- Es gilt das gesprochene Wort -
Lassen Sie mich bitte anlässlich dieses besonderen Geburtstags von Oberbürgermeisterin a.D. Christa Meier mit einem sehr persönlichen Bekenntnis beginnen.
Liebe Christa,
ohne Dich stünde ich nicht hier.
Ohne Dich wäre ich vielleicht nicht Politikerin geworden.
Für mich, wie für viele Frauen bist Du ein Vorbild.
Herzlichen Glückwunsch zu Deinem 80. Geburtstag – Gesundheit, Freundschaft und Zuversicht!
Ich freue mich sehr, Dich und alle, die wir uns heute zu Deinem Geburtstag hier versammelt haben, daran erinnern zu dürfen, was Du für diese Stadt mit all ihren Bürgerinnen und Bürgern geleistet hast.
Am Nikolaustag des Jahres 1941, mitten im 2. Weltkrieg, erblickte Christa Stangl
das Licht der Welt. Damals konnte sich weder jemand vorstellen,
- dass dieses neugeborene Mädchen einmal die Geschicke Regensburgs und Bayerns entscheidend mitgestalten würde,
- noch, dass dieses Mädchen einmal die erste
Oberbürgermeisterin einer bayerischen Großstadt werden würde und damit viele Frauen darin bestärken würde, sich ebenso wie sie in der Politik zu engagieren.
1990, mit 48 Jahren, wurde Christa Meier Oberbürgermeisterin von Regensburg. Auf der Strecke dorthin lagen Fleiß, Engagement und ein feines Gespür für die Menschen in ihrer Heimatstadt, vom Städtebau über die Verkehrsplanung bis hin zur Bildung.
Als Lehrerin erkannte sie in jedem Kind eine große Begabung, ganz egal aus welchem Elternhaus es kommen mochte. Und noch heute kann jedes Kind in ihr eine Art Komplizin erkennen.
Jedes Kind erinnert Christa Meier an die eigene Geschichte.
Aufgewachsen am Galgenberg und im Kasernenviertel verlor sie als Dreijährige den Vater. Er war im Krieg gefallen. Die berufstätige Mutter war nun allein und übertrug ihren beiden Kindern früh Verantwortung.
Nach dem Abitur studierte Christa Pädagogik für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Bildung war in der eigenen Entwicklung ein so unendlich wertvolles Gut geworden. Das galt es weiterzugeben an diejenigen, die es am dringendsten brauchten, denen der Weg zu höherer Bildung aufgrund ihrer Herkunft vielleicht nicht vorgezeichnet war.
1964 heiratete Christa Meier den Architekten und Innenarchitekten Ludwig Meier und ging mit ihm nach Aachen in Nordrheinwestfahlen.
Dort trat sie 1966 in die SPD ein, weil diese Partei vertrat, was ihr in jungen Jahren besonders wichtig geworden war: Bildung und Abrüstung. Mit den Erfahrungen einer Kriegswaisen stand sie jeglichen Aufrüstungsbestrebungen in der jungen Bundesrepublik höchst kritisch gegenüber. Bildung dagegen war in ihren Augen ein Wert, der Menschen vielleicht einmal ganz und gar davon abhalten könnte, zu den Waffen zu greifen.
Im politischen Engagement Christa Meiers bekamen Mädchenbildung und die Gleichberechtigung der Geschlechter einen besonderen Stellenwert.
Trotz der im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung von Männern und Frauen, durfte eine Frau noch bis 1977 nur dann berufstätig sein, wenn ihr Ehemann dazu die Zustimmung gab und das – ich zitiere – „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war.
Für Christa Meier, die erlebt hatte, wie ihre Mutter als Kriegerwitwe allein den Alltag zwischen Beruf und zwei Kindern organisierte, war das blanker Hohn. Selbstverständlich forderte sie die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ein und setzte die Geschlechterfrage auf die Agenda ihres politischen Handelns.
Doch ist es Christa Meier noch heute wichtig, die Gleichberechtigungsfrage nicht als Sonderaufgabe zu behandeln, sondern als Parameter, der alle Arbeitsfelder in Politik und Gesellschaft durchdringt, als Querschnittsaufgabe.
