regensburg507 – das Online-Magazin aus dem Rathaus
Suchfunktion
Was tut die Stadt für Menschen mit Handicap? Fünf Jahre Fokus-Aktionsplan Inklusion
Vor fünf Jahren hat der Regensburger Stadtrat den Fokus-Aktionsplan Inklusion verabschiedet. 31 Maßnahmen aus fünf Lebensbereichen wurden definiert, um unsere Stadt inklusiver, barrierefreier, und damit lebenswerter für alle zu machen. Guerilla-Aktionen wie das Freihalten von Parkplätzen gehören dazu.
Laut der aktuellen Statistik des Zentrums Bayern Familie und Soziales aus dem Jahr 2022 leben gut 23 800 Menschen mit einer anerkannten Behinderung in Regensburg, jeder zehnte Einwohner ist sogar schwerbehindert, hat also einen Grad der Behinderung von mindestens 50. Für all diese Menschen gibt es unterschiedlichste Barrieren im täglichen Leben. Ziel des Fokus-Aktionsplans Inklusion der Stadt Regensburg ist es, eine Vielzahl dieser Hindernisse abzubauen und die Stadt für die Menschen mit Behinderung, die hier wohnen und leben, aber auch für die Vielzahl an Gästen mit den unterschiedlichsten Handicaps lebenswerter und barrierefreier zu gestalten. Was hat sich seit seiner Verabschiedung im November 2018 getan?
Die Bilanz kann sich sehen lassen: 28 der 31 Maßnahmen wurden begonnen oder konnten abgeschlossen werden. Im folgenden Überblick stellen wir schlaglichtartig einige Maßnahmen vor:
Die frei gewordenen Kasernenflächen im Stadtgebiet bieten die Chance barrierefreien Wohnraum zu schaffen. Diesem wird auch nachgekommen. Hierzu steht der Inklusionsbeauftragte in enger Abstimmung mit der Stadtbau GmbH. Dort wo Mangellagen erkannt werden, ist die Stadtbau willens und bereit, Abhilfe zu schaffen. So werden auch beim aktuellen Bauvorhaben der Stadtbau Gmbh auf dem ehemaligen Gebiet der Prinz Leopold Kaserne barrierefreie Wohnungsmöglichkeiten geschaffen werden.
Im aktuellen Koalitionsvertrag ist niedergelegt, dass sämtliche Bushaltestellen im Stadtgebiet Regensburg barrierefrei ausgebaut werden sollen. Jede Bushaltestelle, die im Rahmen einer Sanierungs- oder Umbaumaßnahme angefasst wird, wird in Absprache mit dem Inklusionsbeirat der Stadt Regensburg barrierefrei gestaltet. Darüber gibt es bereits an einer Vielzahl von Bushaltestellen elektronische Informationstafeln, die auf Knopfdruck für blinde Menschen die nächsten Abfahrtszeiten akustisch wiedergeben – ein weiterer Schritt hin zu einem barrierefreien ÖPNV.
Als eine von 28 ausgewählten Kommunen ist Regensburg Teil der Förderkulisse „Modellprojekte Smart Cities“ des Bundes, die in der diesjährigen dritten Staffel unter der Zielsetzung “Gemeinsam aus der Krise: Raum für Zukunft“ steht. In der ersten Projektphase bis Juni 2023 sollen zudem Leuchtturmprojekte verwirklicht werden, die zeigen was an smarten Lösungen möglich ist. Eines dieser Leuchtturmprojekte heißt „Virtuelles Welterbe“ und soll – wie in der Maßnahme gefordert – eine digitale Möglichkeit bieten, Regensburgs Welterbestätten und insbesondere die documente barrierefrei erlebbar zu machen. Auch sollen die Piktogramme aus dem Ratgeber „Barrierefrei durch Regensburg“ in der realen Welt virtuell verortet werden. Hierzu gab es ein Ausschreibungsverfahren und der Technologiepartner ist nun gefordert, den Weg zur Umsetzung bis Ende Juni 2023 aufzuzeigen. In der daran anschließenden Förderperiode soll dann die gefundene Lösung weiter verfeinert und umgesetzt werden.
