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Blumenwiesen in der Stadt: Die Artenvielfalt soll leben!

Kurzgeschorener englischer Rasen war gestern. Heute setzt die Stadt Regensburg immer mehr auf Blumenwiesen. In Parks, an den Straßenrändern und auf Böschungen dürfen Glockenblumen, Wiesensalbei, Margeriten, Lichtnelken & Co. ihre Farbenpracht entfalten und damit unzählige Tierarten anlocken. Ein aktiver Beitrag zum Artenschutz!

100 Hektar der insgesamt 800 Hektar an Grünflächen, die das Gartenamt betreut, nehmen Blumenwiesen ein.
100 Hektar der insgesamt 800 Hektar an Grünflächen, die das Gartenamt betreut, nehmen Blumenwiesen ein. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

24. Juni 2020

Angelika Diewald hat Landschaftsarchitektur an der FH in Nürtingen studiert und ist im städtischen Gartenamt Expertin für die unterschiedlichen Grünflächen, die die Stadt bewirtschaftet. Rund 800 Hektar sind es insgesamt. Die Blumenwiesen, im Fachjargon artenreiche Wiesenansaaten genannt, machen immerhin 100 Hektar dieser Gesamtfläche aus. Sie sind das Ergebnis einer sorgfältigen Planung und einer ganz speziellen Bewirtschaftung. „Im Prinzip geht es darum, zu erreichen, dass die empfindlichen und wenig durchsetzungsfähigen Wiesenblumen und Kräuter nicht durch robustere Pflanzen und Gräser verdrängt werden“, erklärt sie.

Dazu sind mehrere Maßnahmen nötig. Zunächst ist die Vorbereitung des Untergrunds entscheidend. Nicht zu fett sollte er sein, denn die meisten Wiesenblumen bevorzugen einen mageren nährstoffarmen Boden. Deshalb muss bei den meisten Böden als erstes die Humusschicht abgetragen und durch ein nährstoffarmes kalkhaltiges oder sandiges Bodensubstrat ersetzt werden. Erst dann kann eine Mischung von Wildblumensamen aufgebracht werden, die sich sonst nicht gegen widerstandsfähigere Konkurrenten, die nährstoffreiche Böden bevorzugen, wie beispielsweise stark wachsende Gräser, Klee oder Löwenzahn, durchsetzen könnten.

Richtig mähen

Wer nun aber glaubt, damit sei es getan, und die Blumenwiese könne von da an sich selbst überlassen werden, der ist schief gewickelt. Denn nur regelmäßiges und genau dosiertes Mähen sichert dauerhaft die Artenvielfalt. Bleibt die Mahd entlang von Gehölzrändern aus, übernehmen schnell robustere  Pioniergehölze und vielleicht auch wild wuchernde Brombeeren das Regiment. Das Mähen sorgt hingegen dafür, dass konkurrenzstarke Pflanzen zurückgedrängt werden und empfindlichere Blumen und Kräuter eine Chance erhalten, sich weiter zu entfalten.

Wesentlich ist dabei der richtige Zeitpunkt für die Mahd. Denn natürlich müssen die Blumen und Kräuter zuerst die Chance erhalten, auszublühen und Samen zu entwickeln. Als Anhaltspunkt, so Diewald, dienen die Margeriten. „Wenn sie verblüht sind und nach Möglichkeit das Wetter trocken ist, sollte die erste Mahd erfolgen.“ Dann sind auch die Insektenlarven und die in der Wiese lebenden Raupen so weit entwickelt, dass sie keinen Schaden mehr nehmen. Wichtig dabei: Das Gras sollte ein paar Tage auf der Wiese liegen bleiben, damit die reifen Samen auf die Erde fallen können. Danach muss das Mähgut allerdings abgeräumt werden, um zu verhindern, dass es die darunter liegenden Pflanzen erstickt.

Je nach Temperatur und Niederschlag treiben die Wildpflanzen etwa drei bis vier Wochen nach dem Schnitt zu neuen Blumen und Kräutern heran und erfreuen Mensch und Tier mit einer zweiten Blüte. Nach der traditionellen ersten Mahd im Juni können sie so noch ein zweites Mal Ende August, Anfang September gemäht werden.

Der Standort bestimmt die Pflanzenarten

Die Vielfalt der Pflanzen hängt entscheidend mit dem Untergrund und dem Standort zusammen. Ist es eher schattig, feucht oder sonnig? Handelt es sich um eine Hanglage? Ist der Boden lehmig, kalkhaltig oder eher sandig? – Margeriten und Wiesensalbei lieben es humös und sonnig, die Akelei und die Anemone bevorzugen eher schattige Standorte. Sumpfdotterblume und Mädesüß haben es gerne feucht, während es Kartäusernelken oder dem wilden Thymian gar nicht heiß und trocken genug sein kann.

Prägten in früheren Zeiten bunte Blumenwiesen das Bild unserer Landschaft, so wurden sie mit dem Siegeszug des Kunstdüngers mehr und mehr durch sehr frühe und häufige Mahd verdrängt. Heutige Wirtschaftswiesen zeichnen sich durch einen hohen und schnell wachsenden Grasanteil aus, können mehrmals im Jahr gemäht werden und garantieren so einen höheren Ertrag für die Landwirtschaft. Und weil der erste Schnitt zum Teil schon im April erfolgt und das Mähgut sofort in den Silo wandert, haben die noch vorhandenen Wildblumen keine wirkliche Chance auszusamen.

Ein seltener Gast: der Schwalbenschwanz
Ein seltener Gast: der Schwalbenschwanz © Dagmar Obermeier-Kundel

Artenvielfalt erhalten

Aber auch der Trend zu gedüngten und kurzgeschorenen Rasenflächen hat in der Vergangenheit die heimische Artenvielfalt immer weiter zurückgedrängt. Bedroht sind nicht nur viele Wildpflanzen, sondern auch Tierarten, die direkt oder indirekt auf diese Wildpflanzen angewiesen sind. Eine Wildblumenwiese bietet seltenen Vögeln, Eidechsen und unterschiedlichen Insekten wie beispielsweise Käfern, Bienen und Schmetterlingen, aber auch kleinen Säugetieren eine Heimat. Sie dient als Futterplatz, Nistgelegenheit oder Winterquartier und – nicht zu vergessen: Auch für uns Menschen ist eine Blumenwiese eine Augenweide!

Noch gibt es rund 4 000 wild lebende heimische Pflanzenarten in unseren Breiten. Viele von ihnen stehen bereits auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Blumenwiesen im Stadtgebiet können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, diese Artenvielfalt zu erhalten. Gerade ohne Dünger und Insektizide wächst hier ein kleines Paradies, das zu erforschen sich auf jeden Fall lohnt!

Text: Dagmar Obermeier-Kundel