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„Mein Job ist eine Mischung aus Detektivarbeit und Handwerk“

Anna-Sophie Weinzierl restauriert im städtischen Museum alte Bodenfunde. In müheseliger Kleinarbeit bereitet sie diese Gegenstände so auf, dass sich die Wissenschaftler danach an die Datierung machen können.

StadtMensch Anna-Sophie Weinzierl - Portrait

24. Juni 2019

Die Detektivarbeit reizt Anna-Sophie Weinzierl am meisten an ihrem Job bei der Stadtverwaltung Regensburg. Was Archäologen bei Grabungen im Boden finden, landet bei ihr in der Werkstatt. In müheseliger Kleinarbeit bereitet sie diese Gegenstände so auf, dass sich die Wissenschaftler danach an die Datierung machen können. 

Ein langes, rostiges Etwas liegt vor Anna-Sophie Weinzierl auf dem schweren Holztisch in ihrer Werkstatt. Sofort korrigiert sie diesen Eindruck: „Das ist kein Rost, das ist alles organisches Material.“ Für Laien übersetzt bedeutet das: Holz, Stoff, Leder oder Fell. Unter diesem vermeintlichen „Rost“ versteckt sich ein Schwert aus Metall, gefunden in einem Gräberfeld in Burgweinting. Es stammt aus dem frühen Mittelalter und wird vom 21. September bis Juni 2020 neben vielen anderen Objekten im Historischen Museum der Stadt Regensburg bei der Sonderausstellung „Spuren der Jahrtausende – 25 Jahre archäologische Großgrabung Burgweinting“ zu sehen sein. Im Stadtteil Burgweinting wurden auf einer Fläche von 66 Hektar verschiedene Siedlungen und Gräber aus einem Zeitraum von 4 000 Jahren entdeckt – begonnen von der Jungsteinzeit bis hin zum Frühmittelalter. Dort gezeigt werden eine goldene Zierscheibe aus der Bronzezeit, ein komplett erhaltenes Trinkglas aus dem 6. Jahrhundert, Schmuckstücke und das Schwert, an dem Anna-Sophie Weinzierl gerade arbeitet.

Das Schwert aus dem frühen Mittelalter wurde in einem Gräberfeld in Burgweinting gefunden.
Das Schwert aus dem frühen Mittelalter wurde in einem Gräberfeld in Burgweinting gefunden. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Behutsam trägt die studierte Restaurierungs- und Konservierungswissenschaftlerin das organische Material ab, bis das eigentliche Schwert zum Vorschein kommt. „Normalerweise würden wir Restauratoren diese Schichten auf dem Objekt belassen, weil darin viele Informationen enthalten sind“, erklärt die 31-Jährige, „aber für die Ausstellung entferne ich einen kleinen Bereich des organischen Materials, damit man auch sehen kann, was sich darunter verbirgt.“ Die oberen Schichten sind die Überbleibsel der Schwertscheide.

Entziffern der Stadtgeschichte

Alles, was bei städtischen Baumaßnahmen von den beteiligten archäologischen Grabungsfirmen im Boden gefunden wird, landet bei Anna-Sophie Weinzierl und ihrer Kollegin auf den Arbeitstischen. Ausgestattet mit Pinsel, Skalpellen und vielen feinen Werkzeugen aus der Zahntechnik konservieren und restaurieren die städtischen Mitarbeiter diese Funde oder bereiten sie - wie das Schwert - für Ausstellungen vor. Mit ihrer Arbeit tragen sie maßgeblich zu Erkenntnissen zur Stadtgeschichte bei. Nachdem die Fundstücke bei den städtischen Restauratorinnen gewesen sind, erforschen ihre Kollegen, die Archäologen, deren Geschichte: Was ist dieser Gegenstand? Wem gehörte er und zu welchem Zeitpunkt war sein Besitzer wo? Und vielleicht lässt sich sogar das Warum herausfinden? Funde können viel über vergangene Zeiten verraten.

StadtMensch Anna-Sophie Weinzierl - Lupe

Sobald die Bodenfunde jedoch das Tageslicht erblicken, beginnt der Verfall, weiß die geborene Münchnerin, die die Liebe zu den alten Stücken von ihrem Vater geerbt hat. Er hat als Archäologe im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege gearbeitet und sie schon als Kind Werkstattluft schnuppern lassen: „Ich fand das einfach immer schon toll!“ Sie wollte aber weniger selbst an archäologischen Ausgrabungen teilnehmen, sondern eher dem Erhalt der Objekte dienen. Ihr handwerkliches Geschick, ihr Faible fürs Detail und ihre naturwissenschaftliche Begeisterung ließen sich im Studiengang Restaurierungs-, Kunsttechnologie- und Konservierungswissenschaft an der Technischen Universität München verbinden. Denn auch naturwissenschaftliche Kenntnisse sind in ihrem Beruf gefragt – zum Beispiel, wenn es um das Aufhalten von chemischen Verfallsprozessen wie Rosten geht.

Neue Idee für Regensburg: Die Hofflohmärkte

Seit September 2018 arbeitet Anna-Sophie Weinzierl für die Stadt Regensburg und ist begeistert vom mittelalterlichen Regensburg-Flair. Aus ihrer Heimatstadt München hat sie die Idee der Hofflohmärkte mitgebracht und will diese nun auch in Regensburg etablieren. „Das ist einfach eine super Möglichkeit, seine Sachen, die sich im Laufe der Zeit so angesammelt haben, ganz unkompliziert bei sich zuhause zu verkaufen – ohne dass man Stunden vorher schon auf öffentlichem Grund seinen Standplatz verteidigen muss.“ Der erste Flohmarkt findet am 6. Juli 2019 in der Altstadt und in Stadtamhof statt – von 10 bis 17 Uhr. Mitmachen kann jeder, der dort wohnt, auch Büros oder Geschäfte können sich beteiligen. Ob in der Wohnung, im Hauseingang oder im privaten Innenhof – die Verkaufswilligen sind aufgefordert, ihre Waren anzubieten. Auch im Innenhof der Regierung der Oberpfalz werden verschiedene Stände sein.

Aus eigener Erfahrung weiß die erprobte Schnäppchenjägerin, dass sich manche Hausgemeinschaften dank der Hofflohmärkte erst richtig kennengelernt haben – gemeinsames Grillen und gemütlicher Kaffeeklatsch gehören in vielen Münchner Höfen fest dazu. An der Idee der Hofflohmärkte reizt Anna-Sophie Weinzierl aber nicht nur das Miteinander, sondern auch, dass man auf diese Weise lauter neue Ecken in der eigenen Stadt entdecken kann. Die Premiere am 6. Juli wird unterstützt vom Stadtmarketing Regensburg – dank eines Wettbewerbs, den sie mit ihrem Projekt gewonnen hat. Doch sie denkt schon weiter: Wenn der erste Hofflohmarkt gut angenommen wird, möchte Anna-Sophie Weinzierl die Märkte im nächsten Jahr auf andere Stadtteile ausweiten.

Text: Claudia Biermann