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Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht 2021

Rede von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich der Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht am 9. November 2021 in der Synagoge der jüdischen Gemeinde

-Es gilt das gesprochene Wort-

Liebe Regensburgerinnen und Regensburger,

in dieser Stunde des Erinnerns an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte gilt mein besonderer Gruß allen Mitgliedern unserer Jüdischen Gemeinde.

Wenn wir uns heute an den 9. November 1938 erinnern, an den Tag, an dem auch in unserer Stadt wie in vielen anderen Städten die Synagogen gestürmt, geplündert, verwüstet und zuletzt in Brand gesteckt wurden, dann ist das nicht nur ein jährlich wiederkehrender Gedenktag, sondern wir sind immer noch fassungslos und erschrocken.

83 Jahre sind nun mehr vergangen; eine lange Zeitspanne, in der sich aber auch viel für die Erinnerungs- und Gedenkkultur getan hat. So gibt es in verschiedenen Großstädten Dokumentationszentren, die unverzichtbare Aufklärungsarbeit über die Schrecken während der Nazizeit leisten. Zudem gibt es Ausstellungen und andere künstlerische Darbietungen, museale Aufarbeitung, Gedenkstätten in ehemaligen Vernichtungslagern, Zeitzeugenprojekte, Denkmäler und Mahnmale, um uns an diese dunkelste Epoche unserer Geschichte zu erinnern. Denkmäler und Mahnmale, die einen Ort für ein würdiges Gedenken an die Opfer schaffen und uns gleichzeitig mahnen sollen. Mahnen, dass es unsere Pflicht als liberale, pluralistische und tolerante Gesellschaft ist, so etwas niemals wieder zuzulassen.

Die wir hier zusammengekommen sind, unsere Generation und die folgenden, trifft zwar keine Schuld, der Verantwortung und den daraus erwachsenen Verpflichtungen wollen und müssen wir uns aber stellen.

Liebe Regensburgerinnen und Regensburger,

der Ort an dem wir uns heute versammelt haben, ist ein Ort des Gedenkens. Hier stand die 1912 erbaute Synagoge, die 1938 den nationalsozialistischen Flammen zum Opfer fiel, nur wenige Meter von hier am Neupfarrplatz, wurde 1519 bereits im Rahmen der mittelalterlichen Judenverfolgung eine Synagoge zerstört und die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden aus der Stadt vertrieben.

Zweimal haben wir es in unserer Stadt bereits zugelassen, dass durch Hass und Gewalt diese Verbrechen begangen wurden. Nicht nur unsere Geschichte, sondern auch die derzeitige Entwicklung zeigt uns, wie wichtig eine aktive und permanente Erinnerungs- und Gedenkkultur für uns als Gesellschaft, für alle Menschen in Regensburg ist. Auch in unserer schönen Stadt gibt es Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung. Dagegen müssen wir uns mit aller Macht wehren. Wer hätte geglaubt, dass es in Deutschland wieder zu teils massiven antisemitischen Ausschreitungen kommen könnte?

Etliche dieser Ereignisse in den letzten Jahren haben gezeigt, in welche Richtung sich ein Teil unserer Gesellschaft, z.T. vielleicht aus Angst und Unwissenheit, bewegt. Hier dürfen wir nicht wegschauen, denn diese Entwicklungen sind leider sehr konkret und sie dürfen nicht verharmlost werden. Wir haben mit aller Entschiedenheit den Hetzern und Holocaust-Leugnern die Stirn zu bieten. In Regensburg ist kein Platz für Rassismus und Feindschaft. Sie, meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der jüdischen Gemeinde, sollen die Gewissheit immer haben, dass wir an ihrer Seite stehen.

Dieser Ort, an dem wir heute wie in jedem Jahr stehen, ist aber auch ein Ort der Hoffnung. Im Februar 2019, 500 Jahre nach der Zerstörung der Synagoge am Neupfarrplatz, wurde die neue Synagoge in Regensburg eingeweiht. Damit ist die jüdische Gemeinde wieder sichtbarer Teil unserer Stadt geworden. Die aktive jüdische Gemeinde ist mit der Stadtverwaltung und vielen weiteren Akteuren in der Stadt eng verbunden, um Projekte gemeinsam umzusetzen.

Ich möchte mich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch bei den aktiven Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern herzlich für Ihre Bemühungen, ihre Arbeit und ihren Enthusiasmus bedanken. Sie tragen dazu bei, dass die Vielfältigkeit in unserer Stadt gesehen und gehört wird, Toleranz, Akzeptanz und unser gesellschaftlicher Zusammenhalt gestärkt wird.

Schließen möchte ich gerne mit dem Gedicht der jüdischen Lyrikerin Rose Ausländer „Gemeinsam“, das als goldfarbenes Schriftband unter freiem Himmel über dem Innenhof des Eingangsbereichs der Synagoge schwebt:

Vergesset nicht Freunde

wir reisen gemeinsam

besteigen Berge

pflücken Himbeeren

lassen uns tragen

von den vier Winden

 

Vergesset nicht

es ist unsre

gemeinsame Welt

die ungeteilt

ach die geteilte

 

die uns aufblühen lässt

die uns vernichtet

diese zerrisse

ungeteilte Erde

auf der wir gemeinsam reisen