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Naturschutzgebiet Max-Schultze-Steig – Geheimnisvoller Dschungel in unmittelbarer Stadtnähe

In unmittelbarer Nähe zur Stadt findet man rund zwei Kilometer lang Natur pur. Viele Regensburgerinnen und Regensburger kennen dieses kleine Paradies jedoch gar nicht und deshalb ist es höchste Zeit, dies zu ändern.

Schroffe Felsen und eine spektakuläre Aussicht
Schroffe Felsen und eine spektakuläre Aussicht © Bilddokumentation Stadt Regensburg

11. Dezember 2018

Die Sinzinger Autobahnbrücke zerschneidet ihn in zwei Teile und der Lärm des über die A3 flutenden Verkehrs lässt sich nirgendwo ganz ausblenden. Dennoch bietet der rund zwei Kilometer lange Max-Schultze-Steig in unmittelbarer Nähe zur Stadt Natur pur in einem Maße, wie es in sicherlich nur wenigen Großstädten vorkommt. Eine Tatsache, die viele Regensburgerinnen und Regensburger deshalb nicht schätzen können, weil sie dieses kleine Paradies gar nicht kennen.

Jogger und Wanderer schätzen den Max-Schultze-Steig ganz besonders.
Jogger und Wanderer schätzen den Max-Schultze-Steig ganz besonders. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Der Max-Schultze-Steig ist das dritte und westlichste Naturschutzgebiet der Stadt. Zusammen mit der Hochfläche auf dem Keilberg und dem Areal auf dem Brandlberg gehört er zum Flora-Fauna-Habitat „Trockenhänge bei Regensburg“. Er beginnt südlich der Sinzinger Eisenbahnbrücke. Vom Parkplatz bei der Donaufähre geht es ein Stück auf einem Feldweg bergauf. Dann zweigt ein Wanderweg rechts ab und führt zwischen Feldern und Wiesen hindurch in Richtung Donau. Wer in den Steig eintaucht, der wähnt sich in einem von Lianen durchschlungenen Urwald; auch im Sommer dringt das Sonnenlicht nur spärlich durchs Geäst, allein an den wie Balkone aus dem Dickicht ragenden Felsnasen kann man sowohl die wärmenden Sonnenstrahlen als auch einen fantastischen Ausblick über das Donautal genießen.

„Ein Stück unverfälschter Natur“

 Das war nicht immer so. Denn der Mann, dem dieses Naturparadies zu verdanken ist, der Architekt und Fürstlich Thurn und Taxissche Oberbaurat Max Schultze, fand damals am gesamten Felsstreifen, der das Donauufer säumte, in erster Linie Weideland mit artenreichem Magerrasen vor – ähnlich dem Alpinen Steig bei Schönhofen. Um das Gelände vor dem Abbau von Kalkstein zu retten, erwarb der aktive Naturschützer 1906 elf Grundstücke für insgesamt 2534 Goldmark und schenkte 1912 das etwa einen Kilometer lange und bis zu 300 Metern breite Gelände der Stadt mit der Auflage, „daß das fragliche Areal für alle Zeiten so bleiben soll, wie es jetzt ist, ein Stück unverfälschter Natur, daß es nie zu einer Parkanlage umgestaltet, sowie daß es nie verkauft oder bebaut werden dürfe!“ Die Stadt Regensburg verpflichtete sich damals im Gegenzug, das Gelände als Naturdenkmal im damaligen Zustand zu erhalten.

Doch die Natur folgt ihren eigenen Gesetzen. Weil sie nicht länger landwirtschaftlich genutzt und beweidet wurden, wichen die ausgedehnten Trockenrasenflächen und die kahlen Hänge ersten Buschgruppen und Trockenwaldpflanzen, die sich wild ansamten. Auch Bäume siedelten sich an und entwickelten sich mit den Jahren zu dem urwaldähnlichen Dickicht, das den Wanderer heute dort erwartet.

Das städtische Gartenamt greift nur sehr sparsam ein, um die Naturromantik pur nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Deshalb dürfen Efeu, Waldrebe und wilder Hopfen ihre Arme um die bizarren Baumriesen genauso schlingen wie um die abgestorbenen Torsi, die allerhand Kleinlebewesen eine willkommene Heimstatt bieten. Und dem wild wachsenden Buschwerk wird nur dann Einhalt geboten, wenn es die Wege zu überwuchern droht.

