Rede von Oberbürgermeisterin Getrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich des Gedenkweges zum 23. April 1945 - Beginn des Todesmarsches aus der KZ-Außenstelle Colosseum und Bürgerforderung nach gewaltfreier Übergabe der Stadt Regensburg. Colosseum am Stadtamhof, 23. April 2022, 18 Uhr
"Liebe Regensburgerinnen und Regensburger, ich freue mich außerordentlich, dass wir nach zwei Jahren nun endlich wieder diese wichtige Gedenkveranstaltung gemeinsam und in Präsenz begehen können, um zusammen der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.
Ich bedanke mich herzlich bei der Arbeitsgemeinschaft ehemaliges KZ Flossenbürg, der katholischen und der evangelischen Kirche, der Jüdischen Gemeinde, den Zeugen Jehovas, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, dem Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten wie auch allen anderen mitwirkenden Initiativen und Institutionen sowie den zuständigen und beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Regensburg, die diese gemeinsame Veranstaltung heute erneut möglich gemacht haben.
Gerade, weil wir aufgrund der Corona- Pandemie nicht die Möglichkeit hatten, in den letzten zwei Jahren diesen für Regensburg ganz besonders wichtigen Gedenktag zusammen zu begehen und gerade, weil wir während der Pandemie gesehen haben und sehen, wie und wo sich nach wie vor Menschen radikalisieren, gerade deswegen ist es so immens wichtig, dass wir Gedenktage wie heute so zahlreich und sichtbar begehen.
Ich spreche nicht nur von Maßnahmen- Gegnerinnen und Gegnern der Corona-Politik, die sich weigern, sich von Teilnehmenden aus der rechtsextremen Szene zu distanzieren - oder die es auch nicht problematisch sehen, wenn VIPs der rechten Szene sogar selbst auf ihren Veranstaltungen sprechen. Ich spreche auch von denen, die mit aller Gewalt versuchen, die Geschehnisse aus unserer Vergangenheit, die Verbrechen der Nazis, durch herbeikonstruierte Vergleiche zu relativeren. Nein, die unmenschlichen Gräueltaten von damals haben absolut nichts gemein mit der Pandemiepolitik heute.
Natürlich darf man die Politik kritisieren, natürlich darf man damit nicht einverstanden sein und eine andere Meinung dazu haben und natürlich darf man diese auch öffentlich kundtun.
Wer sich aber durch diese fadenscheinige Propaganda einiger blenden lässt, wer sich so radikalisiert, dass er öffentlich nur noch mit Hass und Hetze argumentieren kann, wer Gewalttaten gegen Staat, Politikerinnen und Politiker plant oder dazu aufruft, der hat weder verstanden, was die Stärke einer Demokratie ist, noch was es bedeutet in einer tatsächlichen Diktatur zu leben. Und er hat auch ganz sicher nicht verstanden, warum solche Gedenktage, wie dieser hier und heute so wichtig sind.
Seit Jahren haben Fake-News, Hass und Hetzte Zulauf – seit Jahren organisieren sich Demokratiefeinde mit extremem Gedankengut – seit Jahren werden antisemitische und rechtsradikale Inhalte in verschiedenen Chatgruppen geteilt und seit Jahren nimmt die Gefahr durch Rechtsextremismus zu.
Es wird endlich Zeit, dass sich die schweigende Mehrheit erhebt und diesem gefährlichen Gedankengut widerspricht und sich dem entgegenstellt.
Nicht nur an Tagen wie heute, nicht erst dann, wenn erneut zu einer Mahnwache aufgerufen wird, sondern immer und überall. Sei es in der Arbeit gegenüber Kolleginnen und Kollegen oder sei es im eigenen Bekanntenkreis oder innerhalb der Familie. Es ist unser aller Aufgabe als Demokratinnen und Demokraten, die aus unserer eigenen Geschichte gelernt haben, gestern, heute und morgen.
Meinen Herzlichen Dank Ihnen allen für Ihr Engagement und die Organisation. Auch gilt mein Dank allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich heute und bei vielen anderen Gelegenheiten dafür einsetzen, dass wir nicht vergessen, sondern wir uns unserer Geschichte und unserer besonderen Verantwortung bewusst sind.
Ich freue mich auch, Ihnen bei dieser Gelegenheit mitteilen zu dürfen, dass unsere lokale Stolpersteingruppe noch im Mai 2022 Stolpersteine für den Domprediger Dr. Johann Maier und Alois Zirkl, verlegen wird.
Vielen Dank."