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Infrastrukturprojekt: Geplantes Industriegebiet am Ostbahnhof

Planungs- und Baureferentin Christine Schimpfermann und Wirtschaftsreferent Prof. Dr. Georg Stephan Barfuß beantworten die wichtigsten Fragen zu dem geplanten Industriegebiet am Ostbahnhof.

Fotografie: Containerdepot bzw. Industriegebiet Ostbahnhof aus der Vogelperspektive
Geodaten der Stadtverwaltung Regensburg © Stadt Regensburg, Amt für Stadtenwicklung (Urheber ArcTron 3D GmbH)

13. Dezember 2021

Herr Prof. Dr. Barfuß, was genau ist am Ostbahnhof geplant?

Prof. Dr.  Barfuß: Die DB Intermodal Services GmbH möchte am Ostbahnhof ein Container Service Center errichten. Dort werden Leercontainer gewartet, gereinigt und für den nächsten Einsatz vorbereitet, damit die zum Export vorgesehenen Waren und Ersatzteile zügig in die Häfen zum Weitertransport auf dem Seeweg verbracht werden können.
Von der Funktionsfähigkeit dieser Lieferketten und Warenströme hängen viele Arbeitsplätze in unserer Stadt ab. Wenn wir dabei umweltfreundliche Transportmittel stärken, leisten wir auch noch einen wertvollen Beitrag zu mehr Lebensqualität in unserer Stadt und weit darüber hinaus. Und vergessen wir eines nicht: Die Erfahrungen aus dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 haben gezeigt, was die Unterbrechung von Lieferketten auch für uns alle bedeuten kann, dass nämlich sogar Dinge des täglichen Bedarfs zur Mangelware werden können. Dazu kommt, dass wir in Zukunft noch mehr als bisher den sogenannten Kombinierten Verkehr zugunsten eines hohen Anteils der Schiene am sogenannten „modal split“, der Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsträger, stärken müssen, um unsere Klimaziele zu erreichen. Wir haben uns mit dem Regensburger Green Deal im Sommer dieses Jahres ein ambitioniertes Ziel von 65 Prozent Reduktion an Treibhausgasen bis 2030 gesetzt und stehen zum Pariser Klimaabkommen. Dabei bildet die Stärkung der umweltfreundlichen Schiene einen ganz wichtigen Baustein.

Warum ausgerechnet an dieser Stelle?

Prof. Dr.  Barfuß: Das Planungsgebiet zwischen Odessa-Ring und dem angrenzenden Güterverkehrszentrum bzw. den Industrie- und Gewerbeflächen entlang der Siemensstraße punktet mit seiner ausgezeichneten Lage und der direkten Anschlussmöglichkeit an die Bahnstrecke Regensburg-München/Passau. Das Gebiet kann aus allen wichtigen Güterverkehrskorridoren und allen Himmelsrichtungen ohne Umwege per Schiene angefahren werden. Im Stadtgebiet haben wir die für Einrichtungen dieser Art unerlässliche Nähe zu den verladenden Industrie- und Gewerbebetrieben – vor allem im Regensburger Osten und Südosten – und für das geplante Service Center nicht weniger bedeutsam, zum Umschlagterminal des Kombinierten Verkehrs an der Robert-Bosch-Straße. Hinzu kommt, dass der nachgeordnete oder vorgelagerte Lkw-Verkehr schnell über die nahe Bundesautobahn A 3 zufahren bzw. abfließen kann, ohne dabei Wohngebiete queren zu müssen. Diese Verkehrsanbindung ist nahezu ideal. Mein Fazit: es gibt keinen besser geeigneten Standort in Regensburg für diese Infrastruktureinrichtung.

Frau Schimpfermann, wie ist der aktuelle Stand der Planungen?

Schimpfermann: Momentan geht es darum, Baurecht für das Planungsgebiet am Ostbahnhof zu schaffen. Die Grundlage dafür wurde bereits im November 2016 mit dem Aufstellungsbeschluss für das Bebauungsplan-Verfahren gelegt. Da im Plangebiet nicht nur die DB Intermodal Vorhaben realisieren wird, und die Projekte der anderen Grundstückseigentümer noch nicht feststehen, konnte kein vorhabenbezogener Bebauungsplan durchgeführt werden; es wurde das normale Bebauungsplanverfahren gewählt. Am 19. Oktober 2021 hat der Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen die öffentliche Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfes beschlossen. Bürgerinnen und Bürger hatten bis zum 22. Dezember 2021 die Möglichkeit, sich den Entwurf mit all seinen Bestandteilen und notwendigen Gutachten anzusehen und Anregungen einzubringen.

Wie geht es danach weiter?

Schimpfermann: Nach Beendigung der Auslegung und der parallel hierzu stattfindenden Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange (Umweltverbände, Wirtschaftsverbände etc.) werden die vorgebrachten Stellungnahmen analysiert und bewertet. Sollten keine Einwände vorliegen, die zu einer Planänderung führen, würde im nächsten Schritt der Satzungsbeschluss vorbereitet, mit dem der Bebauungsplan Rechtskraft erhält.

Wie werden die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner berücksichtigt?

