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Der Stadtpark: Begehbares Geschichtsbuch und botanisches Schatzkästchen

Innenstadtnah gelegen bietet er viel Raum zur Erholung im Grünen, für Hungrige und Durstige das Café unter den Linden mit lauschigem Biergarten, und für Kulturliebhaber das Kunstforum Ostdeutsche Galerie sowie das Figurentheater. Ablesbar ist in ihm nicht nur eine wechselvolle Geschichte, er birgt auch landschaftsgärtnerische und botanische Kostbarkeiten.

Fotografie: Teichanlage und Birkenwäldchen im Stadtpark
Teichanlage und Birkenwäldchen gehen auf einen Entwurf des Cottbuser Landschaftsarchitekten Glum aus dem Jahr 1906 zurück. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

25. Januar 2024

Ein begehbares Geschichtsbuch und ein gärtnerisches Kleinod, in dem das gesamte Spektrum einer städtischen Parkanlage zu finden ist – das ist der achteinhalb Hektar große Stadtpark gleichermaßen. Und diese Kombination macht ihn besonders reizvoll.

Schießplatz und Lindenhain

Die Ursprünge des Parks reichen zurück bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts. Damals befand sich im östlichen Bereich des Parks ein Steinbruch, aus dem die Quader für den Bau und den Unterhalt der Stadtmauer gebrochen wurden. Im 14. Jahrhundert wurde der Steinbruch dann aufgelassen, aufgefüllt und als Schießplatz genutzt.

Auf die damals auf dem Gelände angepflanzten Lindenbäume geht auch der Name des Cafés unter den Linden zurück, das ehemals allerdings „Zum roten Roß in grüner Au“ hieß. 120 Jahre später, 1633 also, wurden alle Lindenbäume gefällt, damit im Dreißigjährigen Krieg die Verteidiger der Stadt freie Schussbahn gegen die anstürmenden Schweden hatten. Nach dem Friedensschluss im Jahr 1654 ordnete der Rat der Stadt die Wiederbepflanzung an. Nur eine einzige Linde hat aus dieser Zeit bis heute überlebt. Ihr Torso steht vor dem heutigen Marionettentheater und dient den seltenen Xylobionten als Behausung – einer speziellen Art von Urwald-Käfern, deren Larven sich von totem Holz ernähren.

Fotografie: Grabsteine im Jüdischen Friedhof
Der jüdische Friedhof ist heute wieder für alle zugänglich. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Aussätzigen-Spital und Friedhöfe

Im Jahr 1296 entstand auf dem Gelände an der Straße, die in das Dorf Prüfening führte, ein Aussätzigen-Spital, das im 17. Jahrhundert auch unzählige Pestkranke aufnahm. Während das Siechenheim und die zugehörige Kirche „St. Lazarus“ im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurden, bestand der gleichnamige evangelische Friedhof, der 1528 vor den Toren der Stadt entstand, bis 1898 weiter. Westlich davon wurde 1812 dann der katholische Lazarusfriedhof geweiht. In der erhalten gebliebenen Leichenhalle ist heute eine Kindertagesstätte untergebracht.

Einige von knotigen Efeustämmen überwucherte Grabsteine sowie das renovierte schmiedeeiserne Friedhofsportal zeugen noch heute von diesen Zeiten. Gut 15 Meter hohe kräftige Thujen beleben mit ihrem dunklen Grün das triste Wintergrau zwischen den Grabsteinen. Auch wenn sie, rein gärtnerisch gesehen, eher einen schlechten Ruf haben – in dieses Ambiente passen sie aber, wenn man weiß, dass Thuja der botanische Name für den Lebensbaum ist, der das ewige Leben symbolisieren soll und auf einem Friedhof als Solitärpflanze durchaus einen angemessenen Standort hat. Friedhof und Park, Vergehen und Werden – nirgendwo ist die Verknüpfung enger als hier im Stadtpark!

Auch der jüdische Friedhof im Westen des Parks erinnert an die Vergänglichkeit des Lebens. 1822 hatte die Stadt der jüdischen Gemeinde für die Bestattung ihrer Toten zum Preis von 500 Gulden ein Tagwerk Grund überlassen. Vom nationalsozialistischen Terror glücklicherweise verschont, wurde er in den 1980er-Jahren saniert und ist heute wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.