Bei allen Neu-, Umbauten und Sanierungen der Stadt Regensburg werden die Belange der Barrierefreiheit umfassend berücksichtigt. Alle diesbezüglichen Planungen werden dem Inklusionsbeirat der Stadt Regensburg als berufenem Gremium mit der Bitte um Stellungnahme übersandt. Von dort wird dann die entsprechende Stellungnahme zurückgespiegelt und entsprechend beraten, um die barrierefreie Gestaltung öffentlicher Gebäude sicherzustellen.
Um den inklusiven Arbeitsmarkt in der Region Regensburg zu stärken, wurde am 2. Juni 2022 die ersten inklusive Job Messe in Regensburg abgehalten. Es handelte sich dabei um eine Veranstaltung, die in Kooperation mehrerer Beteiligter und auf den Einzugsbereich der Arbeitsagentur Regensburg bezogen durchgeführt worden ist. Dabei stellten sich 45 Unternehmen vor, die bereit waren, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen, und die gerade auf der Suche nach neuen Mitarbeitern waren. Daneben konnten bei einem Job-Speed-Dating 20 Personen mit Behinderung in kurzen Gesprächen mit zehn Arbeitgebenden erste Kontakte knüpfen und sich präsentieren. Ergebnis war, dass mindestens vier Arbeitssuchende mit einem Arbeitsvertrag für eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt das Job-Speed-Dating wieder verließen – eine Vermittlungsquote von 25 Prozent. Wie viele Personen erfolgversprechende Kontakte im regulären Messebetrieb knüpfen konnten, kann nicht nachvollzogen werden, da bei mehr als 800 Teilnehmenden kein Kontakt zu jedem einzelnen und die Nachfrage nach eventuellen Erfolgen möglich war. Einzelne Rückmeldungen sprachen jedoch von einer Vielzahl an Vorstellungsgesprächen und Praktika, die vereinbart wurden. Die Messe als solche wurde noch bereichert durch Vorträge für Arbeitgebende wie auch Arbeitnehmende zu Themen der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.
In der Zeit seit der Verabschiedung des Fokus-Aktionsplans Inklusion wurden im Stadtgebiet mehrere Inklusionsbetriebe neu errichtet. Dies wurde intensiv von den zuständigen städtischen Stellen begleitet und gefördert. Schlaglichtartig sei hier auf das barrierefreie Hotel includio der Johanniter in Burgweinting oder das Café Vielfalt der Lebenshilfe Regensburg auf dem evangelischen Zentralfriedhof verwiesen. Beide Betriebe zeigen in hervorragender Weise, das eine Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderung in derartigen Einrichtungen ein Erfolgsmodell ist. Eine Vielzahl an Rückmeldungen zeigt sich begeistert von dem, was hier in der Stadt Regensburg geschaffen wurde.
Mit dem Drachenspielplatz auf dem Nibelungenareal, der von der UNICEF als weltweit Vorbild gebende Umsetzung eines Inklusionsspielplatzes ausgezeichnet wurde, hat Regensburg bereits jetzt viel für die Begegnung von Kindern mit und ohne Behinderung vorangebracht. Gleichzeitig wird bei der Sanierung andere Spielplätze das Thema mitgedacht. Es werden Spielgeräte neu angeschafft, die für alle nutzbar sind. Des Weiteren ist im Areal der ehemaligen Prinz Leopold Kaserne ein weiterer Inklusionsspielplatz geplant.
