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Ein Kulturpädagoge in der Schule

Wer in den Nullerjahren jung war, kennt Uwe Hering wahrscheinlich noch als engagierten Förderer der Jugendkultur im Jugendzentrum in der Weingasse, dem heutigen W1. Mittlerweile arbeitet Hering mit ebensoviel Herzblut als sogenannter „JaS“ an der St.-Wolfgang-Mittelschule.

StadtMensch Uwe Hering

3. Dezember 2019

Auf dem Besprechungstisch steht Knabberzeug und vor dem Fenster, das auf den Schulhof hinausgeht, laden ein Sofa und zwei Sessel dazu ein, sich gemütlich zusammenzusetzen. Auf dem Schreibtisch stapelt sich Papier, an den Wänden hängen Pop-Art-Porträts der Schauspieler Hugh Laurie und Keanu Reeves. Die Bilder erzählen von Herings Berufsweg – denn bevor er 2015 als Jugendsozialarbeiter an die Schule kam, hat er lange Jahre das städtische Zentrum für junge Kultur – W1 mit aufgebaut und geleitet. Die Bilder hat ihm ein Künstler geschenkt, den er in dieser Zeit kennengelernt hat. „Der junge Mann hat damals die erste Ausstellung gemacht, die wir im W1 hatten. Der Jugendzeit entwachsen, hat er zunächst weitergemalt. Später haben wir dann erfahren, dass er Jura studiert hat und mittlerweile in diesem Beruf arbeitet – das hat uns alle sehr überrascht.“ Wendungen wie diese begleiten den Kultur- und Sozialpädagogen durch sein Berufsleben –  denn Uwe Hering arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren mit jungen Menschen.

Kultur in der Weingasse

Angefangen hat der heute 52-Jährige bei einem privaten Institut für intensiv-sozialpädagogische Einzelbetreuung. „Bei dieser sogenannten ISE habe ich viel über die Praxis der sozialen Arbeit gelernt. Die jungen Menschen, die ich dort betreut habe, hatten in ihren jungen Jahren mitunter schon viel erlebt und einiges durchgemacht.“ Die ISE sei oft die letzte Möglichkeit gewesen, noch in einen geregelten Alltag zu finden. Das Institut selbst war gerade erst gegründet worden. „Insofern habe ich in dieser Zeit auch gelernt, was es bedeutet, wenn man so eine Einrichtung auch wirtschaftlich am Laufen halten muss.“

2001 wechselte Hering zur Stadt, ins Jugendzentrum in der Weingasse. Das Jugendzentrum war ein offener Treff, in dem Jugendliche und junge Erwachsene ihre Freizeit verbringen konnten. Viele der Jugendlichen, die kamen, hatten einen Migrationshintergrund. „Natürlich gab es dort den klassischen Kicker und einen Billardtisch. Darüber hinaus haben wir uns bemüht, den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, sich auszuprobieren.“ Vor allem kulturell und künstlerisch sollten die jungen Leute eine Chance bekommen. „Wir haben uns dafür die Milieus, in denen unsere Klientel unterwegs war, genau angeschaut. In der Anfangszeit ging das vor allem in Richtung Graffiti, StreetArt und Break Dance. Diese Strömungen haben wir dann im Jugendzentrum aufgenommen und den Jugendlichen die Möglichkeit gegeben, legal etwas zu schaffen.“ Hering und sein Kollege besorgten Spraydosen und Leinwände und stellten im Jugendzentrum einen Raum zur Verfügung, in dem gesprayt werden durfte. Nach einer ersten Ausstellung im Salzstadel machten sich die Pädagogen daran, das Jugendzentrum weiterzuentwickeln. „Wir wollten das Haus für weitere Milieus öffnen und haben die Rock- und Punkszene in den Blick genommen.“ Mit entsprechenden Konzerten wurden die jungen Leute in das Haus eingeladen. „Anfangs waren wir gespannt, wie sie sich mit unserem Stammpublikum, das ja aus einer ganz anderen Ecke kam, vertragen würden. Aber bis auf kleine Reibereien hat das tatsächlich gut funktioniert.“

Uwe Hering (r.) und Matthias Segerer mit einem Umbauplan des Jugendzentrums in der Weingasse
Uwe Hering (r.) und Matthias Segerer mit einem Umbauplan des Jugendzentrums in der Weingasse © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Umbau und Neueröffnung als W1

