Wir sind mit den Gedanken bei allen Regensburger*innen und ihren Angehörigen und trauern mit ihnen um die Opfer der Erdbebenkatastrophe im Grenzgebiet der Türkei und Syrien.
Hiermit wollen wir den Aufruf von AGABY (Dachverband der kommunalen Integrationsbeiräte in Bayern) unterstützen und rufen alle Regensburger*innen zu Hilfe und Solidarität mit den Opfern und den Überlebenden des Erdbebens auf. Auch rufen wir zur unbürokratischen Aufnahme von Familienangehörigen aus der Türkei und Syrien, unabhängig von der Nationalität, in Regensburg und Bayern auf. Außerdem sollen keine Abschiebungen in das Erdbebengebiet aus Deutschland stattfinden.
Am 06. Februar ereignete sich zwischen Syrien und der Türkei ein Erdbeben mit unvorstellbarer Zerstörungskraft. Es ist eine menschliche Tragödie unvorstellbaren Ausmaßes, die nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 23 Millionen Menschen in 10 Großstädten und deren Landkreisen in der Türkei und im Nordwesten Syriens betrifft. Das Katastrophengebiet ist flächenmäßig fast so groß wie Deutschland. Die durch das Beben verursachten Zerstörungen sind schwer zu begreifen.
Die Menschen im Nordwesten Syriens, die unter den Folgen des langen Krieges zu leiden haben, sind von den Auswirkungen des Erdbebens sehr stark betroffen. Besonders das Fehlen staatlicher Strukturen und Hilfe macht den Menschen in diesen Gebieten das Überleben besonders schwer. Diese Menschen sind vor allem auf internationale Hilfe angewiesen.
Die Todeszahlen steigen stündlich und haben ihre Höchstzahl noch nicht erreicht, weil es noch Gebiete gibt, die von den Rettungskräften nicht erreicht wurden. Tausende von Menschen verloren ihre Angehörige, wurden obdachlos, verloren ihre Lebensgrundlage und müssen um ihre Zukunft bangen.
Die winterlichen Bedingungen stellen die Überlebenden vor unvorstellbare Probleme. Die Zerstörung der Infrastruktur wie Wasserversorgung, Elektrizität, gesundheitliche Versorgung und Versorgung mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Medikamenten machen es den Verletzten, Kindern, älteren Menschen und Kranken sehr schwer zu überleben. Wenn die nötigen Maßnahmen nicht ergriffen werden, drohen Krankheiten und Seuchen.
Wir sind weiterhin bei allen Regensburger*innen und allen Menschen, die immer noch um das Überleben ihrer Angehörigen bangen müssen, die noch nicht geborgen werden konnten oder nicht erreicht wurden.
Uns freut die große Hilfsbereitschaft der Menschen in der Türkei, in Syrien, in Deutschland sowie Regensburg und der Weltgemeinschaft und hoffen auf eine langfristige Unterstützung der Überlebenden. Es werden in den nächsten Wochen und Monaten Zelte, Decken, Winterkleidung, Hygieneartikel aller Art, Babynahrung, Medikamente und medizinisches Equipment gebraucht.
Deshalb bitten wir alle, die helfen oder spenden wollen, sich an Organisationen zu wenden, die eng mit den örtlichen Rettungskräften und Hilfsorganisationen zusammenarbeiten. Diese können Medico International, Space-Eye oder Hilfsorganisationen mit Strukturen in den Erdbebengebieten sein, damit die Hilfe im Katastrophengebiet ankommt und den Menschen so schnell wie möglich, langfristig und unkompliziert geholfen werden kann.
Danke für Ihre Hilfe und Anteilnahme
Integrationsbeirat der Stadt Regensburg
Als Integrationsbeirat verstehen wir uns als Vertreter vielfältiger Individuen der Regensburger Migrationsgesellschaft. Rassismus zu erleben ist für diese Individuen Alltag. Er äußert sich in unterschiedlichen Formen und kann für jede*n anders aussehen. Um eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe zu erreichen, ist es notwendig, sich mit Rassismus in den unterschiedlichsten Lebensbereichen auseinanderzusetzen. Es ist notwendig, die Erfahrungen und Stimmen Betroffener ernst zu nehmen.