Viele Jahre war Christa Meier Vorsitzende des SPD-Stadt- und Kreisverbandes Regensburg. Auf Versammlungen in der ganzen Region stellte sie sich den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Von 1979 bis 1985 war sie stellvertretende Landesvorsitzende der bayerischen SPD.
1978 wurde sie in den Bayerischen Landtag gewählt und war von 1982 bis 1990 Vorsitzende des Kulturpolitischen Ausschusses im Landtag.
Seit 1972 war sie Mitglied des Regensburger Stadtrats und gehörte diesem bis 2020 an – 48 Jahre!
Und weil sie sich schon vorher in Regensburg politisch engagierte und das noch immer tut, macht das gut und gerne ein halbes Jahrhundert politische Arbeit im Dienste unserer Stadt, – wahrscheinlich noch viel mehr.
Da wundert es nicht, dass ein wahrer Medaillenregen auf die Ausnahmepolitikerin niedergegangen ist.
Christa Meier ist Trägerin
- des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland,
- der Bayerischen Verfassungsmedaille
- der Kommunalen Verdienstmedaille Bayerns in Silber und in Gold
- des Verdienstkreuzes 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschlands
- sowie schließlich der Goldenen Bürgermedaille der Stadt Regensburg
Diese Auszeichnung hat der Magistrat der Stadt Regensburg 1913 für Persönlichkeiten ins Leben gerufen, die sich ganz außerordentlich um das Wohl und das Ansehen der Stadt verdient gemacht haben. Er hat gleichzeitig verfügt, dass nicht mehr als 25 lebende Personen, die Goldene Bürgermedaille der Stadt Regensburg tragen sollen.
Christa Meier ist eine von bisher insgesamt 20 verdienten Bürgerinnen und Bürger, die in mehr als 100 Jahren in den Besitz dieser Auszeichnung gelangten. 2011 wurde ihr die Goldene Bürgermedaille verliehen.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern hängt in Christa Meiers Verständnis eng zusammen mit den Lebensverhältnissen von Familien, mit Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Bildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene – als Grundvoraussetzung für ein Miteinander in der Demokratie.
All ihr gesellschaftspolitisches Streben setzt die SPD-Politikerin in die Verbesserung sozialer Verhältnisse. Zu einer lebenswerten Stadt gehören für Christa Meier der soziale Wohnungsbau ebenso wie Betreuungsangebote für Kinder aller Altersgruppen.
Schon als junge Stadträtin stritt Christa Meier zugunsten der historischen Altstadt gegen die autogerechte Stadt – und das lange bevor der hohe ideelle Wert der am besten erhaltenen mittelalterlichen Großstadt Deutschlands im kollektiven Bewusstsein der Stadtgesellschaft verankert war. Ohne Christa Meiers Veto gegen die autogerechte Stadt in den 70er Jahren hätte Regensburg den UNESCO Weltkulturerbe-Titel, der der Stadt 2006 verliehen wurde, höchstwahrscheinlich verspielt.
Statt das Ensemble der historischen Altstadt mit mehrspurigen Straßen zu durchschneiden, setzte sich Christa Meier für seine Entlastung vom motorisierten Verkehr ein und engagierte sich für Straßen, die außen herumführten, etwa für die Schwabelweiser Brücke mit Osttangente.
Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern bewahrte sie das Hotel Maximilian und das Kloster St. Klara vor dem Abriss.
Auch das 1898 vom jüdischen Kaufmann Simon Oberndorfer erbaute Velodrom sollte während ihrer Amtszeit abgerissen werden. Christa Meier stellte sich der Diskussion und setzte sich letztendlich auch für den Erhalt des Baudenkmals ein, das heute dem Theater Regensburg als Spielstätte dient.
In Christa Meiers Zeit als Oberbürgermeisterin gelang eine Hochwasserschutzplanung, die z.B. auf eine massive Hochwassermauer in Stadtamhof verzichtete. Ebenso brachte Meier die Planungsvorgaben für die Donau Arena und die Ein-hausung der Westumgebung unter Dach und Fach.
Die historische Altstadt stand für Christa Meier nie im Widerspruch zu einem modernen und nachhaltigen Wohnungsbau. In ihrer Amtszeit als Oberbürgermeisterin ist es ihr hervorragend gelungen, beides miteinander zu verbinden.
