Navigation und Service

Projekt „LISI“: „Lernen Im Sozialraum – Inklusiv“

„LISI“ ist ein Inklusionsprojekt der Volkshochschule der Stadt Regensburg und der Lebenshilfe Regensburg e. V. mit dem Ziel, dass Bildungsangebote von allen gemeinsam genutzt werden – auch von Menschen mit Behinderung.

Von links nach rechts: David Löw, Dr. Susanne Kraft (Leiterin der Volkshochschule), Marlene Wedl und Markus Bauer (Leiter der Offenen Hilfen, Lebenshilfe Regensburg e. V.)
Von links nach rechts: David Löw, Dr. Susanne Kraft (Leiterin der Volkshochschule), Marlene Wedl und Markus Bauer (Leiter der Offenen Hilfen, Lebenshilfe Regensburg e. V.) © Bilddokumentation Stadt Regensburg

24. Juli 2020

„Es soll normal werden, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammen lernen“, sind sich Marlene Wedl von der Volkshochschule der Stadt Regensburg und David Löw von der Lebenshilfe Regensburg e. V. mehr als einig. Gemeinsam riefen die beiden vor einigen Jahren das Inklusionsprojekt „LISI“ ins Leben. „LISI“ steht dabei für „Lernen Im Sozialraum – Inklusiv“. Ziel des Projekts ist es, dass bereits existierende Bildungsangebote in Regensburg von allen gemeinsam genutzt werden – auch von Menschen mit Behinderung oder Lern-Schwierigkeiten.

Alles kam ins Rollen, als sich die Volkshochschule und die Lebenshilfe Regensburg e. V. 2015 unabhängig voneinander am Projekt „Regensburg inklusiv“ beteiligten. „Regensburg inklusiv“ hatte es sich damals zum Ziel gesetzt, dass alle Menschen in der Domstadt gleichberechtigt an allen Lebensbereichen teilhaben können – so eben auch im Bereich der Erwachsenenbildung. Doch obwohl sich das Programm der Volkshochschule auch schon damals an alle richtete, meldeten sich Menschen mit Behinderung für die Kurse nicht an. „Wir fragten uns, woran das liegen könnte“, erinnert sich Marlene Wedl, Programmleiterin im Bereich Gesundheit, zurück. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, begannen die Volkshochschule und die Lebenshilfe Regensburg e. V. zusammenzuarbeiten. Schnell wurde klar, dass physische Barrieren nicht das einzige Hindernis darstellten: Vielmehr waren sich die Menschen mit Behinderung nicht darüber bewusst, dass sich das Programm der Volkshochschule auch an sie richtet. Viele ließen sich auch durch das komplexe Angebot oder den Anmeldeprozess zu den einzelnen Kursen abschrecken oder waren damit schlichtweg überfordert. Hinzu kamen große Unsicherheiten und Ängste bezüglich einer Kursteilnahme.

Ein eigenes Kursprogramm in Leichter Sprache

Um die Menschen mit Behinderung von der Idee zu begeistern, kam die Volkshochschule kurzerhand mit einigen Schnupperkursen wie zum Beispiel Yoga in die Räumlichkeiten der Lebenshilfe Regensburg e. V. und stellte sich und ihr Angebot vor. „Wir sind gleichberechtigt aufeinander zugegangen und das war ein großer Erfolg“, freut sich Marlene Wedl noch heute darüber. Das war schließlich auch die Geburtsstunde des gemeinsamen Projekts „LISI - Lernen Im Sozialraum – Inklusiv“. Weil für ein solches Projekt natürlich auch finanzielle Mittel benötigt werden, folgte im Jahr 2017 ein Projektantrag bei Aktion Mensch durch die Lebenshilfe Regensburg e. V. Die Förderung wurde bewilligt und nach einiger Vorarbeit ging das Projekt im Frühjahr 2019 endlich an den Start.

Seither arbeiten die Volkshochschule und die Lebenshilfe Regensburg e. V. als Initiatoren des Projekts Hand in Hand: Wie gewohnt erstellt die Volkshochschule drei Mal im Jahr ihr Kursprogramm – einmal für das Halbjahr „Frühjahr und Sommer“, ein „Sommer-vhs“ Programm und einmal für das Halbjahr „Herbst und Winter“. Ist das Kursprogramm fertig, wird es jeweils an die Lebenshilfe Regensburg e. V. geschickt. Dort sucht der „Beirat der Offenen Hilfen“ – ein ehrenamtliches Gremium, das Menschen mit Lern-Schwierigkeiten oder Behinderungen vertritt – verschiedene, geeignete Angebote wie zum Beispiel Tanzkurse, Kochkurse, Stadtführungen oder Kreativ-Kurse heraus. David Löw, der Projektkoordinator, übersetzt die Beschreibung der ausgewählten Kurse in die sogenannte „Leichte Sprache“. „Die Leichte Sprache zeichnet sich dadurch aus, dass die Komplexität des Textes reduziert ist und der Text leicht verständlich ist. Das erreicht man zum Beispiel indem man kurze und einfache Sätze verwendet“, erklärt David Löw. Mit ins Boot geholt wurden im Laufe des Projekts auch die Volkshochschule Regensburger Land e. V., das Evangelische Bildungswerk Regensburg e. V. und die Katholische Erwachsenenbildung in der Stadt Regensburg e. V., die das Kursangebot ihrerseits ergänzen