Heute möchten wir uns dem anschließen, was schon einige engagierte Regensburger*innen seit vielen Jahren ansprechen. Wir möchten uns mit der Bedeutung und Wirkung des Straßennamens „Drei-Mohren-Straße“ (im weiteren Text mit Drei-M*-Straße abgekürzt) auseinandersetzen. Es geht uns dabei darum, die Perspektive betroffener Menschen einzunehmen und den Wunsch nach einer sprachlichen Veränderung zu respektieren.
Das Wort M* ist eine Fremdbezeichnung für Schwarze Menschen und hat einen kolonialen Hintergrund. Für viele Schwarze Menschen ist diese Bezeichnung schmerzhaft. Sie erinnert daran, als „anders“ gesehen zu werden. Sie erinnert daran, nicht dazu zu gehören. Sie erinnert an rassistische Unterdrückung.
Viele Schwarze Menschen fühlen sich von dieser Bezeichnung herabgewürdigt und wünschen sich einen Verzicht auf dieses Wort.
Wir vertreten zum einen Schwarze Menschen. Zum anderen möchten wir uns mit Rassismus auseinandersetzen und unser Handeln reflektieren.
Wir appellieren deshalb an alle Regensburger*innen, unter ihnen auch die Entscheidungsträger*innen, dieses Anliegen ernst zu nehmen und sich von diesem Begriff zu verabschieden.
Es geht dabei nicht darum, Geschichte zu verschweigen oder unsichtbar zu machen. Es geht darum, Gegenwart zu verändern und Zukunft zu gestalten.
Eine geschichtliche und somit kolonial-rassistische Aufarbeitung ist ein wichtiger Schritt. Doch zunächst möchten wir einfach auf die Tatsache eingehen, dass sich Menschen in Regensburg von diesem Begriff verletzt oder gestört fühlen. Wir stehen neben diesen Menschen und sind teilweise diese Menschen. Deshalb fordern wir eine Auseinandersetzung mit der rassistischen Wirkung dieses Wortes sowie einen Verzicht auf den Erhalt dieses Straßennamens.
gez.
Dennise Okenve
Vorsitzende
Am 30. Oktober 1961 wurde zwischen Deutschland und der Türkei ein Anwerbeabkommen vereinbart, das den Beginn der türkischen Zuwanderung nach Deutschland bedeutete. Heute umfasst die Bevölkerungsgruppe der türkeistämmigen Migrant*innen sowie ihrer Nachkommen 2,5 bis 2,8 Mio. Personen. Es war der vierte Vertrag dieser Art, mit welchen das Nachkriegsdeutschland den Bedarf an Arbeitskräften decken wollte. Es folgten weitere Abkommen. Ab Ende der 1950er Jahre bis zum „Anwerbestopp“ 1973 kamen ca. 14 Millionen „Gastarbeiter*innen“, in erster Linie aus verschiedenen südeuropäischen Ländern wie Spanien, Italien, Griechenland usw. Rund 3 Millionen blieben hier.
Im Rahmen dieser Entwicklungen profitierte auch Regensburg von der Arbeitskraft aus dem Ausland. So stieg die Anzahl an Migrant*innen aus den Ländern der Abkommen kontinuierlich im Laufe der Jahrzehnte. Lag der Anteil der „Gastarbeiter*innen“ und ihrer Familien Anfang der 1970er noch im unteren einstelligen Prozentbereich, bilden sie heute einen großen Teil der Bevölkerung mit sog. Migrationshintergrund. Aus ihnen und ihren Nachkommen wurden reguläre Arbeitnehmer*innen, Schüler*innen, Rentner*innen, Politiker*innen u.v.m.
Aufgrund der früher weitverbreiteten Vorstellung, es würde sich um temporäre Arbeitsmigration handeln, wurde auf die Bedürfnisse der Menschen jedoch in keiner Weise eingegangen. Das Thema Integration war nicht relevant und wurde erst viel zu spät als wichtiges gesamtgesellschaftliches Politikfeld erkannt. Hinzu kamen bis heute bestehende Diskriminierungen und Barrieren in Bereichen wie dem Arbeitsmarkt, der Bildung, schlechte Wohnverhältnisse usw.
