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Gemeinsamer Einsatz für den fairen Handel

Regensburg ist seit zehn Jahren Fairtrade-Stadt. Das runde Jubiläum wird am 30. November 2022 mit einem Festakt gefeiert. Um die Anforderungen des Vereins Fairtrade Deutschland e. V. zu erfüllen, ist die ganze Stadtgesellschaft gefragt.

Fotografie: Vier bunte Würfel bilden das Wort „Fair“.

30. November 2022

Faitrade-Stadt zu werden und zu bleiben, ist eine Gemeinschaftsaufgabe: Die Bewerbung läuft zwar über die Stadtverwaltung, aber die Bewertungsmaßstäbe sind so gestaltet, dass sich die Stadtgesellschaft insgesamt engagieren muss. Der Verein Fairtrade Deutschland e. V. hat die Auszeichnung bislang an 815 Städte in ganz Deutschland verliehen. Regensburg war im November 2012 die 127ste Stadt, die mit dem Titel ausgezeichnet worden ist. Fünf Kriterien sind dafür zu erfüllen: Die Einrichtung einer zentralen Fairtrade-Steuerungsgruppe, in der neben der Stadtverwaltung Mitglieder aus unterschiedlichen Institutionen und Organisationen vertreten sein müssen, ist die erste Voraussetzung. Darüber hinaus muss eine Stadt von der Größe Regensburgs mindestens 25 Einzelhandelsgeschäfte und 13 Gastronomiebetriebe nachweisen, in denen Fairtrade-Produkte angeboten werden. Und sie braucht Schulen und Vereine, die sich mit dem Thema beschäftigen, einen Stadtrat und Bürgermeister, die bei ihren Sitzungen, beziehungsweise in ihren Büros, Fairtrade-Kaffee sowie mindestens ein weiteres fair gehandeltes Produkt verwenden, und Medien, die regelmäßig über Fairtrade-Projekte berichten. In Regensburg war all dies Ende 2012 erreicht. In einem Festakt am 30. November 2012 konnte die Stadt den Titel entgegennehmen.

Fotografie: 4 aufeinandergestapelte Würfel mit Nachhaltigkeitszielen
Nachhaltiger Konsum bzw. Produktion ist das zwölfte der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Nicht nur Mode betroffen

Auf den Tag genau zehn Jahre später, am 30. November 2022, wird das Jubiläum nun wiederum mit einem Festakt im Auditorium des Thon-Dittmer-Palais gefeiert. Um den Titel zu behalten, muss die Stadt alle zwei Jahre nachweisen, dass die Voraussetzungen nach wie vor gegeben sind. „Das ist uns seit 2012 immer gelungen“, sagt Sabine Leistner. Sie leitet den Weltladen „una terra“ in Regensburg und war von Beginn an in der Steuerungsgruppe dabei. Die Gruppe trifft sich nach wie vor etwa alle ein bis zwei Monate und hat über die Jahre viele Aktionen auf die Beine gestellt, um das Thema Fairtrade in die Öffentlichkeit zu bringen. „Einer der Höhepunkte war sicher unsere Faire Modenschau im knallvollen Degginger im Jahr 2018“, berichtet Leistner. Mehrere Regensburger Geschäfte, die fair produzierte Kleidung anbieten, zeigten dabei ihre Kollektionen. Auch die Kleidertauschpartys, die die Gruppe regelmäßig organisiert, erfreuen sich großer Beliebtheit.
Fairtrade beschränkt sich aber nicht allein auf den Bereich Mode – auch wenn die Zusammenhänge zwischen Konsum und Arbeitsbedingungen hier besonders sichtbar und bekannt sind. „Eine unserer besonders erfolgreichen Aktionen war die Verteilung von fair produzierten Bällen an alle Regensburger Schulen“, berichtet Gisela Niklas-Eiband, die für den Katholischen Deutschen Frauenbund in der Steuerungsgruppe teilnimmt.

Fairtrade als Entscheidung

Um die Vielfalt des Angebots abzubilden, konzipierte die Gruppe vor zwei Jahren eine faire Stadtralley. Mitgemacht haben damals viele kleine Läden in der Altstadt. Geschäften, die fair produzierte Produkte anbieten und Organisationen, die aktiv die Grundsätze des fairen Handels vertreten, stellt sie außerdem Schilder zur Verfügung, um in ihrem Engagement sichtbarer zu werden. Auch auf Veranstaltungen, die auf den ersten Blick wenig mit dem Thema Fairtrade zu tun haben, ist die Gruppe regelmäßig präsent: sei es beim Katholikentag, der 2014 in Regensburg stattgefunden hat, beim Tag der offenen Tür im Alten Rathaus oder auf dem Christkindlmarkt, wo die Gruppe jedes Jahr Nikoläuse aus fair produzierter Schokolade verteilen lässt. Jüngste Aktion war die Faire Filmwoche im Herbst 2022. „In den Filmen ging es um Themen wie Ressourcengerechtigkeit, Gender- und Frauenrechte – aber auch darum, zu zeigen, wie unsere Alltagsgegenstände eigentlich hergestellt werden“, erklärt Iris Eibl, Angestellte des städtischen Kinderschutzhauses und Mitarbeiterin der Steuerungsgruppe. Ein Teil der Vorführungen richtete sich an Schulen, die dieses Angebot gerne annahmen. „Uns ist wichtig, zu zeigen, dass Fairtrade immer eine Entscheidung ist, die man bewusst treffen kann – und auch sollte“, so Eibl. „Es geht darum, vor dem Kauf neuer Produkte zu überlegen, wer unter Umständen darunter leidet, dass ich das jetzt kaufe, bzw. welche Menschen ich damit unterstützen kann, wenn ich mich für die faire Variante entscheide.“

