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Altstadtkümmerer Stephan Bergmann: „Wir wollen eine Stadt für alle“

Zu einer pulsierenden, lebendigen Altstadt gehören unterschiedliche Akteure. Dass dabei auch Konflikte entstehen können, ist unvermeidbar. Deshalb ist ein Ansprechpartner wichtig, der vermittelt und bei Fragen und Problemen kompetent berät. In Regensburg macht das Altstadtkümmerer Stephan Bergmann.

Fotografie: Stephan Bergmann auf der Steinernen Brücke
Koordinator und Moderator – das ist die Rolle des Altstadtkümmerers. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

18. Januar 2022

Die Fußstapfen, in die der Diplom-Geograf getreten ist, sind groß. Im August 2021 hat Bergmann nämlich die Nachfolge von Alfred Helbrich angetreten, einer Institution in Regensburg, die jeder in der Altstadt kannte und schätzte. Bergmann empfindet das nicht als Nachteil. „So wissen schon mal alle Leute Bescheid, dass es einen Altstadtkümmerer gibt“, meint er. Und die persönlichen Kontakte sind wichtig, denn nur so kann er seiner Funktion gerecht werden.

Seine vordringlichste Aufgabe sieht der 40-Jährige darin, „Veränderungen, die auf die Altstadt einprasseln, zu koordinieren, zu moderieren und zu steuern“. Dabei sei es immens wichtig, nie den Kontakt zu den Menschen zu verlieren, betont er. Deshalb sucht Bergmann, wo immer es geht, das Gespräch. Sei es mit den Altstadtkaufleuten, den Gastronomen, den Immobilienbesitzern, den Vertretern der Personenschifffahrt oder den Hoteliers auf der einen Seite, genauso aber auch mit all denjenigen, die bei der Stadtverwaltung mit der Entwicklung der Innenstadt zu tun haben. Wenn z. B. Tiefbauamt, Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehrsplanung oder das Bauordnungsamt Pläne zur Entwicklung der Altstadt schmieden oder gemeinsam Lösungen erarbeiten, dann sitzt Stephan Bergmann häufig mit am Tisch.

Fotografie: Im Gespräch mit den Altstadtkaufleuten versucht Stephan Bergmann auszuloten, wo es Handlungsbedarf gibt.
Im Gespräch mit den Altstadtkaufleuten versucht Stephan Bergmann auszuloten, wo es Handlungsbedarf gibt. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Begegnungsräume schaffen

Angesiedelt ist die Stelle des Altstadtkümmerers beim Amt für Wirtschaft und Wissenschaft, Abteilung Wirtschaftsförderung. Dennoch ist es Bergmann wichtig zu betonen, dass es ihm mitnichten ausschließlich um die Ansiedlung von Unternehmen im Bereich der Altstadt geht, sondern darum, die multifunktionelle „Altstadt für alle“ weiter zu etablieren und diese zukunftsfähig zu machen.

Dass Regensburg dabei auf einem sehr guten Weg ist, kann der gebürtige Westfale nur bestätigen. Nach Berufserfahrungen als Altstadtkoordinator von Kelheim und Geschäftsführer des Tourismusvereins Altes Land bei Hamburg, weiß er, worauf es ankommt. „Wir müssen Begegnungs- und Kommunikationsräume für die Menschen schaffen“, sagt er. „Das sind Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche innerstädtische Entwicklung, die die Stadtverwaltung mitgestaltenkann – und Regensburg verfolgt diesen Weg konsequent und erfolgreich!“

Ein Meilenstein sei dabei die Sanierung der zentralen Fußgängerzone in den letzten Jahren gewesen. Konsumfreie Sitzmöglichkeiten, (Trinkwasser-)Brunnen, Stadtbegrünung, aber auch die Stärkung der Außengastronomie hätten wesentlich dazu beigetragen, die Altstadt attraktiv zu gestalten, meint Bergmann. Dabei sei es sehr wichtig, auch die Bürgerinnen und Bürger mit einzubeziehen. Aktuell verweist er auf die Bürgerbeteiligung „Verkehrsberuhigung Altstadt“, deren Ziel es ist, Umweltschutz und eine noch größere Aufenthalts- und Lebensqualität mit einer bestmöglichen Erreichbarkeit zu vereinen. Dass aufgrund unterschiedlicher Positionen Reibungsenergie entstehe, sieht er gelassen. „Das ist normal und Energie ist ja im Prinzip etwas Positives, denn daraus kann Neues entstehen.“

Fotografie: Sitzmöglichkeiten am St.-Kassians-PlatzKonsumfreie Sitzmöglichkeiten steigern die Aufenthaltsqualität in der Altstadt. © Bilddokumentation Stadt Regensburg
Fotografie: Begrünung Innenstadt
Die Begrünung der Innenstadt sorgt auch für ein besseres Klima. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Kein Heilsbringer, sondern Lotse