Um diese Situation zu ändern, haben sich viele jener Migrant*innen für höhere Löhne, bessere Bildungschancen für ihre Kinder oder für die politische Teilhabe insbesondere auf kommunaler Ebene eingesetzt. Auch die Gründung der ersten Ausländerbeiräte (die ursprünglichen Integrationsbeiräte) in den 1970ern sind als Folge der damaligen Bestrebungen entstanden. In Regensburg wurde nach jahrelangen Vorarbeiten Anfang der 1990er Jahre ein Ausländerbeirat eingerichtet.
Der Integrationsbeirat möchte den zentralen Beitrag aller „Gastarbeiter*innen“ und derer Nachkommen zum wirtschaftlichen Wohlstand des Landes sowie zur Weiterentwicklung der Gesellschaft in Richtung eines modernen Einwanderungslandes anerkennen und würdigen. Diese Anerkennung sollte aber nicht nur symbolisch sein, sondern sich rechtlich, politisch und gesellschaftlich zeigen. Wir kritisieren, dass, im Unterschied zu den EU-Bürger_innen, die einstigen Migrant*innen aus der Türkei immer noch weder ein kommunales Wahlrecht noch einen uneingeschränkten Anspruch auf eine doppelte Staatsbürgerschaft haben. Hinzu kommt das weiterhin bestehende Problem der Familienzusammenführungen.
Doch nicht nur auf institutioneller Ebene erfahren sie Diskriminierung. In Erfahrungen von Alltagsrassismus, über Anfeindungen bis hin zu rechtsterroristischen Anschlägen sind sie antimuslimischem Rassismus ausgesetzt. Wir als Integrationsbeirat der Stadt Regensburg wenden uns gegen jegliche Ausgrenzung auf gesellschaftlicher und politischer Ebene und fordern Gleichberechtigung in allen Bereichen.
Gedanken von Nurdogan Cetinkaya, Integrationsbeiratsmitglied, zu 60 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei:
„Es ist unglaublich, dass die ersten, sog. „Gastarbeiter“ aus der Türkei und auch meine Eltern vor 60 Jahren nach Deutschland als Arbeitskräfte angeworben wurden. Die Betonung liegt auf angeworben. Mittlerweile leben wir hier schon in der 4. oder gar in der 5. Generation in diesem Land. Sind Freundinnen und Freunde, Nachbar*innen, Kolleg*innen, Mitschüler*innen, Kamerad*innen in einem Verein, Mitkämpfer*in und Mitstreiter*in für gemeinsame Belange, Mitleidende und sogar Verwandte, weil unsere Kinder miteinander geheiratet haben. Eigentlich aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken.
Meine Eltern, meine Familie und ich, vor allem die erste Generation, wurden von vielen Alteingesessenen als Fremde empfunden und nicht als Mitmenschen in der Gesellschaft anerkannt. Als angeworbene Arbeitskräfte nur gut genug für schmutzige, gefährliche, schlecht bezahlte Arbeiten, die man den Deutschen nicht zumuten wollte, hatten und haben sie doch einen großen Anteil am heutigen Wohlstand der deutschen Gesellschaft.
Im Alltag schlug ihnen oft Verachtung entgegen und sie wurden als Menschen zweiter Klasse angesehen und von ihnen Unterwürfigkeit erwartet. Sie sollten arbeiten, waren in Wohnheimen untergebracht, sollten sich fremd fühlen und immer fremd bleiben. Vielerorts entlud sich Rassismus und Hass z.B. in Brandanschlägen und Gewalt wie in Schwandorf, Solingen, Mölln und kürzlich mit einem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau.