Am 8. Oktober 2022 fand in Kooperation mit den Arcaden Regensburg auf dem dortigen Parkplatz, anliegend an die Friedensstraße, eine Guerilla-Aktion statt, bei der alle regulären Parkplätze mit Rollstühlen und weiteren Gehhilfen blockiert wurden. An diese wurden die Ausreden gehängt, die üblicherweise von Menschen benutzt werden, die unberechtigt auf Behindertenparkplätzen stehen: „Komme gleich wieder“, „Bin nur kurz Milch holen“ oder „Braucht ja eh grad keiner“. Die medienwirksame Veranstaltung, über die bayernweit berichtet wurde, zeigte einen deutlichen Bewusstseinswandel bei den Autofahrerinnen und Autofahren, die versuchten, einen Parkplatz zu finden. Diese wurden angesprochen und über die besonderen Bedarfe der Menschen mit Behinderung sowie der Notwendigkeit von Behindertenparkplätzen aufgeklärt. Außerdem konnten flanierende Fußgänger im Rahmen eines Perspektivwechsels eigene Eindrücke aus dem Leben eines Menschen mit Behinderung sammeln und auch einmal ausprobieren, wie umständlich es sein kann, von einem Rollstuhl in ein Auto umzusetzen. Auch dies brachte viele Beteiligte zu einer Erweiterung ihres Bewusstseins.
Die Sportstadt Regensburg zeichnet sich durch eine große Vielfalt an sportlichen Aktivitäten aus. Neben dem Leistungssport gibt es eine Vielzahl an breitensportwirksamen Veranstaltungen. Gerade im Inklusionssektor zeigt sich durch die Vergabe nach und Durchführung in Regensburg der bayerischen Landesspiele der Special Olympics, dass Regensburg ein willkommener Austragungsort auch für Veranstaltungen des Behindertensports ist. Dieses Engagement wird weiter verstetigt. So darf darauf verwiesen werden, dass zum Beispiel auch bereits 4-Länder-Turniere im Blindenfußball oder Meisterschaften im Blindenbaseball vor Ort abgehalten wurden. Im Nachgang zu den bayerischen Landesspielen der Special Olympics soll nun ein Netzwerk Inklusion durch Sport etabliert werden, bei dem die Sportvereine, die bereits erfolgreich Behindertensport anbieten, denjenigen als Mentoren zur Seite stehen, die sich auf diesen Weg machen wollen. Somit werden auch weiterhin im regelmäßigen Turnus inklusive Sportveranstaltungen in der Stadt Regensburg abgehalten werden können und ein breiteres und diversifiziertes Angebot an inklusiven Sportmöglichkeiten angeboten werden.
Gemäß dem Fokusaktionsplan Inklusion sollte auch – gemeinsam mit der DEHOGA – dafür Sorge getragen werden, dass das Nachtleben in Regensburg barrierefreier wird, nachdem aktuell kein Club und keine Diskothek ohne physische Barriere erreichbar ist. Das gemeinsame Feiern und Sich-Kennenlernen wurde von den Erstellern des Fokusaktionsplans jedoch als tragende Säule für eine inklusive Gesellschaft erkannt. Erste Gespräche für eine gemeinsame Sensibilisierungskampagne mit der DEHOGA hatten bereits stattgefunden, ehe die weltweite Corona-Pandemie dem Betrieb von Bars und Diskotheken einen Riegel vorschob. Letztlich hatten die Betreiber derartiger Veranstaltungsstätten aufgrund der monatelangen Komplettschließungen andere Sorgen als barrierefreier Zugänge. Nachdem sich die Szene nun wieder normalisiert hat, will die Stadt neue Anläufe für eine Sensibilisierungskampagne und mögliche (bauliche) Änderungen unternehmen, um dem Ziel eines barrierefreien Nachtlebens ein Stück näher zu kommen.
