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„Ich brauche immer wieder neue Herausforderungen“

20 Jahre ihres Lebens hat sie als Bankkauffrau gearbeitet. Dann entschloss sich Silvia Berthold, Soziale Arbeit zu studieren. Mit Mitte 50 folgte dann der Masterstudiengang „Interkulturalitätsmanagement“. Heute leitet sie die Heimaufsicht der Stadt Regensburg, kurz FQA.

Silvia Berthold stellt sich gerne neuen Herausforderungen.
Silvia Berthold stellt sich gerne neuen Herausforderungen. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

26. August 2020

„Ich habe wirklich gerne in der Bank gearbeitet“, sagt die gebürtige Düsseldorferin. „Das hat mir Spaß gemacht und mich ausgefüllt.“ Aber irgendwann reifte in ihr der Entschluss, noch einmal ganz neu durchzustarten, und das – bedingt durch ihr ehrenamtliches Engagement in der Jugendarbeit – in einem Bereich, der sich kaum mehr vom Finanzwesen unterscheiden könnte. Nach dem erfolgreichen Abschluss war sie mehrere Jahre im stationären Bereich als Sozialpädagogin tätig, bis sie aus privaten Gründen nach Regensburg kam und dort zunächst die Beratung für Wohnen im Alter in der Fachstelle für pflegende Angehörige übernahm. Im Rahmen des zweijährigen bundesweiten Modellprojektes wurde diese 2015 um die Technikberatung erweitert und nach dem Förderablauf in die städtische Fachstelle „Wohnen und Technik“ umgewandelt, deren Leitung Silvia Berthold ebenfalls übertragen wurde.

Zusammen mit ihrer Kollegin Roswitha Zacherl ist sie für die Kontrolle der Pflege- und Behinderteneinrichtungen in der Stadt zuständig.
Zusammen mit ihrer Kollegin Roswitha Zacherl ist sie für die Kontrolle der Pflege- und Behinderteneinrichtungen in der Stadt zuständig. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Interkulturelle Seniorenarbeit

Da steckte sie bereits mitten in ihrem zweiten Studium an der OTH in Regensburg und büffelte gemeinsam mit 20-Jährigen. „Das war eine wirklich interessante Erfahrung“, so die mittlerweile fast 60-Jährige, der es gelang, gleichzeitig Beruf, Studium und Familie unter einen Hut zu bringen.

Durch ihr Studium richtete sich Silvia Bertholds Interesse auf die interkulturelle Seniorenarbeit, der sie sich auch in ihrer Masterarbeit widmete. „Das ist ein wirklich spannendes Thema, vor allem in Hinblick auf die stationären Einrichtungen“, unterstreicht sie. Immer mehr Heimbewohnerinnen und -bewohner, aber vor allem auch ein großer Teil des Pflegepersonals käme schließlich aus anderen Kulturkreisen, was durchaus Auswirkungen auf den Umgang miteinander, auf Erwartungen und Sorgen habe und immer wieder zu kulturellen Missverständnissen führen könne. Sie weiß aber auch: „Integration kann auch im Alter noch gelingen.“ Und eine erfolgreiche Integration in einem Seniorenheim könne auch wesentlichen Einfluss auf die Generation der Angehörigen ausüben.

Aber Silvia Bertholds Drang nach neuen Herausforderungen, war auch damit noch nicht gestillt. Als Roland Gerth nach fast 20 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand ging, bewarb sie sich für seine Nachfolge. Seit Februar 2020 ist sie gemeinsam mit einer Kollegin für die Heimaufsicht der Stadt Regensburg zuständig.

Begleitung, Beratung und Kontrolle

Die korrekte und ziemlich sperrige Bezeichnung dafür lautet „Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht“ (FQA). Sie will zum Ausdruck bringen, dass der Schwerpunkt dieser als kommunale Pflichtaufgabe festgeschriebenen Tätigkeit nicht allein in der Kontrolle, sondern auch im Bereich der Prävention, also in der Begleitung und Beratung liegt.

Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Lebensqualität im Alter sind ein hohes Gut, das es zu bewahren und zu verteidigen gilt. Aber auch die Teilhabe am Leben muss – soweit möglich – stets gewährleistet sein. Deshalb stehen Silvia Berthold und ihre Kollegin stets gerne als Ansprechpartnerinnen und Vermittlerinnen auch für Angehörige, Heimbeiräte und Betreuer zur Verfügung.

Doch natürlich ist in einem extrem sensiblen Bereich auch die Kontrolle wichtig, denn geltende Standards, die das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) vorschreibt, müssen unbedingt eingehalten werden. Gemeinsam mit Fachleuten aus dem Gesundheitsamt und dem medizinischen Dienst der Krankenkassen finden deshalb jährlich unangekündigte Begehungen in allen Alten- und Pflegeeinrichtungen im Stadtgebiet statt, die jeweils einen ganzen Tag in Anspruch nehmen. 

Silvia Berthold steht jederzeit auch für Beratungen zur Verfügung
Silvia Berthold steht jederzeit auch für Beratungen zur Verfügung. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Während sich die Kollegen um die medizinischen und pflegerischen Belange kümmern, überprüfen Silvia Berthold und ihre Kollegin Roswitha Zacherl die Pflegedokumentation. Sie sprechen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern und kontrollieren gegebenenfalls die Rechtmäßigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen, für die in jedem Fall ein gerichtlicher Beschluss vorhanden sein muss. Stimmt der Personalschlüssel, gibt es bauliche Mängel und Sicherheitsrisiken, passen die Hygienemaßnahmen und der Umgang mit Medikamenten? Aber auch andere Bereiche werden einer genauen Inspektion unterzogen: Wie sieht das Wohnumfeld aus? Ist für jahreszeitlich passende Dekoration gesorgt? Herrscht eine gemütliche Atmosphäre? Gibt es besondere Betreuungsangebote, die über das Pflichtprogramm hinausgehen? – All dies wird in den Prüfbericht mit aufgenommen. Er beschreibt die Situation im jeweiligen Heim, bewertet die Mängel und zeigt Verbesserungsmöglichkeiten auf.

„Dass wir gar nichts beanstanden müssen, das ist eher selten“, betont Berthold. „Besser geht es natürlich immer noch.“ Aber gravierende Mängel, die möglicherweise sogar einen Aufnahmestopp nach sich ziehen müssten, findet die Heimaufsicht in Regensburger Einrichtungen kaum. Das liegt möglicherweise auch daran, dass auch die Heimleitungen die FQA gerne vorab konsultieren und sich dort beraten lassen. Während der Corona-Pandemie ist dies der wichtigste Aspekt von Silvia Bertholds Arbeit. „Anlassbezogen führen wir natürlich weiterhin Kontrollen durch“, sagt sie. Beispielsweise dann, wenn Angehörige bei der FQA anrufen und von sich aus Mängel melden. Auch das gehört zur Routine der Heimaufsicht.

Herausforderung Corona-Krise

Gerade wegen der weitreichenden Auswirkungen der Infektionsschutzmaßnahmen im Bereich der Senioreneinrichtungen, war der fachkundige und kritische Blick, den die FQA von außen auf die Problematik richten konnte, sehr gefragt. „Natürlich war die Verunsicherung während des Lockdowns bei allen Beteiligten groß. Es gab Handlungsleitlinien und jedes Haus hat auf seine Weise versucht, das Beste daraus zu machen.“ Damals gingen viele Fragen von Angehörigen und Heimleitungen bei ihr ein, erinnert sie sich. Aber in den meisten Fällen konnte eine Lösung gefunden werden, die den Anforderungen entsprochen hat und mit der alle Seiten leben konnten.

Die Corona-Krise hat Silvia Berthold auch gezeigt, wie wichtig interkulturelle Arbeit ist. Denn gerade ältere Menschen mit Migrationshintergrund hätten besonders gelitten unter der Kontaktsperre, weil Angehörige als Vermittler ausgefallen seien. Deshalb will sie ihr Augenmerk künftig auch auf diese Personengruppe richten. Eine neue Aufgabe, auf die sie sich freut, denn: „Ich bin nicht der Mensch, der sein ganzes Leben das gleiche macht. Ich brauche immer wieder neue Herausforderungen.“

Text: Dagmar Obermeier-Kundel