Wie schon Max Frisch sagte: „Wir haben Arbeitskräfte geholt, und Menschen sind gekommen.“
Diese Menschen wurden gesellschaftlich und politisch sich selbst überlassen. Die Türkei war froh, ihre arbeitslosen Jugendlichen los geworden zu sein und hoffte langfristig auf Devisen und war an Integration, gar an einem Ankommen und sich in Deutschland heimisch Fühlen der sog. Almanci gar nicht interessiert. Weil es befürchtete, damit die Devisenbringer zu verlieren. Sie waren gezwungen, sich selbst zu organisieren und sogar Integrationsarbeit zu betreiben. Sie engagierten sich in zivilgesellschaftlichen Vereinen, gründeten eigene Vereine und waren auch an Arbeitskämpfen der Gewerkschaften beteiligt.
Als Folge dieses Bestrebens und des Kampfes für Beteiligung und Teilhabe kann man die Einrichtung der heutigen Ausländer-/Integrationsbeiräte, der Ausländer-/Migrantenausschüsse in den Gewerkschaften oder sonstige Vertretungen nennen. Natürlich fand auch ein „kultureller“ Austausch statt und wir haben die „deutsche“ Gesellschaft mitgeprägt und bereichert und wurden auch selbst von ihr geprägt und bereichert.
Die deutsche Politik und Gesellschaft muss sich endlich eingestehen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und diese Menschen, wir, ein untrennbarer Teil dieser Gesellschaft sind und in allen Belangen geleichberechtigte Teilhabe ihr, unser, Grundrecht ist. Denn heute sind nicht nur Menschen aus der Türkei, sondern Menschen aus der ganzen Welt in allen Bereichen der deutschen Gesellschaft vertreten, erfolgreich und unverzichtbar, prägen und bereichern sie.
Mit Bedauern stellen wir fest, dass die deutsche Gesellschaft und Politik nichts aus den vergangenen Fehlern gelernt hat. Denn dieselben Muster wiederholen sich heute gegenüber Arbeiter_innen in der Baubrache, in der Landwirtschaft, der Fleischindustrie, den sog. Saisonarbeiter_innen und den Geflüchteten.
Leider gehört Rassismus, Diskriminierung, Ausgrenzung und Hass immer noch zu unserem Alltag. Um diese zu bekämpfen und um ein Miteinander auf Augenhöhe zu erreichen, muss sich Diversität, Partizipation und eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz politisch und gesellschaftlich in allen Belangen niederschlagen. Aus gegebenem Anlass des Jahrestags auf eine gemeinsame Zukunft auf Augenhöhe.“
gez.
Dennise Okenve
Vorsitzende
„Hier lebe ich, hier wähle ich“ lautet die aktuelle Kampagne zur Bundestagswahl von AGABY – dem Dachverband der kommunalen Integrationsbeiräte in Bayern. Dieser Forderung möchten wir uns anschließen und sie zur Bundestagswahl im September erneut in den Fokus rücken.
14% der volljährigen Bürger*innen in Deutschland – das entspricht über 9 Millionen Menschen – haben am 26. September keine Wahl. Etwa 5,3 Millionen sind sogar kommunal von der grundlegenden demokratischen Beteiligung - dem Wahlrecht - ausgeschlossen, da sie keine deutsche oder EU-Staatsangehörigkeit haben.
Diese Tatsache macht deutlich, welch großer Teil der Bevölkerung in Deutschland durch die demokratische Wahl nicht repräsentiert wird. Wer keinen deutschen Pass hat ist von der Bundestagswahl und einer politischen Beteiligung ausgeschlossen. Somit wird eine zentrale Voraussetzung für die Integration und Inklusion zugewanderter Menschen, ihre politische Teilhabe, stark eingeschränkt. Trotz dieses demokratischen Defizits wollen wir uns, als politische Interessenvertretung der Menschen mit Migrationshintergrund der Stadt Regensburg, bei der Bundestagswahl einmischen.
Wir rufen daher alle Bürger*innen, besonders die wahlberechtigten Menschen mit Migrationshintergrund, auf, von diesem Recht Gebrauch zu machen, um sich gegen die verantwortungslose Politik der Spaltung der Gesellschaft und dem massiven Rechtsruck in der Gesellschaft zu positionieren.
