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Der Mann, der das Rathaus zerlegt

Vermessungstechniker Johannes Dorn kennt jeden Zentimeter des Alten Rathauses. Mit einem 3D-Laserscanner erfasst er jeden Winkel, zerlegt ihn digital in Milliarden Punkte und setzt seine 360 Grad-Aufnahmen zu 3D-Ansichten zusammen

Johannes Dorn arbeitet als Vermessungstechniker im Amt für Stadtentwicklung bei der Stadt Regensburg.
Johannes Dorn arbeitet als Vermessungstechniker im Amt für Stadtentwicklung bei der Stadt Regensburg. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

13. August 2019

Keiner kennt den historischen Reichssaal des Alten Rathauses so genau wie Johannes Dorn. Kein Stadthistoriker, kein Gästeführer muss jetzt beleidigt sein, denn hier geht es nicht um historische Fakten. Johannes Dorn interessiert sich weniger für die geschichtlichen Details, er kennt stattdessen jeden Zentimeter des einstigen Tanzsaals. Er hat den rund 700 Jahre alten Prunkraum und das Alte Rathaus mit einem 3D-Laserscanner digital in Milliarden winziger Punkte zerlegt und als „Punktwolke“ erfasst. Heraus kommen dabei 360 Grad-Aufnahmen wie diese:

3D-Scan des Alten Rathauses - Video

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Die Aufnahmen ähneln denen einer Wärmebildkamera, sagen aber nichts über Temperaturen aus. Die Farbunterschiede spiegeln helle und dunkle Bereiche wider.
Die Aufnahmen ähneln denen einer Wärmebildkamera, sagen aber nichts über Temperaturen aus. Die Farbunterschiede spiegeln helle und dunkle Bereiche wider. © Stadt Regensburg

Der gelernte Vermessungstechniker vermisst zahlreiche städtische Gebäude - vom gotischen Saal über Kitas bis hin zum Büro. Das Alte Rathaus ist sein aktuelles Projekt. Das Problem bei historischer Bausubstanz sind nämlich oft die Baupläne, die manchmal gar nicht oder nur unvollständig vorhanden sind. Herkömmliche Messungen mit Zollstock oder Laserpointer kommen hier nicht in Frage: Sie können nicht annähernd so viele Details erfassen wie ein Laserscanner. Im Laufe der Jahrhunderte wurde mal hier etwas angebaut, mal dort ein Zugang verschlossen, so dass durchaus eine Nische abhandengekommen sein könnte. „Bis jetzt hab ich aber noch keinen geheimen Raum entdeckt“, bedauert Johannes Dorn. Trotzdem ist seine Arbeit wichtig, denn sie sorgt dafür, dass nicht nur die Substanz der Gemäuer, jede einzelne Steckdose und jeder Lampenauslass erfasst werden. Anhand seiner Aufnahmen können jetzt auch wirklich verlässliche Grundrisse der Gebäude erstellt werden. Die Laserscans können langfristig auch für Stadtentwicklungsmaßnahmen genutzt werden. Mit ihrer Hilfe könnten sich beispielsweise geplante bauliche Veränderungen in der Stadt vorab visualisieren lassen.

Bei seinem Job kommt Johannes Dorn seine Leidenschaft für Computer entgegen. Er ist in den 1980er-Jahren geboren und damit ein sogenannter „Digital native“. Die Nachbearbeitung der Scanner-Aufnahmen, das Filtern des Materials, das Aufspüren potentieller Fehlerquellen und auch das Zusammenfügen der Punktwolken am PC im Büro – für ihn keine nervige Angelegenheit. „Ich weiß ganz gut, was mein Rechner braucht und wie ich ihn behandeln muss“, sagt er mit einem Schmunzeln.
Bis eine 3D-Ansicht wie im Video oben zu sehen fertig ist, dauert es mehrere Tage - wobei die meiste Zeit die Berechnung einnimmt. Die Datenmengen sind riesig: Allein die fertigen Scans des Thon Dittmer-Palais´ am Haidplatz belaufen sich auf mehr als 300 Gigabyte, das entspricht in etwa 60 DVDs. Dorns Tätigkeit am Rechner mutet ein bisschen an wie Puzzeln. Hier kommt seine zweite Leidenschaft ins Spiel – und zwar wortwörtlich: Johannes Dorn ist aktives Mitglied im Gamer Verein Regensburg. Dort trifft er Gleichgesinnte, die PC- wie Brettspiele gleichermaßen mögen. Fantasy und Adventure sind seine bevorzugten Spielwelten. Da verwundert es auch nicht, dass er ein bisschen auf geheime Räume im Alten Rathaus hofft...

Text: Claudia Biermann