Mit dem zusätzlichen Publikum, den Konzerten und Veranstaltungen kam das alte Haus in der Weingasse aber auch an eine Grenze. „Zum einen war es für die Nachbarschaft immer mehr eine Belastung, zum anderen gab es natürlich auch Sicherheitsaspekte, die wir beachten mussten.“ Im Juli 2007 wurde das Jugendzentrum vorübergehend geschlossen und umfassend umgebaut. Hering begleitete den Umbau und arbeitete parallel in anderen Bereichen des Amts für kommunale Jugendarbeit. Außerdem feilte er zusammen mit seinem Kollegen Matthias Segerer an einem neuen Konzept für das Jugendzentrum. „Der Fokus sollte ganz klar auf der kulturellen Bildung liegen.“ Auch ein neuer Name musste her. „Der Begriff Jugendzentrum wird meistens assoziiert mit einem Ort, wo junge Menschen hingehen, die ein Problem haben. Unser Haus war dagegen ein Zentrum für junge Menschen, die Ideen haben und die dafür Unterstützung brauchen. Unser Motto war: ‚Wir malen hier nicht mit Wasserfarben, sondern in Acryl.“ Im Namen „W1 – Zentrum für junge Kultur“ kommt diese Wertigkeit nun zum Ausdruck.

Jugendsozialarbeit an der St.-Wolfgang-Mittelschule

Bis 2015 leitete Uwe Hering das W1. „Dann hatte ich das Gefühl, dass es Zeit für etwas Neues ist.“ Seitdem verstärkt Hering das Team der Jugendsozialarbeiter an Schulen (JaS). Diese Stellen, die zum Amt für Jugend und Familie gehören, aber ihre Büros direkt an den Schulen haben, gibt es in Regensburg seit dem Schuljahr 1998/99. Mittlerweile sind sie an allen Grund-, Mittel-, Real- und Berufsschulen eingerichtet. „Die JaS sind die ersten Ansprechpartner, wenn es Probleme mit Eltern, Lehrern oder Mitschülern gibt. Da wir direkt an den Schulen sitzen, sind wir immer ansprechbar für die Kinder und Jugendlichen.“ Mit dem Jobwechsel ist Uwe Hering von der offenen Jugendarbeit wieder zur persönlichen Einzelfallberatung zurückgekehrt. „JaS sind keine Schulsozialarbeiter, die offene Treffs oder Workshops organisieren. Vielmehr kümmern wir uns um einzelne Schülerinnen und Schüler, die etwas auf dem Herzen haben.“ In der Regel kommen die Jugendlichen selbst in sein Büro. „Konflikte mit den Eltern, Todesfälle in der Familie, Scheidung, Streit mit den Mitschülern – die Themen, mit denen die Jugendlichen kommen, spiegeln das ganze Leben wider. Weggeschickt wird hier keiner.“ Oft sind es auch Eltern, die sich an Hering wenden, weil bei ihrem Kind in der Schule oder im Leben nicht alles so läuft, wie es sollte; oder Lehrer, die vermuten, dass ein Schüler Unterstützung braucht. „In diesen Fällen lade ich den Jugendlichen in mein Büro zu einem Gespräch ein, um herauszufinden, was dahintersteckt.“ Grundsätzlich gehe es darum, den jungen Menschen zuzuhören und gemeinsam herauszuarbeiten, wie es weitergehen soll. „Wir besprechen, was sie brauchen, wo sie Hilfe bekommen und was sie auch selbst tun können.“ Ein wichtiges Ziel sei die Stärkung der Persönlichkeit – darin ähnelt der Job Herings früherer Tätigkeit im W1. Was die Aufgaben sonst noch gemeinsam haben? Auf die Frage muss Hering kurz nachdenken. „Vielleicht ist die Gemeinsamkeit, dass es hier wie dort darum geht, Angebote zu machen. Ob sie diese annehmen, werden die Jugendlichen oder die Eltern selbst entscheiden. Ich freue mich, wenn sie es tun und wir Erfolg haben – früher bei einem Kunstprojekt, heute bei einer Beratung. Aber zwingen kann und will ich niemanden.“

Text: Katrin Butz