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Katrin Hattwig: Möbelseelsorgerin und Nachhaltigkeitspredigerin

Dass Vergaberecht Spaß machen kann, klingt erst einmal eher unglaubwürdig. Wer sich aber mit Katrin Hattwig unterhält, wird schnell eines Besseren belehrt. Ihr Aufgabengebiet, die Zentrale Beschaffung im Vergabeamt, hat viele Facetten und fordert sie auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie dabei viel mit Menschen zu tun hat.

Fotografie: Katrin Hattwig sitzt an ihrem Schreibtisch.
Den Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit versucht Katrin Hattwig bei allen Beschaffungen für die Stadtverwaltung stets zu berücksichtigen. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

24. November 2021

„Amore“, antwortet die gebürtige Friesin kurz und bündig auf die Frage, aus welchem Grund es sie in die Oberpfalz verschlagen habe. „Mein Mann ist ein waschechter Oberpfälzer.“ Vor 25 Jahren lernte sie ihn bei einem Bikertreffen kennen und folgte dem Ruf der Liebe. Nicht ganz einfach für eine Beamtin im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen in Bayern beruflich Fuß zu fassen. Weshalb sie sich nach der Geburt der beiden Töchter auch zunächst anderweitig orientierte. Bei einem Straubinger Radiosender erledigte sie nicht nur die anfallende Büroarbeit, sondern sprach auch Werbespots ein und las Geschichten für Kinder vor. „Das war eine ganz andere Welt, aber auch sehr interessant“, erinnert sie sich heute.

Vergabe – ein spannendes Themengebiet

Doch es zog sie zurück zu ihren Wurzeln. Nach Abstechern in kleinere Umlandgemeinden wurde ihr klar, dass sie sich gerne tiefer in ein Themengebiet einarbeiten wollte. Bei der Stadt Regensburg wurde sie fündig – im Vergabeamt. Die leise Angst, der fehlende Publikumsverkehr würde sie vereinsamen lassen, legte sich schnell. „Meine Bürger sind jetzt die Kollegen“, erklärt die 58-Jährige, die es liebt, mit Menschen zu sprechen, sie zu beraten und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.

Und die Kolleginnen und Kollegen suchen häufig ihren Rat. So häufig, dass Katrin Hattwig zugibt, dass sie an stressigen Tagen sich schon mal versucht fühle, „das Telefon zum Fenster rauswerfen“ zu wollen. „Aber ich glaube, nach drei Tagen spätestens würde ich es wieder reinholen.“

Was muss ich beachten, wenn ich einen Flyer drucken lassen möchte? Kann ich einen rückenfreundlichen Bürodrehstuhl bekommen? Wie bringe ich in meinem kleinen Büro mit Dachschräge zwei Schreibtische, Aktenschränke, Rollcontainer und einen Besprechungstisch unter? Bis zu welcher Summe kann beschränkt ausgeschrieben werden? – All das sind Fragen, die Katrin Hattwig geduldig beantwortet.

Fotografie: Katrin Hattwig berät eine Kollegin bei der Auswahl des neuen Drehstuhls.Wie finde ich den passenden Drehstuhl? – Auch bei dieser Frage steht sie mit Rat und Tat zur Seite. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

„Meine Arbeit macht einen Riesenspaß“

Es ist ein komplexes und kniffliges Fachgebiet, das sie sich da angelacht hat. Und obwohl sie, als sie 2017 bei der Stadtverwaltung anfing, vom Vergaberecht „eigentlich keine Ahnung hatte“, hat sie sich schnell eingearbeitet – nicht zuletzt dank ihrer Kollegen, die sie tatkräftig unterstützten. Heute sagt sie: „Vergabeamt – das klingt so trocken. Das ist es aber nicht. Meine Arbeit macht mir wirklich einen Riesenspaß!“

Gemeinsam mit einer Kollegin ist Katrin Hattwig für die Rahmenvereinbarungen der Stadt Regensburg und die Beschaffung des sogenannten Verwaltungsbedarfs zuständig. Und der reicht vom Bleistift bis zum biodynamischen Bürodrehstuhl und von Arbeitskleidung bis zur Entleerung von Parkscheinautomaten. Auch viele städtische Druckerzeugnisse gehen über ihren Schreibtisch. Rahmenvereinbarungen, wie beispielsweise für den städtischen Internetauftritt oder die betriebsärztliche Betreuung werden von Katrin Hattwig gemeinsam mit den zuständigen Fachämtern ausgeschrieben.

