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Melanie Neuhoff: „Ich plane vom Hochwasser bis zur Zombie-Apokalypse“

Ihre Begeisterung für ihren Job ist ansteckend, ihre Gelassenheit, die auch mitten in einer Krise nicht ins Wanken gerät, vermittelt auch den größten Skeptikern Zuversicht. Melanie Neuhoff lebt für den Katastrophenschutz. Die Corona-Pandemie war bisher ihre größte Herausforderung.

Porträt: Melanie Neuhoff
Auch in einer Krise gerät die Gelassenheit von Melanie Neuhoff nicht ins Wanken. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

12. August 2021

„Schon als kleines Mädchen war es mein Traum, einen Job auszuüben, bei dem ich was für die Allgemeinheit tun kann“, erzählt die heute 37-Jährige. Bereits mit sechs Jahren trat sie einer Jugendgruppe der Johanniter in ihrem Heimatdorf bei, die sie später 16 Jahre lang ehrenamtlich leitete. „Das hat mir richtig Spaß gemacht“. Zum einen, weil sie so anderen helfen und ihre soziale Ader ausleben konnte, zum anderen, weil ihr die Tätigkeit viele Möglichkeiten bot, in unterschiedliche Bereiche „reinzuschnuppern“. Sie absolvierte die Ausbildung zur Sanitäterin, entschied sich dann aber doch zunächst für eine klassische Ausbildung zur Bürokauffrau.

Nach sieben Jahren bei der Bundeswehr kam sie über verschiedene Umwege zur Stadt Regensburg. Erste Station war 2009 der neugegründete Kommunale Ordnungsservice. „Da war ich die Quotenfrau“, schmunzelt Neuhoff. Zwei Jahre später wechselte sie zum damaligen Amt für Brand- und Zivilschutz in die Abteilung Katastrophenschutz. Und der blieb sie bis zum heutigen Tag treu.

Vom Hochwasser bis zur Klinikevakuierung

„Jede Kreisverwaltungsbehörde ist verpflichtet, den Katastrophenschutz sicherzustellen“, erklärt sie. Die Stadt als Koordinierungsstelle holt im K-Fall alle beteiligten Organisationen an einen Tisch, um eine bestmögliche Bewältigung der Krise sicherzustellen. Je nach Schadensereignis werden so die jeweiligen städtischen Dienststellen, Polizei, Rettungsdienste, THW, Gesundheitsbehörden etc. vernetzt und ihre Einsätze untereinander abgestimmt. In der Vergangenheit, so erzählt Melanie Neuhoff, sei es in erster Linie das Hochwasser gewesen, das den Katastrophenschutz beschäftigt habe. 2015, auf dem Gipfel der Flüchtlingskrise, mussten Unterbringungsmöglichkeiten und die Versorgung der geflüchteten Menschen sichergestellt werden. Es folgten diverse Bombenentschärfungen, die in der Evakuierung der Klinik der Barmherzigen Brüder gipfelten. 2019 schließlich koordinierte der Katastrophenschutz den sogenannten Kontingenteinsatz der Regensburger Feuerwehren bei der Schneekatastrophe im oberbayerischen Miesbach.

Pandemie als größte Herausforderung

Die größte Herausforderung allerdings war und ist die Pandemie, für deren Bewältigung es zwar Blaupausen gab, mit der aber so richtig niemand gerechnet hatte. „In dem Ausmaß, in dem Corona über die ganze Welt hereingebrochen ist, konnte man es sich einfach nicht vorstellen“, resümiert Neuhoff. Gemeinsam mit ihrem damaligen Chef Bernhard Würsch, dem langjährigen Leiter des Katastrophenschutzes, verfolgte sie bereits im Januar 2020 die Nachrichten. „Wir haben schnell gemerkt, dass wir nicht verschont bleiben.“ Bereits Ende Februar liefen die ersten Aktionen an. Zusammen mit einem Arbeitsstab, der sich aus Kollegen verschiedenster Abteilungen der Berufsfeuerwehr zusammensetzte, wurde Schutzausrüstung beschafft. Weil Desinfektionsmittel auf dem Markt nicht mehr zu besorgen waren, organisierten Neuhoff und Würsch zusammen mit dem Stab im engen Kontakt mit den Regensburger Kliniken eine Ethanol-Lieferung, nahmen Kontakt mit einer Firma in Schwabelweis auf und ließen dort produzieren. Ein Regenstaufer Unternehmen übernahm die Abfüllung. Der Katastrophenschutz kümmerte sich gemeinsam mit dem Malteser Hilfsdienst um die Verteilung, so dass die Versorgung mit Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln vor allem für die Kliniken und die Altenheime im Stadtgebiet sichergestellt werden konnte. „Die Zusammenarbeit war wirklich toll und die Hilfsbereitschaft enorm“, fasst sie zusammen.

