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Holocaust Gedenktag 2021

Grußwort von Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich des Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Aufgrund der Pandemie kann in diesem Jahr leider keine Präsenzveranstaltung stattfinden. Das Video zur Online-Veranstaltung und die Rede der Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer finden Sie hier.

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-Es gilt das gesprochene Wort-

 

Liebe Regensburgerinnen und Regensburger,

 

heute ist der Internationale Holocaust-Gedenktag. Die Corona-Pandemie verhindert ein Zusammenkommen zum gemeinsamen Gedenken. Sie verhindert aber nicht, das weltweite Erinnern an die abscheulichen Verbrechen unserer Zeit und unser Gedenken derer, der Millionen Menschen, die systematisch ermordet wurden.

Auch aufgrund von Ereignissen, die wir alle in dieser Krise beobachten können, ist es immens wichtig, dass wir uns heute einmal mehr ins Bewusstsein rufen, welchen Einfluss das nationalsozialistische Regime auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens hatte und welche Folgen dieser Zeit bis heute spürbar nachwirken.

In der ersten Woche dieses Jahres stürmten Anhänger des abgewählten ehemaligen Präsidenten Donald Trump in Washington das Kapitol, um die Legitimierung des neugewählten Präsidenten der USA zu verhindern.

Dies war ein wesentliches Ergebnis jahrelanger und bewusster Desinformation durch Donald Trump. Durch die jahrelang gezielte dauerhafte mit Halbwahrheiten und Lügen gespickte Kommunikation, gelang es ihm eine große Gefolgschaft zu mobilisieren.

Dies führte schlussendlich am 06.01.2021 zu fünf Toten und zu den Bildern, die wir alle sehen konnten. Diese Bilder zeigen auch eine Person mit einem T-Shirt mit der Aufschrift: „Camp Auschwitz – Work brings freedom“.

Während mich und wahrscheinlich viele andere das sprachlos macht, möchte ich mir gar nicht vorstellen, was die noch lebenden Opfer des Nationalsozialismus und Jüdinnen und Juden hierbei empfinden müssen.

Wir müssen aber gar nicht erst mit dem Finger auf andere Staaten zeigen. Auch bei uns sind abartige, perfide und verachtenswerte Relativierungen der Verbrechen des Nationalsozialismus tagtäglich zu beobachten.

Sie kennen die Bilder aus Berlin und dem Versuch, den Deutschen Reichstag zu stürmen.

Sie kennen die Bilder von Judensternen mit der Aufschrift „ungeimpft“.

Sie kennen die Behauptungen, die Gesetze zu den Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen seien dem Ermächtigungsgesetz der Nazis gleichzusetzen und vielleicht kennen Sie auch das Bild von einer Demonstrantin, die die Gleichung „1933 = 2020“ auf ihrer Jacke trug. Das geschah in Regensburg.

Es ist, ganz besonders in Deutschland, einfach nicht zu ertragen, wenn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit die Geschehnisse während der NS-Herrschaft auf solch ekelhafte Art und Weise relativiert werden und dadurch das Andenken an die unzähligen Opfer derartig beschmutzt wird.

Wenn laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des ZDF ein Viertel der Befragten nichts mit dem Begriff „Holocaust“ anfangen kann und

wenn, wie kürzlich geschehen, Bereiche der Gedenkstätte Buchenwald für den privaten Wintersport und das eigene Vergnügen genutzt werden, dann haben augenscheinlich zu viele Menschen nichts begriffen.

Die Wissensvermittlung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen über die Geschehnisse des Nationalsozialismus muss auf den Prüfstand gestellt und reformiert werden. Das ist überfällig!

Obwohl es in unserer Gesellschaft zahlreiche Initiativen und Organisationen gibt, die sich seit Jahrzehnten größtenteils ehrenamtlich der Aufarbeitung widmen, ist das offensichtlich nicht ausreichend.