Auch vom Schwalbennest aus ist der Max-Schultze-Steig erreichbar.
Auch vom Schwalbennest aus ist der Max-Schultze-Steig erreichbar. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Schroffe Felsköpfe und bizarre Schluchten

Immer wieder öffnet sich das Dickicht und gibt auf schroffen Felsköpfen den Blick frei ins Donautal. Dort trifft man noch die ursprüngliche Vegetation an, stößt auf Mauerpfeffer, Pfaffenhütchen, Karthäusernelken, Natternkopf und Steinweichseln. Wer sich weit nach vorn wagt, der mag durchaus ein mulmiges Gefühl in der Magengrube bekommen, schließlich geht es hier rund 70 Meter schroff in die Tiefe. Zusätzliche Erlebnisqualität kann man diesen malerischen Plätzen bescheinigen.  auch die spektakulären Schluchten, die sich den steilen Hang hinunterziehen, können einiges an Dramatik aufweisen. Verständlich, dass sich sowohl Kletterer als auch Mountainbiker von diesen Kulissen angezogen fühlen.

Doch das Radfahren ist generell verboten auf dem Max-Schultze-Steig, und Fußgänger dürfen ausschließlich die angelegten und ausgeschilderten Wege benutzen. Das Klettern ist nur an einer einzigen Stelle erlaubt. Grund dafür ist die Gefahr der Bodenerosion. Durchs Unterholz führende Trails zerstören die Pflanzen, die ohnehin dünne Bodenauflage verliert dadurch ihren Halt und legt den darunter liegenden Kalkstein frei.

Der sich malerisch immer dem Hang entlangschlängelnde Weg wird an einer Stelle gekreuzt von einem steilen Abstieg hinunter zum Donauradweg und zur Mattinger Straße. Auf der anderen Seite führt der Weg hinauf zur Kapelle am Dreibäumerlberg hinter dem Prüfeninger Schloss. Unmittelbar nach dieser Kreuzung zwingt ein Durchstieg durch die Felsen den Wanderer zu moderaten Kletterleistungen. Und hier bietet sich dem Betrachter ein bizarrer Ausblick: Weil die sich über diesen Bereich spannende Autobahnbrücke auch den Regen abschirmt, fehlt darunter weitgehend jegliche Vegetation. Nur ein paar der ewigen Trockenheit trotzende Bäume und Sträucher fristen ein karges Dasein.

Trockenrasen mit reichem Blütenflor

Anschließend führt der Max-Schultze-Steig, der gleichzeitig Teil des insgesamt 220 Kilometer langen Donau-Panoramawegs ist, auf drei unterschiedlichen Routen an der ehemaligen Gaststätte Schwalbennest und der gleichnamigen städtischen Jugendfreizeitstätte vorbei bis zum Hoppefelsen.

Unter diesem Felsen hatte einst David Heinrich Hoppe, Provisor der ehemaligen Elefantenapotheke, während eines pflanzenkundlichen Ausflugs im Jahr 1789 bei einem Gewitter Schutz gefunden. Ein Jahr später wurde auf eben diesem Felsen der Gründungsakt der Königlich-Bayerischen botanischen Gesellschaft vollzogen, die 1906 das gesamte Areal des Schutzfelsens für 1 600 Mark erwarb, um das botanisch wertvolle Biotop zu erhalten.

Hier am Hoppefelsen wird deutlich, wie der Max-Schultze-Steig vor etwa 100 Jahren in seiner vollen Länge ausgesehen haben mag: Beweideter und dadurch kurz gehaltener Trockenrasen mit einem reichen Blütenflor. Im Frühling recken hier die Küchenschellen ihre pelzbewehrten Köpfchen dem Licht entgegen, der Sommer lässt Ehrenpreis, ziestblättrige Teufelskralle, Kalk-Blaugras, Karthäusernelken und Goldastern erstrahlen und im Herbst stößt man auf Silberdisteln und Herbstzeitlosen. Die Beweidung durch Schafherden trägt dazu bei, dass diese ganz besondere Flora weiterhin erhalten bleibt.

Das Biotop am Hoppefelsen zeigt, wie der Steig vor etwa 100 Jahren ausgesehen hat.Das Biotop am Hoppefelsen zeigt, wie der Steig vor etwa 100 Jahren ausgesehen hat. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Wo keine Beweidung mehr stattfand, siedelte sich mit den Jahren immer mehr Buschwerk an. Auch Bäume, die kalkhaltigen Boden lieben, wie beispielsweise Eichen und verschiedene Ahornarten, hielten Einzug und schufen die Grundlage für den heutigen Urwaldcharakter.

Dieses Zusammenspiel aus grünem Dschungel und sonnigen Steinplateaus bietet allen Naturfreunden, Wanderern, Joggern und Spaziergängern einen idealen Erholungsraum. Aber auch viele Tierarten finden rund um den Max-Schultze-Steig eine ideale Lebensgrundlage. Haselmäuse und Schlingnattern leben hier und der nachtaktive russische Bär, ein seltener Falter, ist auf dem Max-Schultze-Steig ebenso anzutreffen wie Dohlen, Singdrosseln, die Nachtigall und verschiedene Spechtarten, Zaunkönige und Rotkehlchen.

Text: Dagmar Obermeier-Kundel