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„Ich will die Veränderungs- und Innovationskultur stärken“

Cross-Innovation-Managerin – eine sperrige Berufsbezeichnung und beileibe nicht selbsterklärend. Aber Andrea Wöhrl schafft es, ihren Job bei der Stadtverwaltung in prägnante Worte zu fassen: „Das ist einfach der professionelle Blick über den eigenen Tellerrand hinaus.“

Porträt: Andrea Wöhrl
Andrea Wöhrl möchte den Menschen in der Stadt Lust machen, sich mehr konstruktiv einzubringen. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

12. Januar 2023

Genauer gesagt, ist die 31-Jährige, die beim Amt für Wirtschaft und Wissenschaft in der Abteilung Wissenschaft, Technologie und Cluster arbeitet, dafür zuständig, unterschiedliche Themen, Branchen, Akteure und Cluster miteinander zu vernetzen und ihre Zusammenarbeit vor allem in Hinblick auf die großen Querschnittsthemen wie Digitalisierung, gesellschaftlichem Wandel und Nachhaltigkeit voranzutreiben.

Zugute kommt der gebürtigen Oberpfälzerin und Wahlregensburgerin dabei ihr Master-Studium an der TU München in Consumer Science, in dem sie sich mit nachhaltigem Konsum und nutzerzentriertem Innovationsmanagement beschäftigt hat. Berufserfahrung konnte sie anschließend als Projekt- und Innovationsmanagerin sammeln, wo sie sich unter anderem mit Online-Ethnographie („Netnography“) beschäftigte und dabei recherchierte, welche Bedürfnisse Kunden im Netz formulieren, um Produkte besser den tatsächlichen Bedürfnissen anpassen zu können.

Etwas für das Gemeinwohl bewegen

Dass sie sich letztendlich bei der Stadt Regensburg für die neu geschaffene Stelle als Cross-Innovation-Managerin bewarb, kam nicht von ungefähr, hatte sie doch längst in der Domstadt Wurzeln geschlagen. „Dieser Job hat einfach perfekt für mich gepasst, weil ich etwas bewegen möchte für das Gemeinwohl in der Stadt, in der ich lebe“, sagt sie. Im April 2022 bezog sie ihr Büro im Degginger. Seither arbeitet sie daran, neue Formen der Zusammenarbeit zu stärken. Ein erster Schritt ist es, die bereits bestehenden Cluster, also netzwerkartig miteinander verbundene Unternehmen, Organisationen und Institutionen, näher zusammenzubringen. In Regensburg sind das beispielsweise der BioPark, die Energieagentur, das Cluster Mobility & Logistics, die Bereiche Sensorik und IT-Sicherheit oder die Kreativbranche. Dazu nimmt sie Kontakt mit den einzelnen Akteuren auf, lädt zu Cross-Cluster-Workshops ein und versucht so Synergieeffekte zu erzeugen, gemeinsame Ziele zu definieren und vorhandene Ressourcen zu nutzen, die den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Regensburg weiter voranbringen. „Es geht mir darum, sichtbar zu machen, was es in dieser Stadt bereits alles gibt. Das ist wichtig, um das Bestehende zu stärken und neue Verknüpfungen herzustellen“, unterstreicht sie.

Fotografie: Mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen, die das Smart-City-Projekt R_NEXT betreuen, arbeitet Andrea Wöhrl eng zusammen.
Mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen, die das Smart-City-Projekt R_NEXT betreuen, arbeitet Andrea Wöhrl eng zusammen. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Die Bürger mit einbeziehen

In einem weiteren Schritt sollen die Bürgerinnen und Bürger stärker mit einbezogen werden, denn: „Wenn man die Menschen dort, wo sie selbst betroffen sind, nicht mitnimmt, dann werden Lösungen auch nicht angenommen“. Deshalb arbeitet sie ganz besonders an kreativen Methoden, um Kommunikation zwischen unterschiedlichen Gruppen zu ermöglichen. Dass das in Regensburg nicht immer einfach ist, ist ihr durchaus bewusst. Und gerade deshalb geht es ihr auch darum, die bislang noch schweigende Mehrheit deutlich mehr in Diskussionen mit einzubinden. „Wer möchte sich denn nicht einbringen, wenn er oder sie die persönlichen Vorteile erkennt?“, fragt sie und fügt hinzu: „Ich will Lust auf Stadtgestaltung machen!“