Fotografie: Verwaltungs- und Postgebäude der großen Kreisausstellung 1910
So sah es im Stadtpark 1910 aus: Verwaltungs- und Postgebäude der großen Kreisausstellung © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Kreisausstellung und Ostdeutsche Galerie

Seine heutige Gestalt nahm der Stadtpark allerdings erst an, als die Oberpfälzische Kreisausstellung vorbereitet wurde, eine Art „Mini-Expo“ also. Für die im Jahr 1910 auf dem Stadtpark-Gelände ausgerichtete Gewerbe- und Landwirtschaftsschau war 1906 ein Wettbewerb ausgelobt worden, den der Cottbuser Landschaftsarchitekt Glum gewann. Er schuf die Teichanlage mit dem Birkenwäldchen, erstellte die Wegebeziehungen und nahm die Baumpflanzungen vor. Auch heute trägt der Park noch seine Handschrift.

Die aus dieser Zeit stammende Kunsthalle, deren Kuppeldach die Skulptur der griechischen Göttin Athene krönt, bildet heute das Kernstück des Kunstforums Ostdeutsche Galerie, die mit im Freien eingestreuten Skulpturen auch einen künstlerischen Akzent im Park selbst setzt. Dass die griechische Göttin der Künste heute den Besucherinnen und Besuchern des KOG wenig gastfreundlich den Rücken zuwendet, liegt daran, dass damals der Haupteingang der Kunsthalle im Westen lag.

Eine noch junge Attraktion des Parks ist der neue begehbare Brunnen westlich der Ostdeutschen Galerie. Wird sein kreisförmiges Becken geflutet, entsteht ein ruhiger Wasserfilm, in dem sich Himmel und Bäume spiegeln. Dieser „Himmelsspiegel“ gerät in Bewegung, wenn die 23 Fontänen mit Spritzhöhen zwischen 80 Zentimetern und zwei Metern in Gang gesetzt werden. Eine wunderbare Erfrischung an heißen Sommertagen, nicht nur für Kinder.

Zu Zeiten der Kreisausstellung gelang übrigens den Regensburgern, was seither stets zum Scheitern verurteilt war: Sie bauten eine „Stadthalle“, die sogar einen Aussichtsturm bot. Leider wurde sie im Zweiten Weltkrieg durch Brandbomben zerstört. Allein der sogenannte „Chinesische Turm“, aus dem erst Ende des 19. Jahrhunderts erfundenen Spannbeton gebaut und damit für diese Zeit äußerst innovativ, ist von damals noch erhalten.

Staudenanlage und Gingkobaum

Am gleichen Platz, wo einst die „Stadthalle“ stand, also an der Nordseite zur Dr.-Johann-Mayer-Straße hin, erfreut heute eine Staudenanlage das Auge des Betrachters. Auf speziellem karstigem Boden blühen Pflanzen, wie Steppenkerze, Sonnenröschen, Diptam und unterschiedliche Gräser, die ursprünglich in Steppengebieten oder am Mittelmeer beheimatet sind.

Dort, am Parkeingang bei der Gumpelzhaimerstraße, steht auch ein alter knorriger Gingko-Baum. Ursprünglich in China beheimatet, ist der Gingko biloba, wie er mit botanischem Namen heißt, der einzige lebende Vertreter einer ansonsten ausgestorbenen Gruppe von Samenpflanzen und wird daher auch als lebendes Fossil bezeichnet. In einer solchen Größe und Wuchsform sicherlich eine Rarität im Stadtgebiet!

Geht man vom Chinesischen Turm weiter in Richtung Westen kommt man an Schattenbeeten vorbei, an denen man heute noch die Zeitspuren der 1950er-Jahre ablesen kann, in denen sie angelegt wurden. Auch im Winter erfreuen dort die bizarren Samenstände von Silberkerzen, Hortensien, Elfenblumen und verschiedenen Gräsern noch die Parkbesucher.

Brunnenanlage und Schlittenberg

In den vergangenen Jahren neu angelegt wurden die Bepflanzung und der Wasserlauf auf dem Hügel im Westen des Parks, vermutlich Reste des ursprünglichen Kugelfangs für die Schießanlage. Dort entstand in den 1970er-Jahren nach einem Entwurf des Künstlers Poggi Pino eine Brunnenanlage, die auch heute noch den höchsten Punkt des Parks markiert und den Buchstaben „H“ darstellen soll. In Poggis symbolischem Kunstalphabet steht dieser Buchstabe für die Hoffnung und nimmt so wieder Bezug zum allgegenwärtigen Thema „Werden und Vergehen“ auf, das sich grade in der Winterzeit auch an den dort beheimateten Pflanzen ablesen lässt. Staudengräser, Kleingehölze und Schattenpflanzen wie Seggen, Astilben, Storchschnabel und japanische Kerrien: Die Schönheit der Natur ist auch im Vergehen noch allgegenwärtig!

Text: Dagmar Obermeier-Kundel