Die Beschaffung der Schutzmaterialien war allerdings nur eine Aufgabe, die der Katastrophenschutz zu gewährleisten hatte. Ebenso wichtig war die Qualitätsprüfung. Melanie Neuhoff verbrachte viele Stunden mit Internet-Recherchen und im engen Kontakt mit dem Uniklinikum.

Fotografie: Am Testzentrum in vorderster Front: Melanie Neuhoff bei der Eröffnung im September 2020
Am Testzentrum in vorderster Front: Melanie Neuhoff bei der Eröffnung im September 2020 © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Aufbau und Betrieb des Corona-Testzentrums

Als Anfang September 2020 vom Ministerium angeordnet wurde, flächendeckend kommunale Testzentren zu errichten, übernahm Melanie Neuhoff die Aufgabe, den Aufbau und den Betrieb der städtischen Anlage zu koordinieren. Dass man sich nach ausgiebiger Prüfung für Zelte und Container entschied, hatte mehrere Gründe. „Der Infektionsschutz ist hier deutlich besser zu gewährleisten als in einem geschlossenen Raum“, erläutert sie. Hinzu kommt, dass auf dem Dultplatz, der bereits die komplette benötigte Infrastruktur aufweist, keine Kosten für Raummieten anfallen. „Schließlich arbeiten wir ja mit Steuergeldern.“ Auch eine Erweiterung stellt hier kein Problem dar. Waren anfangs bis zu 400 PCR-Testungen pro Tag geplant, erreichte man in Spitzenzeiten während der zweiten und dritten Welle bis zu 1.800 Menschen. Auch die später angedockte Schnellteststrecke war organisatorisch problemlos zu realisieren, Synergieeffekte mit dem benachbarten Impfzentrum können jederzeit unbürokratisch genutzt werden.

Teamgeist schweißt zusammen

Doch trotz aller Energie, die Melanie Neuhoff für ihren Job mitbringt, als One-Woman-Show wäre kein Hochwasser, keine Bombenentschärfung und schon gleich keine Pandemie zu bewältigen. „Der Katastrophenschutz lebt von den vielen Menschen, die hier zusammenhelfen“, unterstreicht sie. „Ich bin nur diejenige, bei der die Fäden zusammenlaufen. Und genau das ist es, was mir an meinem Beruf solchen Spaß macht.“ 

Fotografie: Auch Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer und Rechts- und Regionalreferent Dr. Walter Boeckh ließen sich von Melanie Neuhoff das Testzentrum zeigen.
Auch Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer und Rechts- und Regionalreferent Dr. Walter Boeckh ließen sich von Melanie Neuhoff das Testzentrum zeigen. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Der Teamgeist, der die beteiligten Akteure zusammenschweißt, hat sie bislang gut durch die Krise getragen, ihre Begeisterungsfähigkeit und ihren Humor hat sie sich bewahren können, auch wenn sie sagt: „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, die eineinhalb Jahre haben nicht an mir gezehrt, aber schließlich weiß jeder, der in diesem Bereich arbeitet, worauf er sich einlässt.“

Dass trotzdem ihr sechsjähriger Sohn bei allem Stress nicht zu kurz kommt, hat sie zum einen ihrer Familie zu verdanken. „Ich lebe in einem Vier-Generationen-Haus, da ist einfach immer jemand da.“ Zum anderen aber auch ihren Kolleginnen und Kollegen von der Feuerwehr und den Hilfsorganisationen, die sich gegenseitig immer wieder Freiräume einräumen, wenn es nötig ist.

„Für den Katastrophenschutz muss man brennen“

Und wenn die Pandemie endlich bewältigt ist? Melanie Neuhoff wird es auch danach nicht langweilig werden in ihrem Job. „Bis alles aufgearbeitet ist, wird es eine ganze Zeit dauern“, sagt sie. Da muss der Lagerbestand wieder auf Vordermann gebracht werden, es gilt Abrechnungen zu erledigen und Statistiken anzufertigen, Kontakte müssen ins System eingepflegt werden, um bei späteren Einsätzen darauf zurückgreifen zu können, und Einsatzpläne an die gewonnenen Erfahrungen angepasst werden.

„Der Katastrophenschutz ist super interessant“, beteuert Melanie Neuhoff. „Aber man muss dafür brennen. Je besser man auf eine Situation vorbereitet ist, desto schneller und effizienter kann man agieren.“ Dass es dabei immer um bedrohliche Situationen geht, schreckt die Optimistin nicht ab: „Ich plane einfach immer vom Hochwasser bis zur Zombie-Apokalypse“, meint sie schmunzelnd.

Text: Dagmar Obermeier-Kundel