Sie möchte deshalb Hemmschwellen abbauen und Innovationen direkt zu den Menschen bringen. „Möglichkeitsräume schaffen“, nennt sie das und arbeitet diesbezüglich eng mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen, die das Smart-City-Projekt R_NEXT betreuen. Das Smart City Team setzt dabei sowohl auf analoge wie auch auf digitale Angebote zum Mitmachen. Beispielweise indem das Förderprojekt und die ersten geplanten Maßnahmen im Pop-Up Raum des Degginger vorgestellt werden, Stadtspaziergänge die Smart City Projekte in der Stadt näherbringen oder Möglichkeiten geschaffen werden, Ideen für das smarte Regensburg einzubringen. „Ich möchte bewusstmachen, dass sich jeder einbringen kann, egal ob er sich für kreativ hält oder nicht.“ Und ganz wichtig: Beteiligung soll Spaß machen!

Fotografie: Bei einem Planspiel mit Legosteinen werden kreative Lösungen gesucht.
Bei einem Planspiel mit Legosteinen werden kreative Lösungen gesucht. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Herausforderungen als Chance begreifen

Derzeit entstehen im ersten und zweiten Obergeschoss des Degginger außerdem Arbeitsbereiche, die innovative und kreative Menschen und Unternehmen tage- oder wochenweise mieten können, und damit neue Möglichkeiten auszuloten, Kontakte zu knüpfen und Netzwerke zu bilden.

Durch die Pandemie, den Ukraine-Krieg und die Energiekrise habe sich viele neue Fragen eröffnet. Darauf Antworten zu finden, auch das ist Andrea Wöhrls Aufgabe. Deshalb recherchiert sie im Internet, führt Interviews, schaut sich in anderen Städten um und lässt sich dort inspirieren, um kreative Lösungen erarbeiten zu können. „Wir stehen derzeit vor vielen und großen Herausforderungen“, meint sie, „aber die begreife ich durchaus auch als Chance.“

Fotografie: Andrea Wöhrl fotografiert in einer Gasse.
In ihrer Freizeit ist Andrea Wöhrl leidenschaftliche Fotografin. © Andrea Wöhrl

Nachhaltige Lösungen erarbeiten

Nachhaltigkeit ist dabei ein ganz wesentlicher Aspekt, der ja bereits in ihrem Studium eine wichtige Rolle gespielt hat. Und Nachhaltigkeit bestimmt ihr berufliches wie ihr privates Leben. „Ich mache als Ausgleich zur Büroarbeit gerne was mit den Händen“, sagt sie. Deshalb schreinert sie selbst, restauriert alte Möbel, schöpft neues Papier aus altem und bäckt seit dem ersten Lockdown ihr Brot selbst.

Ihre Leidenschaft gilt aber der Fotografie. „Meine Kamera ist immer mit dabei“, sagt sie. „Seit meinem 16. Lebensjahr ist das ist meine Art, mich auszudrücken.“ Weil sie es liebe, Emotionen festzuhalten, fotografiert sie gerne und häufig auch auf Hochzeiten. Die unbeobachteten Momente seien dabei von besonderer Aussagekraft. „Deshalb versuche ich, mich so unsichtbar wie möglich zu machen. Die Leute sollen gar nicht merken, dass ich auf den Auslöser drücke.“

Die Kamera verändert auch ihren Blick auf die Stadt, die sie seit ihrer Kindheit kennt und liebt, lebten doch ihre Großeltern im Umland. Auch ihr Mann hat hier studiert. „Regensburg ist nicht zu groß und hat aber doch alles, was man zum Leben braucht“, fasst sie zusammen und bezeichnet die Stadt als „schöne Mitte“ zwischen ihrer Heimat in der nördlichen Oberpfalz und ihren Freunden am Studienort München.

Text: Dagmar Obermeier-Kundel