David Löw, Projektkoordinator bei der Lebenshilfe Regensburg e. V.
David Löw, Projektkoordinator bei der Lebenshilfe Regensburg e. V. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Assistenzen geben die nötige Sicherheit

Die Kursangebote in Leichter Sprache werden in einem Extra-Heft gedruckt und an die Zielgruppe verteilt. Enthalten ist im Heft auch ein Anmeldebogen in Leichter Sprache. Die Interessierten können diesen Bogen aus dem Heft trennen, ausfüllen und direkt bei der Lebenshilfe Regensburg e. V. abgeben. Die Lebenshilfe Regensburg e. V. schickt die Anmeldebögen dann wiederum an die Volkshochschule. „Wir achten darauf, dass in den Kursen immer eine Balance zwischen den Teilnehmern mit und ohne Behinderung besteht. Es sollen schließlich alle von den Kursen profitieren und Freude daran haben“, versichert Marlene Wedl.

Weil die Hemmschwelle für Menschen mit Behinderung auch trotz dieses Angebots in Leichter Sprache oft noch sehr hoch ist, wird ihnen von der Lebenshilfe Regensburg e. V. bei Bedarf eine sogenannte Assistenz zur Verfügung gestellt. Die Assistenz kümmert sich zum Beispiel um den Anfahrtsweg, nimmt ebenfalls ganz normal am Kurs teil und greift den betroffenen Teilnehmern wenn nötig vor Ort unter die Arme. Auch David Löw ist selbst regelmäßig als Assistenz dabei. „Alleine würden die meisten nicht kommen. Die Assistenz gibt ihnen Sicherheit“, weiß er aus Erfahrung. „Ich war anfangs wirklich überrascht, wie positiv die Rückmeldungen waren – gerade auch von den Menschen ohne Behinderung. Meistens ist es so, dass es zu Beginn der Kurse zwei Gruppen gibt, die sich dann im Laufe der Zeit super vermischen. Im Idealfall entsteht dadurch nicht nur ein Miteinander-Lernen, sondern auch ein Voneinander-Lernen“, freut sich David Löw über den Erfolg des „LISI“-Projekts. Auch Marlene Wedl ist vom Projekt überzeugt: „Es läuft wirklich toll. Die Kurse sind gut besucht und die Rückmeldungen positiv. Das zeigt uns, dass sich die Arbeit lohnt!“

Sich selbst ein Stück Selbstständigkeit erarbeiten

Außerdem sind sich die beiden sicher, dass gerade der Bereich der Erwachsenenbildung gut geeignet ist, um niedrigschwellig Inklusion zu ermöglichen. Der Grund: Es gibt keinen Leistungsdruck. Doch auch wenn die Freude am Lernen bei den Kursen oft an erster Stelle steht, können die Kurse für Menschen mit Behinderung einen großen Wert haben, der über das schöne Gefühl der Zugehörigkeit und des Miteinanders hinausgeht. „Ein Kochkurs zum Beispiel kann für einen Menschen mit Behinderung sehr bedeutend sein. Er macht das vielleicht nicht nur zum Spaß, sondern erarbeitet sich damit auch ein Stück Selbstständigkeit“, erklärt Marlene Wedl.

Doch auch wenn das „LISI“-Projekt ein Erfolg auf ganzer Linie ist, stehen Marlene Wedl und David Löw nun vor einem großen Problem: Die finanzielle Förderung von Aktion Mensch wird im Frühjahr 2021 nach einer zweijährigen Laufzeit beendet. Die Zukunft des „LISI“-Projekts ist deshalb momentan ungewiss – obwohl genügend Bedarf da ist. „Wir müssen eine Lösung finden und die Finanzierung dauerhaft klären, damit auch künftig Menschen mit und ohne Behinderung zusammen lernen können“, sind sich Marlene Wedl und David Löw auch hier wieder einig. Dr. Susanne Kraft, Leiterin der Volkshochschule, ergänzt: „Auch in finanziell schwierigen Zeiten müssen wir alles dafür tun, erfolgreiche Projekte fortzusetzen und Inklusion durch Bildung zu ermöglichen“.

Die Kursangebote werden in Leichter Sprache in einem Extra-Heft gedruckt.Die Kursangebote werden in Leichter Sprache in einem Extra-Heft gedruckt. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Text: Verena Bengler