Navigation und Service

Naturschutzgebiet Keilsteiner Hang

Der Keilsteiner Hang ist das älteste Naturschutzgebiet der Stadt. Hier finden die Insekten noch einen reich gedeckten Tisch und Spaziergänger und Erholungssuchende eine Naturidylle vor, die im urbanen Raum äußerst selten geworden ist.

Keilsteiner Hang - Panorama

29. August 2018

An einem heißen Sommernachmittag summt und brummt und flattert es über den sonnenbeschienenen Wiesen und Weiden, die sich an den Keilsteiner Hang im Osten von Regensburg schmiegen. Zitronenfalter, Bläulinge, Schachbrettfalter und der seltene Libellen-Schmetterlingshaft aus der Familie der Netzflügler schaukeln von Blüte zu Blüte, Hummeln und Wildbienen sammeln emsig Pollen. Grashüpfer springen von Halm zu Halm und Grillen zirpen im Gebüsch. Unter den solitären Bäumen weiden Schafe und Ziegen.

Keilsteiner Hang - Wanderweg
Immer wieder passiert man lichte Mischwälder © Christof Kundel

Der Keilsteiner Hang, der nördlich an den Stadtteil Schwabelweis grenzt, ist das älteste Naturschutzgebiet Regensburgs. Zusammen mit der Hochfläche auf dem Keilberg gehört er zum Flora-Fauna-Habitat „Trockenhänge bei Regensburg“, zu denen unter anderem auch der Max-Schultze-Steig im Westen der Stadt zählt. Der Hang und die südliche Hochfläche, allgemein als „Keilsteiner Hang“ bezeichnet, sind bereits seit 1939 Naturschutzgebiet, 1992 wurde die nördliche Hälfte der Hochfläche unter der Bezeichnung „Südöstliche Juraausläufer bei Regensburg“ dazugeschlagen. Die Buchenmischwälder, Trockenrasenflächen und Felsbiotope dieses außergewöhnlichen Landschaftsmosaiks weisen eine hohe Artenvielfalt auf. Spaziergänger und Erholungssuchende finden hier noch eine Naturidylle vor, die im urbanen Raum äußerst selten geworden ist.

 

Natürliche Landschaftspflege

Doch eine Selbstverständlichkeit ist das nicht. Dr. Hannaleena Pöhler vom Umweltamt der Stadt Regensburg weist darauf hin, dass es eines klaren Konzepts bedarf, um dieses Paradies zu erhalten und nach Möglichkeit sukzessive zu erweitern. Denn auf den einst beweideten Magerrasenflächen siedelten sich rasch Sämlinge von Bäumen und Sträuchern an und verdrängten die ursprünglich vorhandene Flora und Fauna. Insekten und andere Kleinlebewesen sahen sich ihres natürlichen Lebensraums beraubt. Deshalb musste der Mensch eingreifen und das Buschwerk entfernen. Ein Teil der Flächen wird seit vielen Jahren durch den Landschaftspflegeverband gemäht und so offen gehalten. Andere aber wurden nicht mehr genutzt und drohten so zuzuwachsen. Erst die Ziegen und Schafe, die seit einiger Zeit wieder auf den Wiesenflächen weiden dürfen, ermöglichen es der Natur, zu ihrem Gleichgewicht zurückzufinden. Denn Dünger und Pestizide bleiben hier außen vor und die Beweidung fördert den Blütenreichtum. Natürliche Landschaftspflege also.

