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Andrea Borowski: „Die Bücherei der Zukunft ist ein Wohlfühlort“

Andrea Borowski arbeitet als Bibliothekarin für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement in der Stadtbücherei am Haidplatz. Ihr Einstieg bei der Stadt fiel mitten in den ersten Corona-Lockdown.

Fotografie: Andrea Borowski mit einem Buch

1. Oktober 2021

Kennen Sie Dani Dino? Der tapsige Dinosaurier veranschaulicht auf den Social-Media-Accounts der Stadtbücherei Regensburg die Corona-Regeln, gratuliert ABC-Schützen zum ersten Schultag oder hilft beim Regale einräumen. In Wahrheit steckt unter dem zwei Meter hohen aufblasbaren T-Rex-Kostüm natürlich ein Mensch: Andrea Borowski, Bibliothekarin für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement, bringt Dani Dino in Bewegung, und sie hat sich die Aktion zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom Online-Team der Stadtbücherei auch ausgedacht.

Screenshot: Instagram-Feed der Stadtbücherei
Der Instagram-Account der Stadtbücherei © Katrin Butz

„Wir versuchen, in unseren Posts die Vielfalt der Büchereien zu zeigen“, berichtet sie. Seit dem Sommer 2020 ist die Stadtbücherei auf Instagram vertreten. Mittlerweile folgen ihren Posts mehr als 1.100 Personen. Den parallel laufenden Facebook-Auftritt haben mehr als 1.400 Follower abonniert. Besonders gern angeklickt werden kuriose Fotos, aber auch Leseempfehlungen. „Sehr erfolgreich war etwa die Lese-Challenge, die wir Anfang des Jahres gestartet haben. Dabei wird für jeden Monat ein Motto vorgegeben, zu dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Buch lesen und das dann posten können“, erklärt die 25-Jährige. Die Aufgabenstellungen lauten zum Beispiel „ein Buch aus dem Geburtsjahr meiner Mutter“, „ein Buch mit einem blauen Cover“ oder „ein Buch mit mehr als 300 Seiten“. Auch die kurzen Dino-Videos kommen gut an. „Es macht richtig Spaß, zu sehen, wie unsere Follower darauf einsteigen und etwa unter dem Film zu den Corona-Regeln darüber diskutieren, welche Maske die richtige für unseren Dani wäre.“ Und ganz nebenbei werden sie so auf die Angebote der Stadtbücherei aufmerksam gemacht.

Start im Ausnahmezustand

Andrea Borowski hat in Regensburg Medienwissenschaft, Kulturwissenschaft und Politikwissenschaft studiert und 2019 ihren Bachelor abgelegt. Anschließend arbeitete sie im Rahmen einer Projektstelle drei Monate lang bei der Organisation der Feierlichkeiten zum Jubiläum „100 Jahre Volkshochschule und Stadtbücherei“ mit. Im Frühjahr 2020 stieg sie als feste Mitarbeiterin bei der Stadtbücherei ein – und startete direkt im Ausnahmezustand. „An dem Tag, an dem in Bayern wegen Corona der Katastrophenfall ausgerufen wurde, begab ich mich gegen Mittag zu meinem ersten Arbeitstag.“ An einen normalen Alltag mit Veranstaltungen und Publikumsverkehr war monatelang nicht zu denken. Zu tun gab es trotzdem genug. Denn die Arbeit einer Bibliothekarin umfasst auch in normalen Zeiten weit mehr als den Dienst am Ausleihschalter. Andrea Borowski ist für das Lektorat des Bereichs Kochen, Handarbeit und Gartenarbeit zuständig, das heißt sie kümmert sich darum, die Medienbestände zu diesen Themen aktuell zu halten. Neue Bücher und Medien müssen bestellt und bearbeitet werden. Ladenhüter, die lange nicht mehr nachgefragt wurden, werden aussortiert und gespendet oder in den Flohmarkt gegeben. Andrea Borowski übernimmt diese Aufgaben für die Zentrale der Stadtbücherei am Haidplatz und stimmt mit den Kolleginnen der Stadtteilbüchereien ab, welche Medien für die Zweigstellen angeschafft werden sollen.

Fotografie: Stadtbücherei Regensburg
Im Lockdown blieben die Leseplätze in der Bücherei am Haidplatz wochenlang verwaist. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Digitale Medien im Aufwind

Insgesamt haben die Stadtbücherei am Haidplatz und die fünf Stadtteilbüchereien Nord, Süd, Burgweinting. Candis und Ost rund 260.000 Medien im Angebot – und das sind nur die, die man anfassen kann, also Bücher, DVDs, Noten, CDs oder auch Figuren für die Tonie-Box. Hinzu kommen rund 35.000 Medien, die ausschließlich online verfügbar sind. Über die Programme „Onleihe“ oder „Overdrive“ können Bücher direkt in den heimischen E-Book-Reader geladen werden. Auch das Ausleihen von Musik, Comics, Hörbüchern, Zeitschriften, Filmen, Sprachkursen oder Zeitungen ist online möglich. Die Nachfrage nach solchen rein digital verfügbaren Medien hat während der Corona-Pandemie zugenommen, was nicht verwunderlich ist. Schließlich blieben die Büchereien während der Lockdowns monatelang geschlossen. Insgesamt lag das Plus bei Ausleihen allein über die Plattform „Onleihe“ im Jahr 2020 bei 18 Prozent, während Ausleihen analoger Medien um 27 Prozent zurückgingen. Der Trend zu den digitalen Medien hat auch nach Wiederaufnahme des Publikumsverkehrs nicht nachgelassen. „Wir betrachten diesen Bereich deshalb mittlerweile wie eine eigene Zweigstelle, die definitiv immer wichtiger wird“, so Borowski.