Von 1990 bis 1996 wurden verstärkt Mittel für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt. Für mehr Wohn- und Lebensqualität nutze Oberbürgermeisterin Meier alle Mittel zur Verkehrsberuhigung.
Christa Meier initiierte eine Reihe von fortschrittlichen Maßnahmen in Bezug auf die Kinderbetreuung. Zwischen 1990 und 1996 wurden rund 550 Kindergarten- und 300 Kinderhortplätze neu geschaffen. Und auch wenn die Einrichtung von Kinderkrippen für viele konservative und konfessionell geprägte Kräfte in der Stadtgesellschaft ein rotes Tuch war, Christa Meier wusste, im Sinne der Gleichberechtigung und Unabhängigkeit von Frauen, genießen diese Einrichtungen höchste Priorität.
Die Mittagsbetreuung an Schulen ist eine von Christa Meiers Erfindungen, die sie besonders stolz macht. Sie wurde 1991 an städtischen Schulen eingeführt. Erst Jahre später folgten staatliche Schulen diesem Beispiel.
Zur kommunalen Avantgarde gehörte die Regensburger Stadtverwaltung auch, als unter der Führung Christa Meiers als Oberbürgermeisterin das Umwelt- und das Seniorenamt eingeführt wurden. Diese beiden Ressorts, die heute völlig fraglos höchst relevant sind, gab es vor Meiers Amtsantritt noch nicht.
Bundesweit beispielgebend wurde ein neues Abfallwirtschaftskonzept oder die Einführung müllarmer Dulten und Christkindlmärkte.
Chapeau, liebe Christa. Bald übernahmen andere Städte Konzepte aus Regensburg.
Wofür wir Dich heute feiern, wurdest Du damals aber auch gescholten. Nicht alle Deine Kolleginnen und Kollegen im Regensburger Stadtrat erfassten die Dimension Deines politischen Handelns.
Kinderbetreuung? Der überwiegend konservativ ausgerichtete Stadtrat hielt dieses Thema in der politischen Diskussion der 90er Jahre für wenig zentral.
Umweltschutz? Ja klar, aber doch eher ein politischer Nebenschauplatz. Und Senioren? – Viele teilten Deine Weitsicht damals nicht.
Und heute? Die Zeitläufe geben Dir recht. Wie unglaublich zukunftsfähig Deine Entscheidungen waren, wissen heute auch Deine politischen Gegner von damals.
Noch heute bist Du Politikerin aus Überzeugung und arbeitest mit den Instrumenten des Dialogs. Der ehrliche, lebendige, offene Widerstreit von Argumenten ist Deine Art, die bestmögliche Lösung zu finden. Das ist Dein Verständnis vom demokratischen Miteinander.
Immer wieder wird deutlich wie vorausschauend Christa Meier bei aller Bürgernähe und Bodenhaftung gehandelt hat. Sie tut das noch heute. Wachen Auges engagiert sie sich für die Würde des Menschen getreu einer Maxime von Antoine de Saint Exupery:
„Mensch sein heißt Verantwortung fühlen: sich schämen beim Anblick der Not, auch wenn man offenbar keine Mitschuld an ihr hat.“
Zu Ihrem 80. Geburtstag bittet Christa Meier anstelle von Geschenken um Spenden für die Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye. Auch die Stadt Regensburg wird spenden.
Sea Eye ist die Initiative des Regensburger Unternehmers Michael Buschheuer, der im September 2015 mit Familienmitgliedern und Freunden begonnen hat, ein Schiff zur Seenotrettung ins Mittelmehr zu schicken. Bis heute hat der Verein mehr als 15.000 Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer gerettet.
Seit diesem Jahr ist nach der „Sea Eye“, dem „Seefuchs“ und der „Alan Kurdi“ ein weiteres Schiff im Einsatz. Es ist die „Sea Eye 4“. Eine Rettungsaktion mit diesem Schiff kostet 120.000 Euro.
Liebe Christa,
Dein Engagement, Deine Solidarität und Dein kritischer Geist werden mir sowie vielen, vielen anderen Menschen stets ein Vorbild sein. Vor einem Jahr haben wir im Stadtrat Deinen Abschied gefeiert und ich sehe, es war nur ein formaler Abschied. Du bist da, denkst und fühlst mit uns, zeigst und sagst, was Dir gefällt und was nicht.
Dafür danke ich Dir von ganzem Herzen.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.