Es reicht nicht, an Tagen wie heute der Opfer zu gedenken. Es reicht nicht, vor den Gefahren des Nationalismus nur zu warnen und es reicht auch nicht mehr, „wehret den Anfängen“ zu predigen. Ich denke, wir sind schon über die Anfänge hinaus. Zahlreiche Beispiele, wie

Halle, Hanau, der Fall Walter Lübcke und der NSU zeigen dies ganz deutlich.

Unter den Nationalsozialisten wurde eine perfide und todbringende Ideologie durch Propaganda, durch Hass und Hetze und durch gezielte Falschinformation tief in der damaligen Gesellschaft verankert. Es waren nicht einige wenige Kriegsverbrecher, die diese dunkelste Zeit unserer Geschichte alleine zu verantworten haben. Es war die Mehrheit der Bevölkerung, die diese Ideologie und ihre mörderische Umsetzung geduldet und auch mitgetragen und teilweise eigenen Vorteil davon hatte.

Denken Sie hierbei nur an die vielen Enteignungen unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Oder an Firmen, die durch den Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern Produktion und Gewinn steigern konnten.

Die Taten der Nationalsozialisten griffen tief in die Gesellschaft ein und waren dort auch durchwegs bekannt. Dies zeigen unter anderem auch sehr eindrücklich die Krankenmorde und die sogenannte Aktion T4, benannt nach der in der Tiergartenstraße 4 in Berlin verorteten Bürozentrale, die für die koordinierte Ermordung behinderter Menschen zuständig war.

So schrieb Goebbels am 31. Januar 1941 in sein Tagebuch: „Mit Bouhler die Frage der stillschweigendene Liquidierung von Geisteskranken besprochen. 40.000 sind weg, 60.000 müssen noch weg. Das ist eine harte, aber auch notwendige Arbeit. Und sie muss jetzt getan werden.“

Auch in Regensburg wurde die T4-Aktion durchgeführt. So wurden mehrere hundert Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Karthaus-Prüll zwangssterilisiert und unmenschlich misshandelt.

In fünf Sammeltransporten wurden 642 Patienten aus Regensburg in die Tötungsanstalt Hartheim deportiert, wo sie vergast wurden. Knapp 1000 weitere Menschen starben in den Folgejahren an Hunger, Kälte und Verwahrlosung in der Regensburger Heil- und Pflegeanstalt. Diese Menschen, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, unsere Nachbarn, unsere Kinder und Familienmitglieder starben, weil sie geistig beeinträchtigt waren, weil sie nicht in das Bild einer übermächtigen „arischen Herrenrasse“ passten und weil sie als Ballast für die Gesellschaft gesehen wurden.  

Ich bin unserer lokalen Stolpersteingruppe sehr dankbar, dass sie im vergangenen September bei der letzten Verlegung der Gedenksteine, die Opfer dieser menschenverachtenden Tötungsaktion in den Fokus gerückt hat. Im Nachgang zu dieser Videobotschaft werden wir Ihnen diese Stolpersteine und die Opfer, derer damit gedacht wird, kurz vorstellen. Auch hier mein Dank an die Stolpersteingruppe für die Kooperation und das zur Verfügung gestellte Material.

Rund um das Thema zur Aktion T4 wird es über dieses Jahr verteilt mehrere Veranstaltungen geben. Die städtische Stabsstelle Erinnerungskultur, unser städtischer Inklusionsbeauftragter sowie unsere Antidiskriminierungsstelle werden hierzu in Kooperation mit Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Initiativen ein umfangreiches Programm anbieten.

Wir wollen als Stadt Regensburg alles tun, um unserer Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, den Opfern und den Hinterbliebenen gerecht zu werden. Der Kampf gegen das Vergessen und gegen den wieder erstarkenden Rechtsextremismus und Faschismus in all seinen Facetten muss wieder oberste Priorität in unserer Gesellschaft erhalten!

Lassen Sie uns diesen Kampf gemeinsam führen. Das sind wir den Opfern, unseren Kindern und den folgenden Generationen schuldig und das sind wir nicht zuletzt auch uns selber schuldig.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Bleiben Sie gesund und passen Sie aufeinander auf.