Wie bei vergangenen Wahlen, egal ob auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene, wird auch heute, auf dem „Rücken“ von Migrant*innen mit substanzlosen Parolen und reißerischen Schlagzeilen gefährlicher Stimmenfang am rechten Rand betrieben und versucht, sich rechts politisch zu profilieren. Wir sprechen uns dafür aus, Ihre Stimme für ein gleichberechtigtes und friedliches Miteinander und die Teilhabe und Partizipation in allen Lebensbereichen der gesamten hier lebenden Bevölkerung abzugeben.
Wählen Sie keine Parteien, die - offen oder versteckt - ein rassistisches Wahlprogramm haben und auf dem Rücken der eingewanderten und geflüchteten Menschen Wahlkampf machen. Achten Sie darauf, dass Sie sich für Parteien entscheiden, die Teilhabe und Integration als wichtiges Zukunftsthema der Politik betrachten.
Wir fordern auch die nicht-wahlberechtigten Zugewanderten auf, sich aktiv an den politischen Diskussionen in den Parteien und in der Öffentlichkeit im Vorfeld der Landtagswahl zu beteiligen. Nutzen Sie weitere Möglichkeiten zur politischen Partizipation, wie z. B. Gespräche am Arbeitsplatz, soziale Netzwerke, Kommentare zu medialen Berichten, Wahlveranstaltungen, Diskussionsforen usw., um sich für eine vielfältige, offene und solidarische Gesellschaft zu engagieren.
Für alle, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben und NICHT an den Bundestagswahlen teilnehmen dürfen, öffnet das Netzwerk „wir wählen“ die Möglichkeit einer symbolischen ONLINE-WAHL.
Unter wir-wählen.org/#Onlinewahl können Sie sich registrieren. Sie erhalten dann per E-Mail eine Einladung zur Stimmabgabe über die Wahlplattform POLYAS. Die Wahl ist geheim, die Daten sind geschützt. Teilnehmen können alle, die länger als 3 Monate in Deutschland leben, volljährig sind und keine deutsche Staatsangehörigkeit haben.
gez.
Dennise Okenve
Vorsitzende
Der Integrationsbeirat Regensburg ist zutiefst erschüttert und trauert um die Opfer der menschenverachtenden und rassistisch motivierten Gewalttat in Hanau. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer dieser schrecklichen Bluttat und bei all jenen, deren Leben durch Rassismus und rechten Terror bedroht wird. Den Verletzten wünschen wir eine baldige Genesung.
Wir möchten hiermit der Familie von Fatih Saraçoğlu, die in Regensburg lebt, unser tiefstes Mitgefühl ausdrücken und unser Beileid und unsere Anteilnahme bekunden.
Menschen wurden aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Aussehen, ihrer Religion und weil sie das Feindbild einer völkisch-nationalistischen Ideologie sind, getötet oder verletzt. Diese rassistische Ideologie gedeiht nicht fernab der Gesellschaft und ihrer Systeme (Verfassungsschutz, Armee, Sicherheitsbehörden) sondern ist ein Teil und inmitten von ihr. Die verstörenden Brandanschläge von Schwandorf, Mölln und Solingen, die pogromähnlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen, die NSU-Morde, der rassistische Übergriff in München, die Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke in Kassel, der rechtsextreme Angriff in Halle und jetzt das Massaker in Hanau reihen sich in die rassistisch und rechtsextrem motivierten Anschläge, Übergriffe und Morde ein. Damit ist Hanau vorerst das letzte Glied einer traurigen Kontinuität rechten Terrors der letzten Monate, Jahre und Jahrzehnte in Deutschland.
Rechtspopulistische Parteien und Strukturen, die sich in Deutschland, der EU und weltweit auf dem Vormarsch befinden, tragen die Hauptverantwortung an der zunehmenden Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas. Durch die Bagatellisierung, das Wegschauen, die verharmlosende Rede von einzelnen Tätern und Taten, die jahrelangen ausgrenzenden und stigmatisierenden Diskurse der Politik und der Medien gegen MigrantInnen, Minderheiten und Flüchtlinge und die inkonsequente Strafverfolgung der Täter, wurde der Nährboden für den rassistischen Terror in Hanau geschaffen. Es wird Zeit, dass die Gesellschaft erkennt, dass Deutschland ein Problem mit Rechtsterrorismus und mit steigender tödlicher rechter Gewalt hat.