Die Trennung von Bedarf und Beschaffung, also von Fach- und Vergabeamt, hat einen ernsten Hintergrund. So soll für alle Bieter Chancengleichheit gewährleistet und einer möglichen Korruption von vornherein ein Riegel vorgeschoben werden. Auch innerhalb des Vergabeamts herrscht ein strenges Vier-Augen-Prinzip. Darüber hinaus werden Bieterfragen ausschließlich anonymisiert bearbeitet.

Planerisches und seelsorgerisches Geschick

Weil die einzelnen Vergabeverfahren und die Themengebiete so unterschiedlich sind, hat Katrin Hattwig ganz neue Qualitäten entwickeln können. „Wir haben schon überlegt, ob wir an unsere Tür das Schild ,Möbelseelsorge‘ hängen“, erzählt sie lachend. Denn die Vorstellungen, wie ein Büro ausgestattet sein muss, lägen oft weit auseinander. Überzeugungsarbeit, dass es in einem Büro um funktionales Arbeiten und nicht um „Schöner Wohnen“ gehe, müsse dann geleistet werden. Anspruchsvolle Raumverhältnisse, beispielsweise in historischen Gebäuden, stellen eine zusätzliche Herausforderung dar. Ihr planerisches Geschick kommt ihr dabei zugute, so dass sich in den allermeisten Fällen ein Kompromiss findet, der alle zufriedenstellt.

Wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht, kann sie auch mal ein bisschen dogmatisch werden. In enger Zusammenarbeit mit dem städtischen Kommunikator für kommunale Entwicklungspolitik sucht sie stets nach umweltfreundlichen und ressourcenschonenden Lösungen. Recyclingpapier, der Verzicht auf Kunststoffe bei Büroartikeln oder Arbeitskleidung aus recycelten Materialien bzw. aus fairer Beschaffung genießen bei ihr eine hohe Priorität. „Da muss ich manchmal schon noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten, aber es lohnt sich wirklich“, meint sie.

Fotografie: Büropläne auf dem Schreibtisch
Ihr Aufgabengebiet reicht von der Büroraumplanung bis zur Rahmenvereinbarung für die betriebsärztliche Betreuung. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

4.000 Rechnungen pro Jahr

Ein Vergabeverfahren begleitet sie von der Ausschreibung über die Auftragsvergabe bis zur Rechnungsstellung. Rund 4.000 Rechnungen flattern pro Jahr auf ihren Schreibtisch. Sie müssen akribisch überprüft und gegebenenfalls auch moniert werden, sofern sie einen Fehler aufspürt, was gar nicht so selten der Fall ist.

Die begeisterte Tischtennisspielerin, die in ihrem Ortsverein Mannschaftsführerin in einer Herrenmannschaft ist, liebt gerade die Vielfalt, die ihr Job bietet. Sie ist Büroraumplanerin und Spürhund, Nachhaltigkeitspredigerin und Fachfrau für ergonomische Sitzmöbel in einer Person. Ob es um freihändige Vergaben oder europaweite Ausschreibungen geht – sie kennt alle Vergabebestimmungen und wacht über ihre Einhaltung. Auch die Herausforderungen der Corona-Pandemie, wo schnell und unbürokratisch große Mengen an OP-Masken, Desinfektionsmitteln oder Testkits beschafft werden mussten, konnten sie nicht aus der Ruhe bringen.

Die Zufriedenheit mit dem Job und die Freude in Regensburg arbeiten zu können, sind sicherlich nicht ganz unbeteiligt daran, dass Katrin Hattwig die Sehnsucht nach ihrer Heimat nur dann verspürt, wenn sie dort Urlaub macht. „Wenn ich in Friesland bin, dann frage ich mich schon manchmal, was mich getrieben hat, dort wegzugehen. Aber wenn ich dann wieder hier bin, ist alles wieder gut. Hier bin ich inzwischen einfach verwurzelt.“

Text: Dagmar Obermeier-Kundel