Fotografie: Eröffnung des Nachhaltigkeitspfades 2020 mit Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer und Nachhaltigkeitsmanager Michael Grein
Eröffnung des Nachhaltigkeitspfades 2020 mit Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer und Nachhaltigkeitsmanager Michael Grein © Bilddokumentation Stadt Regensburg
Fotografie: Mitarbeiter des Gartenamts in „fairer Arbeitskleidung“
Das Pilotprojekt „faire Arbeitskleidung“ startete im Gartenamt. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Neuer Aufwind durch den Nachhaltigkeitsmanager

Bei der Stadtverwaltung habe das Thema Fairtrade einen regelrechten Schub bekommen, als mit Michael Grein im März 2020 zum ersten Mal ein eigener Nachhaltigkeitsmanager eingestellt wurde, erklärt Sabine Leistner. Die Gruppe habe die Einrichtung dieser Stelle, die durch den Bund bezuschusst wurde, forciert. Schließlich sei der verantwortungsvolle Umgang bei Produktion und Konsum eines der 17 Nachhaltigkeitsziele, die die Vereinten Nationen 2015 auf ihrem Gipfel in New York beschlossen haben. Einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit hat die Stadt seitdem etwa bei der Beschaffung ihrer Arbeitskleidung getan. Ungefähr 30 Prozent der rund 4.000 städtischen Beschäftigten sind in Bereichen tätig, in denen spezielle Kleidung getragen wird, so etwa auf den Bauhöfen, bei der Stadt- oder Gebäudereinigung oder im Klärwerk. „Wir haben 2021 im Gartenamt ein Pilotprojekt gestartet und Arbeitskleidung aus fairer Produktion eingeführt“, berichtet Michael Grein. Nach den guten Erfahrungen wurde das Projekt mittlerweile auf weitere städtische Ämter ausgedehnt. Mittlerweile beziehen auch das Amt für Kreislaufwirtschaft, Stadtreinigung und Flottenmanagement, das Tiefbauamt und das Amt für Gebäudeservice ihre Arbeitskleidung ausschließlich aus fairer Produktion. Weitere Ämter, die aktuell noch durch laufende Rahmenverträge gebunden sind, werden folgen. „Einzelne Dienststellen, für die sich eine Rahmenvereinbarung aufgrund von geringen Bestellmengen nicht lohnt, achten bei der Beschaffung bereits jetzt auf die entsprechenden Siegel“, so Grein. Auch im Bereich Lebensmittel geht die Entwicklung weiter: „Seit Anfang des Jahres stellen wir die städtischen Kantinen – insbesondere auch in Schulen und Kitas – um“, erklärt der Nachhaltigkeitsmanager. „Es gibt jetzt eine Bioquote und bestimmte Lebensmittel, zum Beispiel Südfürchte wie Bananen oder Ananas, Orangensaft, Kakao, Kaffee, Grün- und Schwarztee, oder auch Rohzucker und Reis müssen aus fairem Handel kommen.“

Beeindruckende Vielfalt

Die Nachhaltigkeitswoche, die Grein im Sommer 2022 bereits zum zweiten Mal mit vielen Partnern in Regensburg veranstaltet hat, zeigt, wie vielfältig das Thema ist. 70 Akteure – vom DAX-Unternehmen bis zur Kita – haben mitgemacht, und die insgesamt 120 Veranstaltungen im ganzen Stadtgebiet wurden von mehr als 10.500 Besucherinnen und Besuchern wahrgenommen. Auch die Fairtrade-Steuerungsgruppe war selbstverständlich dabei. Um die Vielfalt auch außerhalb der Nachhaltigkeitswoche sichtbar zu machen, ist zu den Jubiläumsfeierlichkeiten Ende November ein Relaunch der Seite www.regensburg-nachhaltig.de geplant. Einheimische wie Touristen sollen sich hier künftig noch schneller und bequemer darüber informieren können, welche Angebote es in Regensburg im Bereich Nachhaltigkeit gibt und wo sie zu finden sind.

Text: Katrin Butz