Schimpfermann: Unmittelbar nach dem Aufstellungsbeschluss wurde eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt, von der damals rege Gebrauch gemacht wurde. Im nachfolgenden Planungsprozess galt es, die unterschiedlichen Interessen und Ziele aufeinander abzustimmen. Wir haben uns sehr intensiv mit dem Planungsgebiet beschäftigt. Eine Vielzahl von Analysen und Gutachten mussten erarbeitet und bewertet werden, damit die unterschiedlichen Erkenntnisse aus Themenbereichen, wie zum Beispiel Verkehr, Schallschutz, Natur- und Artenschutz, im Bebauungsplan-Entwurf berücksichtigt werden konnten. Dabei haben wir sehr bewusst und besonders intensiv den Blick darauf gelenkt, dass dieses Gebiet zwar überwiegend in einer stark gewerblich geprägten Umgebung liegt, aber eben nicht ausschließlich: Insbesondere in nördlicher Richtung zum Hohen Kreuz hin ist ein Umfeld, in dem das Wohnen die vorherrschende Nutzung ist. Das erschwerte zwar die Planungsaufgabe, aber wir haben sehr viel Sorgfalt darauf verwendet, auf die berechtigten Schutzbedürfnisse der Menschen, die dort wohnen, einzugehen.

Was bedeutet das zum Beispiel beim Thema Schallschutz?

Schimpfermann: Im Rahmen des Verfahrens wurden alle schutzbedürftigen Orte im Umfeld des Ostbahnhofes analysiert und sogenannte Immissionsorte festgelegt. Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass diese Orte entsprechend ihrer Nutzung – beispielsweise Wohnnutzung – und auf der Grundlage von technischen Regelwerken nur einem bestimmten, vorgegebenen Schallwert, also Lärm, ausgesetzt werden dürfen. Solche Orte finden sich zum Beispiel im Hohen Kreuz, an der Landshuter Straße und in Burgweinting. Und auch zukünftige Planungen wie die Entwicklung der ehemaligen Prinz-Leopold-Kaserne werden dabei bereits berücksichtigt. Von diesem Schutzanspruch ausgehend wurden dann auf den Flächen des zukünftigen Industriegebietes sogenannte Lärmemissionskontingente festgesetzt. Diese Werte geben an, wie viel Lärm Nutzungen im Industriegebiet erzeugen dürfen – oder anders gesagt: wie leise die Nutzungen sein müssen, damit an den umliegenden Immissionsorten, also zum Beispiel Wohnhäusern im Hohen Kreuz, die zulässigen Richtwerte eingehalten werden. Die Lärmemissionskontingente wurden so festgesetzt, dass keine aktiven Schallschutzmaßnahmen – wie Schallschutzwände oder ähnliches – notwendig sind, damit im Umfeld des Ostbahnhofes die Werte eingehalten werden können. Ich gebe zudem zu bedenken, dass solche Anlagen am Rande eines über acht Hektar großen Gebietes wenig sinnvoll sind, da sich Schall immer in Wellen ausbreitet. Der Lärm, der beispielsweise in der Mitte des Gebietes entstehen könnte, würde sicherlich zu einem gewissen Anteil über die Schallschutzanlage schwappen. Da ist die Kontingentierung die wesentlich effektivere Maßnahme zum Schutz der berechtigten Interessen Dritter. Alle gesetzlichen Vorgaben werden an den bestehenden Immissionsorten eingehalten. Deshalb wird das neue Service Center nur am Tag auf dem Gelände des Ostbahnhofes arbeiten können, in der Nacht wird es eine andere Lösung geben müssen. Im Wesentlichen geht es dabei um das Auf- und Abladen.

Wie sieht es mit dem Artenschutz aus?

Schimpfermann: Auch in Bezug auf den Natur- und Artenschutz wurden umfassende Untersuchungen mit dem Ziel durchgeführt, erforderliche Eingriffe an geeigneter Stelle wieder angemessen auszugleichen. Der durch die Planungen verursachte Eingriff in Natur und Landschaft muss dabei zunächst entsprechend bewertet und dann sowohl im Gebiet selbst als auch an anderer Stelle ausgeglichen werden. Hierzu werden inner- und außerhalb des Planungsgebietes Flächen entsprechend der Bilanzierung bereitgestellt. Der Ausgleich erschöpft sich dabei nicht in der Bereitstellung einer Ersatzfläche, sondern wird von ganz konkreten Ausgleichsmaßnahmen in Form detailliert vorgegebener Baum- und Heckenpflanzungen begleitet. Zudem wurde im Vorfeld der Artenschutz begutachtet. Entsprechende Flächen und Maßnahmen beispielsweise für geschützte Arten wie die Dorngrasmücke und den Stieglitz sind vorgesehen und müssen vor dem Eingriff in deren Lebensräume hergestellt werden.

Und die zusätzliche Verkehrsbelastung?

Schimpfermann: Das Industriegebiet am Ostbahnhof ist verkehrsgünstig an das bestehende Straßennetz angeschlossen. Über die Max-Planck-Straße beziehungsweise die Siemensstraße gelangt der Verkehr, der über die Straße abgewickelt wird, entweder auf den Odessa-Ring oder unmittelbar über die nahegelegene Anschlussstelle Regensburg-Ost an das überregionale Straßennetz mit der Bundesautobahn A3. Die DB Intermodal Services GmbH hat dabei verdeutlicht, dass weit über 90 Prozent der in das neue Service Center ein- und ausfahrenden Lkw aus Richtung Autobahn kommen bzw. dorthin abfließen werden.

Im Plangebiet selbst erfolgt die innere Erschließung über neue Planstraßen, die entweder auf vorhandenen Verkehrswegen aufbauen, diese gegebenenfalls ertüchtigen oder auch gänzlich neugebaut werden. Durch das DB-Projekt am Ostbahnhof wird eine Stärkung des Schienenverkehrs und somit im Kombinierten Verkehr eine Entlastung anderer Verkehrsträger begünstigt. Dies ist aus Klimagesichtspunkten insbesondere für den LKW-im Schwerlastverkehr natürlich erwünscht.

Text und Interview: Dr. Jan-Erik Beuttel, Lothar Backhaus