Aufgabe der Stadt sei es, neben der Gestaltung der Rahmenbedingungen auch den Erneuerungsprozess zu moderieren und bei Interessenskonflikten einzugreifen. Das vor allem ist die Herausforderung, der sich der Altstadtkümmerer stellen muss. Aber er schränkt auch ein: „Ich bin kein Heilsbringer, eher ein Lotse, der steuernd, beratend und moderierend eingreift. Wir können es niemandem abnehmen, Eigeninitiative zu entwickeln.“

Nachtleben, Tourismus, Gastronomie, Einkaufen, Wohnen, Kultur und Arbeiten – in der Regensburger Altstadt prallen viele unterschiedliche Interessen auf engstem Raum aufeinander. Kommunikation ist dabei ein wichtiges Mittel, um Konflikte zu verhindern. Projekte wie der Runde Tisch Altstadt oder Fair Feiern bezieht Bergmann dabei genauso gerne in seine Strategie mit ein wie die zahlreichen Einzelgespräche. 

Auch das Corona-Virus hat natürlich seine Spuren in der Altstadt hinterlassen. Die Schließung von Clubs und Diskotheken, aber auch der Innengastronomie und die damit verbundene Verlagerung nach draußen waren sicherlich eine Herausforderung für ruhebedürftige Altstadtbewohner, die schon in pandemiefreien Zeiten in Teilbereichen eine gewisse Lärmtoleranz mitbringen. Dennoch habe die Vielfalt der unterschiedlichen Freisitzangebote der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt sehr gut getan, meint Bergmann. 

Auch der Einzelhandel wurde und wird immer noch von der Krise gebeutelt. Und dennoch gibt es Strategien, die herausführen. „Das Thema ‚E-Commerce‘ beschäftigt uns ja schon seit etwa 15 Jahren intensiv. Corona hat diesen Trend nur noch verstärkt, und ich bin mir sicher, dass ein Teil der Kundschaft diese Wege auch über die Pandemie hinaus intensiver nutzen wird.“ Bergmann ist trotzdem nicht bange vor der Zukunft. Der Einzelhandel sei seit jeher großen Veränderungen unterworfen gewesen und habe sich auch in der Vergangenheit stets als extrem anpassungsfähig erwiesen. Auf diese Anpassungsfähigkeit setzt er auch jetzt. „Click & Collect“ sei da nur ein Stichwort. „Ich bin mir sicher, dass der Großteil der Betriebe die Krise überstehen und gestärkt aus dieser Phase hervorgehen wird, weil er sich den geänderten Bedingungen anpasst“, unterstreicht er. „Die Kundschaft schätzt das Angebot der individuellen, inhabergeführten Läden und wird das auch in Zukunft tun. Eine immer größere Kundschaft informiert sich zudem online und kauft dann zielgerichtet im Geschäft vor Ort ein. Der stationäre Handel kann insbesondere mit erstklassigem Service und einem Einkaufserlebnis vor Ort gegenüber den großen Onlineportalen punkten.“

Leerstände schmerzen

Eine gewisse Fluktuation sei dabei völlig normal und auch nötig, um Entwicklung zu ermöglichen. Aber natürlich schmerze es, wenn Gebäude in exponierten Lagen über längere Zeit Leerstände verzeichnen müssten. „Das stört nicht nur den Gesamteindruck, es beeinflusst die gesamte Attraktivität des Standortes“, erklärt er. Die Entwicklung sei in Regensburg noch nicht wirklich besorgniserregend, müsse aber beobachtet werden. 4,7 Prozent habe die Leerstandsquote bezogen auf die Gesamtverkaufsfläche 2019 betragen, im September 2021 war sie auf 7,7 Prozent gestiegen. Aber auch hier steht der Altstadtkümmerer in engem und vertrauensvollem Kontakt mit den Immobilienbesitzern. Dabei kann er auf eine Datenbank zurückgreifen, die auf der einen Seite die zur Verfügung stehenden Flächen beinhaltet und auf der anderen Seite potenzielle Interessenten auflistet, und so Angebot und Nachfrage zusammenführen. Wichtig dabei ist aber immer auch, dass die Stadt ihre Neutralität wahrt. „Wir freuen uns, wenn es zu einem Abschluss kommt, aber wir mischen uns nicht in die Verhandlungen ein und bekommen selbstverständlich auch keine Prämie.“

Eine florierende Altstadt, die attraktiven Lebens- und Begegnungsraum bietet – das ist das Ziel, das Bergmann gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Amt für Wirtschaft und Wissenschaft und aus der gesamten Stadtverwaltung verfolgt. Daran arbeitet er mit Herzblut, denn er ist sich sicher: „Die Regensburger Altstadt ist ein Juwel. Und das sage ich nicht, weil sie mein Job ist.“

Text: Dagmar Obermeier-Kundel