Der Integrationsbeirat Regensburg fordert die Gesellschaft, die Politik und die Justiz auf, sich entschlossen und konsequent gegen rechte Gewalt, Rassismus, Antisemitismus, Islamphobie, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung jeglicher Art zu stellen. Dabei müssen Politik und Strafverfolgungsbehörden Rassismus und rechten Terror ernst nehmen und anfangen, die Perspektive der Bedrohten und Angegriffenen sowie ihre Erfahrungen und Forderungen ernst zu nehmen und auch die geistigen Brandstifter zur Verantwortung zu ziehen.
Für uns ist in diesen Zeiten ein Zusammenhalt der Gesamtgesellschaft wichtig. Wir setzen uns auch in Zukunft für eine offene, vielfältige und bunte Gesellschaft ein und stehen geschlossen und solidarisch hinter allen Betroffenen.
Es ist Zeit, den Opfern gemeinsam und in Würde zu gedenken.
Regensburg, den 4. März 2020
gez.
Eva Filipczak Pedro Paquay Rovira
Vorsitzende stellv. Vorsitzender
Mit großer Sorge ist in der letzten Zeit festzustellen, dass einwanderungs- und spezifisch muslimfeindliche Diskurse und Ausgrenzungstendenzen bis in die Mitte der Gesellschaft salonfähig werden. Diese Zunahme der Vorurteile und Ressentiments gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund im allgemeinen, sowie konkret gegen Bürger islamischer Religion, manifestiert sich sowohl im alltäglichen Rassismus als auch in der Tatsache, dass überall in Europa rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien in den Parlamenten sitzen und sogar einige Regierungen bilden.
In diesem Kontext ist die Aufstellung von Holzkreuzen mit den Namen von Opfern von islamistischen Terroristen zu sehen, welche als Protest der sogenannten „Identitären Bewegung" gegen den Bau einer Moschee inszeniert wurde. Diese feige Aktion zielt darauf hin, sowohl den Islam pauschal zu diffamieren, als auch alle Muslime/-innen als Terroristen zu definieren und somit ihre Ausgrenzung und Diskriminierung zu rechtfertigen. Dies ist zweifellos ein Beispiel von Kulturrassismus, welcher sich oft als Religionskritik ausgibt und der davon ausgeht, dass es bessere und schlechtere bzw. gute und böse Religionen oder Kulturen gibt. Nach dieser abstrusen Welterklärung wird der Islam als gefährliche Einheit mit einer Zielsetzung der „Islamisierung Europas" und alle Muslime/-innen als homogene Gruppe mit bestimmten, unveränderbaren Eigenschaften definiert. Leider treten Rechtspopulisten und Extremisten aufgrund des polarisierten gesellschaftlichen Klimas selbstbewusster in Erscheinung.
Der Integrationsbeirat als politisches Gremium, das die Interessen der Menschen mit Migrationshintergrund in Regensburg vertritt, solidarisiert sich uneingeschränkt mit den friedliebenden Muslimen/-innen in unserer Stadt und lehnt jeden Versuch, unsere Gesellschaft zu spalten, entschieden ab. Integration, verstanden als gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen, wird durch jede Art von Rassismus und Diskriminierung verhindert. Aus diesem Grund setzt sich der Integrationsbeirat für eine verstärkte Antidiskriminierungs- und Antirassismusarbeit ein. Der Integrationsbeirat sieht sich darüber hinaus in der Verpflichtung, sich weiterhin für die demokratischen Werte und das Zusammenleben in einer pluralen, offenen Gesellschaft zu engagieren.
Regensburg, 19.02.2018
gez.
Eva Filipczak (Vorsitzende), Julia Lang (stellv. Vorsitzende), Pedro Paquay Rovira (stellv. Vorsitzender)