Lockdown zur Weiterentwicklung genutzt

Dass sich der gesamte Betrieb künftig ins Internet verlagert, steht jedoch nicht zu befürchten. Denn die Bücherei von heute hat nichts mehr zu tun mit dem Klischee von verstaubten, vollgestopften Regalen und strengen Bibliothekaren, die mit Argusaugen darüber wachen, dass die Hausordnung eingehalten wird. Wichtig ist vielmehr, dass die Kundinnen und Kunden sich wohlfühlen. „Büchereien der Zukunft sind keine reinen Ausleihorte mehr, sondern Orte, an denen die Menschen gerne ihre Freizeit verbringen. Wo sie lernen und Neues entdecken, aber auch einfach Freunde und Bekannte treffen können.“ Dieses Konzept werde bei allen Planungen mitgedacht. Auch die Corona-Schließzeiten hat das Team genutzt, um die Büchereien in diese Richtung weiterzuentwickeln. „Wir haben Regale abgebaut und verschoben, um unsere Angebote besser zu präsentieren. Wie in der Buchhandlung, wo die Bücher ja auch so aufgestellt werden, dass man das Cover sieht.“ Außerdem wurden in der Bücherei am Haidplatz neue Sitzplätze geschaffen. Und es wurden Bücherpakete gepackt, um die Kundinnen und Kunden auch im Lockdown mit Lesestoff zu versorgen. Besonders beliebt waren dabei die sogenannten Überraschungspakete. „Die Kunden haben uns Kriterien angegeben – zum Beispiel „Bücher für dreijährige Jungs“ oder „Reiseliteratur“ – und wir haben ihnen Medien zu diesen Themen zusammengestellt und zugeschickt.“ Diese Art der „Fern-Beratung“ habe großen Spaß gemacht, „und wir haben viel begeistertes Feedback dafür bekommen“.

Regensburger Leseherbst startet im Oktober

Seitdem die Büchereien wieder geöffnet sind, gibt es auch wieder Ausstellungen und Veranstaltungen. Viele Lesungen, Workshops oder Vorträge, die für das Frühjahr geplant gewesen waren und wegen Corona nicht stattfinden konnten, sind in die zweite Jahreshälfte 2021 verschoben worden. Ab Oktober findet nun der „Regensburger Leseherbst“ statt – mit mehr als 30 Veranstaltungen für Erwachsene und einem umfangreichen Kinderprogramm. Einige dieser Programmpunkte werden parallel ins Internet übertragen. „Wir haben uns für die hybride Form entschieden, um auf Änderungen der Pandemie-Situation vorbereitet zu sein. Außerdem haben wir so die Möglichkeit, auch Menschen anzusprechen, die sonst vielleicht nicht teilnehmen könnten.“ Wie praktisch solche Online-Veranstaltungen sein können, hat Andrea Borowski selbst erfahren. Parallel zu ihrer Arbeit setzt sie nämlich gerade ihr Masterstudium der allgemeinen und vergleichenden Medienwissenschaften fort. „Unter normalen Bedingungen ist das ziemlich anstrengend und erfordert viel Disziplin. Als die Uni-Veranstaltungen online zugänglich waren, hat mir das die Vereinbarkeit von Arbeit und Studium sehr erleichtert.“ Zum Lesen bleibe ihr aktuell trotzdem nicht allzuviel Zeit. Das letzte Buch, das sie gelesen hat, war „Der Brand“ von Daniela Krien. „Das hat mich so gefesselt, so dass ich es tatsächlich an einem Wochenende verschlungen habe.“ Ansonsten nutzt sie eher Hörbücher, „weil sich das leichter in den Alltag integrieren lässt, zum Beispiel beim Kochen.“ Auch Podcasts hört sie leidenschaftlich gern.
Für ihre Arbeit wünscht sich Andrea Borowski, dass der normale Betrieb mit Publikumsverkehr, Führungen und Veranstaltungen weiterhin möglich bleibt. Denn die Bücherei lasse sich eben am besten vor Ort entdecken. „Besonders freut es uns, wenn wir merken, wie Menschen, die zum ersten Mal bei uns sind, erstaunt feststellen, dass es hier gar nicht so ehrwürdig zugeht, wie sie immer dachten, und wenn sie dann gerne wiederkommen.“

Text: Katrin Butz