Hintergrund des Aktionsplans
Entstanden ist der Fokus-Aktionsplan Inklusion aus dem Projekt „Regensburg Inklusiv“, das in den Jahren 2012 bis 2016 mittels einer Kooperation der Katholischen Jugendfürsorge e. V., der Ostbayerischen Technischen Hochschule sowie der Stadt Regensburg durchgeführt wurde. Zu Beginn des Projekts stand eine Bestandserhebung, wo und in welchen Bereichen Regensburg bereits barrierefrei ist. Nach vier Jahren Arbeit und mehr als 37 Treffen von im Schnitt 100 Personen, die sich aus allen Bereichen der Gesellschaft, der Verwaltung und den Vereinen und Verbänden der Behindertenhilfe zusammensetzten, wurden bereits eine Vielzahl von Ideen und Projekten erarbeitet und umgesetzt, die Barrieren für Menschen mit Handicaps mindern oder gänzlich abschaffen. So gibt es seit dieser Zeit unter anderem eine barrierefreie Stadtführung im Programm der Regensburg Tourismus GmbH, die Regensburger Erklärung, ein lokales Bündnis für den inklusiven Arbeitsmarkt, die Gründung des Büros „Sag‘s einfach – Büro für leichte Sprache“, die Erarbeitung eines Konzepts zum inklusiven Unterricht als Fortbildung und Schulung für Lehrkräfte, an der insgesamt 147 Teilnehmerinnen und Teilnehmer teilnahmen, sowie die Durchführung des ersten Inklusion-Sporttages auf dem städtischen Sportgelände am Oberen Wöhrd.
Stadt soll barrierefreier, inklusiver und lebenswerter werden
Damit sollte aber noch lange nicht das Ende des Projekts und der Maßnahmen erreicht sein. Vielmehr war es Aufgabe der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Ende des Projektzeitraumes hin Maßnahmen und Ideen zu definieren und in einer Vorschlagsliste niederzulegen. Diese Vorschlagsliste wurde sodann als Hausaufgabenheft im Jahr 2016 an die Stadt Regensburg übergeben. Diese Maßnahmenliste wurde zum Anlass genommen, um gemeinsam mit den Menschen mit und ohne Behinderung in der Stadt Regensburg einen Fokus-Aktionsplan Inklusion zu erarbeiten, da gerade die Menschen mit Behinderung Experten in eigener Sache sind und am besten wissen, wie für sie die ideale Barrierefreiheit aussieht. In insgesamt drei Veranstaltungen wurden so 31 Maßnahmen definiert, die die Stadt Regensburg barrierefreier, inklusiver und damit noch lebenswerter machen sollen. Ziel dabei ist es, im Sinne von Artikel 1 der UN-Behinderten Konvention die gleichberechtigten Teilhabemöglichkeiten aller Menschen mit Behinderung in der Stadt Regensburg zu verbessern und das gesellschaftliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern. Schwerpunkte der Maßnahmen liegen dabei in den vier Fokus-Bereichen Arbeit, Sozialraum, Bildung und Freizeit, Sport, Kunst, Kultur und Gesundheit.
Lebendiger Prozess wird die Stadt begleiten
Natürlich können alle diese Maßnahmen nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Vieles hat auch einen gewissen zeitlichen Vorlauf. Aber gerade bei kleineren Maßnahmen, die ohne großen Aufwand umsetzbar sind, sollte es gerade zehn Jahre nach Unterschrift der Bundesrepublik Deutschland unter die UN-Behindertenrechtskonvention das Bestreben der Stadt Regensburg sein, die Barrierefreiheit bestmöglich umzusetzen. Nicht ohne Grund ist es Ziel der Stadt Regensburg, einmal die barrierefreiste Stadt Deutschlands zu werden. Sich hier auf den Weg zu machen, ist auch ein deutliches Signal nach außen und wird regional und überregional bereits wahrgenommen.
Ein derartiger Fokus-Aktionsplan Inklusion ist aber kein statisches Objekt, das nach seiner Umsetzung die Gültigkeit verliert. Vielmehr werden sich im Lauf der Zeit neue Maßnahmen ergeben, die es umzusetzen und anzugehen gilt. Auch die Anforderungen an Barrierefreiheit werden sich im Laufe der Zeit wandeln, sodass einzelne Maßnahmen vielleicht wegfallen, abgeändert werden müssen oder neue hinzukommen. Der lebendige Prozess, eine Kommune barrierefrei zu gestalten, wird uns daher auch weiterhin begleiten.