Ungefähr ein Drittel der Flächen auf dem Keilsteiner Hang sind Ausgleichsflächen und sogenannte Ökokonto-Flächen für Bau- und Versiegelungsmaßnahmen im städtischen Raum. Sie müssen entsprechend ökologisch aufgewertet werden, um selten gewordenen Pflanzen und Tieren wieder einen Lebensraum zu geben. „Das ist eine gewachsene Kulturlandschaft, die wir hier bewahren“, unterstreicht Pöhler. Das Zusammenspiel aus unterschiedlichen Landschaftsformen begünstigt die Biodiversität. Wilder Dost, weißes Berufkraut, ausdauernder Lein, Odermennig, Ackerglockenblume, Kohl-Lauch, Karthäuser-Nelke, Wilde Möhre, Zypressen-Wolfsmilch oder Jakobsgreiskraut, um nur einige der Pflanzen zu nennen, wachsen auf den Wiesenflächen. Im Wald färbt das Leberblümchen im Frühling den Boden violett und wird später von den Maiglöckchen abgelöst. Küchenschellen sind die ersten im Jahr, die ihre pelzbewehrten Köpfchen aus der Erde strecken. Zieht der Sommer dann ins Land, finden trockenheitsresistente Dickblattgewächse auf den sonnenbeschienenen Felsen die idealen Lebensbedingungen. Die vielen unterschiedlichen Pflanzen, die über das ganze Jahr hinweg blühen, ziehen die Insekten an. Diese wiederum sind die Nahrungsgrundlage für zahlreiche Fledermäuse und (Sing-)Vogelarten, wie beispielsweise den Neuntöter, die hier die Umgebung finden, die sie zum Überleben benötigen.

 

Keilsteiner Hang - Panorama
Von der Aussichtskanzel kann man bis weit in den Bayerischen Wald schauen © Dagmar Obermeier-Kundel

Malerische Spazierwege

Wer diese Naturidylle bestaunen möchte, der stößt auf unterschiedliche, meist markierte Spazier- und Wanderwege, die allerdings zum Schutz der Natur nicht verlassen werden dürfen. Von Schwabelweis aus führt ein Feldweg von der Straße „Am Keilsteiner Hang“ zwischen Feldern und den Trockenwiesen am Hang durch bis zum Neubaugebiet. Wer sich von Keilberg aus auf den Weg macht, der erreicht den oberen Teil des Naturschutzgebietes. Der Keilsteiner Weg führt hier direkt zu einer Infotafel über das Naturschutzgebiet, von der aus ein rot-weiß-markierter Wanderpfad abzweigt. Er leitet uns an der Kante des Steinbruchs entlang durch Maiglöckchenwald bis zum Riegerfelsen, wo uns eine grandiose Aussicht über Schwabelweis hin über die östliche Stadt empfängt. Folgen wir dem Weg weiter, so passieren wir mehrere Wiesen und Weiden mit vielfältigen Blumen und Pflanzen und können vielleicht sogar ein paar Schafe bei ihrer Mittagsruhe beobachten. Durch schattigen Mischwald und welliges Gelände führt der Pfad weiter bis zu einer Aussichtsplattform, von wo aus man den Blick bis weit zu den blauen Bergen des Bayrischen Waldes schweifen lassen kann. Hier stößt man auch auf den Geopfad, der von der Tegernheimer Schlucht heraufführt. An unterschiedlichen Stationen informiert er über die Entstehung des Geländes und seine Formen, aber auch über Flora und Fauna des Naturschutzgebietes. In einem Bogen führt er wieder zurück bis Keilberg.

Nischen schaffen für die bedrohte Natur

So idyllisch die Landschaft dort anmutet und so intensiv sich Umwelt- und Gartenamt auch bemühen, wieder in einen Zustand zu versetzen, der Insekten anlockt, darf doch darüber nicht vergessen werden, dass die Uhren auf fünf vor Zwölf stehen. Viele Insektenarten sind bereits ausgestorben, Düngemittel und Pestizide in der Landwirtschaft sorgen dafür, dass dieser Prozess weiter anhält. Die Nischen, die der Mensch den bedrohten Arten schafft, sind bitter notwendig, damit das Horrorszenario ausbleibt, das die norwegische Autorin Maja Lunde in ihrem Roman „Die Geschichte der Bienen“ (btb) beschreibt: „Der Mensch entwickelte sich rasant und die Bienen kamen nicht hinterher. Und verschwanden. Ohne die Bienen lagen mit einem Mal tausende Hektar bewirtschaftete Felder brach. (…) Im Laufe der Jahre ging auch die Fleischproduktion zurück, weil die wichtigsten Futterpflanzen für Nutztiere nicht mehr kultiviert werden konnten. (…) Zur selben Zeit stagnierte das Bevölkerungswachstum. (…) Unsere Art befand sich auf dem Rückzug.“

Text: Dagmar Obermeier-Kundel