Text: Dagmar Obermeier-Kundel und Claudia Biermann