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Das Thema Nachhaltigkeit in den Köpfen verankern

Seit Mitte März 2020 hat die Stadt Regensburg einen Koordinator für kommunale Entwicklungspolitik. Michael Grein möchte das Bewusstsein dafür schärfen, dass wir mit unserem Konsumverhalten die Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern verbessern und damit gleichzeitig Fluchtursachen und Klimawandel bekämpfen können.

Seit 2012 ist Regensburg Fairtrade-Stadt.
Seit 2012 ist Regensburg Fairtrade-Stadt. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

23. April 2020

Das Zauberwort heißt „Nachhaltigkeit“. Und es hat verschiedene Aspekte. Zum einen geht es dabei um die Umwelt. Ökologisch produzierte Produkte bedeuten einen geringen Verbrauch an Ressourcen, weniger umweltschädliche Emissionen und weniger Pestizide und Chemikalien. Das hat entscheidende Auswirkungen auf den Klimawandel, schont die Umwelt und trägt wesentlich dazu bei, unsere Lebensqualität zu erhalten.

Schon jetzt spüren wir alle, dass der globale Klimawandel auch uns nicht verschont. Trockenheit bereits ab dem Frühjahr bringt die Landwirtschaft in Bedrängnis und bedroht die Trinkwasserreserven, extreme Hitze in den Sommermonaten beeinträchtigt die Lebensqualität und raubt den Schlaf; Starkregen und Hochwasser sind auch in unseren Breiten Wetterphänomene, die durchaus gravierende Auswirkungen auf unser Leben haben.

Bessere Lebensbedingungen für alle Menschen

Noch schlimmer sind die Auswirkungen des Klimawandels im Globalen Süden, den sogenannten Entwicklungsländern. Fast täglich berichten die Medien über schwere Dürreereignisse, Überschwemmungen und daraus resultierende Hungersnöte, Epidemien oder Kriege, die die Menschen dazu treiben, auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen ihr Land zu verlassen.

Bessere Lebensbedingungen für alle Menschen, das bedeutet aber auch, dass soziale Kriterien bei Kaufentscheidungen berücksichtigt werden müssen. Solange in vielen Produktionsstätten im Globalen Süden Menschenrechte mit Füßen getreten werden, bereits kleine Kinder unter unwürdigen Bedingungen Waren produzieren müssen und daher keine Schule besuchen können, faire Arbeitsbedingungen und der Zugang zu einem funktionierenden Gesundheitssystem alles andere als selbstverständlich sind, solange es Zwangsarbeit gibt und eine existenzsichernde Bezahlung der Arbeit ein Traum bleibt, solange werden auch Fluchtursachen nicht dauerhaft bekämpft werden können.

Aber was kann eine Kommune wie Regensburg, was können wir alle dafür tun, dass Nachhaltigkeit, faire Beschaffung und menschenwürdige Produktionsbedingungen nachverfolgt werden können und hier vor Ort, aber auch von den internationalen Handelsketten künftig stärker berücksichtigt werden?

Seit März koordiniert Michael Grein die kommunale Entwicklungspolitik.
Seit März koordiniert Michael Grein die kommunale Entwicklungspolitik. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Sensibilität schärfen

Michael Grein, dessen Stelle bis Dezember 2021 durch die Engagement Global gGmbH im Rahmen des „Servicestelle Kommunen in der Einen Welt-Programms“ mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird, hat sich genau dies auf seine Fahnen geschrieben. Sowohl innerhalb der Stadtverwaltung, als auch in der gesamten Stadt Regensburg will er die Sensibilität für dieses Thema schärfen und Möglichkeiten für eine stärkere Nutzung von nachhaltig produzierten und fair gehandelten Produkten aufzeigen. Und dadurch schließlich entwicklungspolitische Effekte in den Ländern des Globalen Südens sowie eine Verbesserung globaler Lebens- und Arbeitsbedingungen herbeiführen.

Gerade die Stadtverwaltung habe hier eine wichtige Vorbildfunktion, betont Grein, der gerade dabei ist, einen Kriterienkatalog zu entwickeln. Schließlich wirtschafte eine Kommune mit öffentlichen Geldern und übernehme damit eine nicht geringe lokale, aber auch globale Verantwortung. Der direkte Kontakt zur Bürgerschaft, aber auch zur Wirtschaft und zum Handel verpflichte dazu, für dieses Thema zu sensibilisieren und diesbezüglich auch Engagement zu fördern. „Mein Ziel ist es, die Stadtgesellschaft für diese Themen zu begeistern und die Zusammenhänge bewusst zu machen“, unterstreicht der 36-Jährige. Sein Ziel sei es, das bereits vorhandene Fairtrade -Netzwerk (Regensburg ist ja bereits seit 2012 Fairtrade-Stadt) weiter auszubauen sowie weitere vor Ort ansässige Institutionen und Akteure im Bereich Nachhaltigkeit zu stärken und miteinander zu vernetzen, um möglichst viele Menschen für die Thematik zu gewinnen und gemeinsam mit ihnen einen Fahrplan für mehr Nachhaltigkeit in der Stadt Regensburg zu entwickeln. Denn schließlich greife die Argumentation, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den sogenannten Entwicklungsländern müssten hierzulande niemanden interessieren, viel zu kurz. Über kurz oder lang würden die Auswirkungen auch bei uns spürbar sein, meint Grein. „Wir haben es heute noch in der Hand, auch langfristig unsere Lebensqualität auch für folgende Generationen zu erhalten.“

Logo Fairtrade-Stadt

UN-Nachhaltigkeitsziele

Bereits im Jahr 2015 hatten die Vereinten Nationen die Agenda 2030 verabschiedet, in der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung und für ein menschenwürdiges Leben auf allen Kontinenten formuliert sind (Sustainable Development Goals). Sie reichen von einer gleichwertigen Bildung für alle über die Verfügbarkeit von Trinkwasser und den Schutz von Ökosystemen bis zur Stärkung von Globalen Partnerschaften.

Damit die Stadt Regensburg ihrer Vorbildfunktion gerecht werden kann, will Grein sein Augenmerk künftig darauf lenken, das Bewusstsein für fair und nachhaltig produzierte Gebrauchsgüter zu schärfen. Die Produktpalette ist durchaus umfangreich und umfasst beispielsweise fair gehandelten Kaffee oder Orangensaft, der bei Stadtratssitzungen ausgeschenkt wird, genauso wie  Büromöbel, deren Holz unter nachhaltigen Bedingungen gewachsen ist, oder Computer, Handys und Drucker. Diese sollten unbedingt vor der Anschaffung sowohl auf soziale Produktionskriterien, wie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und existenzsichernde Löhne für die Arbeiterinnen und Arbeiter kontrolliert werden, aber auch auf ökologische Aspekte wie Energieverbrauch oder Einsatz von umwelt- und gesundheitsschädlichen Chemikalien beim Herstellungsprozess. Wichtig ist auch, inwieweit sie nachzurüsten oder ob Ersatzteile verfügbar sind, um Ressourcen zu schonen. Auch eine Überprüfung darauf, ob beispielsweise die Produktion von Arbeitskleidung durch ausbeuterische Kinderarbeit stattfindet, oder ob die Beschäftigten unter menschenwürdigen Bedingungen fertigen konnten und faire Bezahlung für ihre Arbeit erhielten, sind entscheidende Kriterien, die künftig noch mehr Beachtung bei der Beschaffung finden sollen.

Auch bei Spielzeug und Sportgeräten sollte man auf das Fairtrade-Siegel achten.
Auch bei Spielzeug und Sportgeräten sollte man auf das Fairtrade-Siegel achten. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Hilfestellung können dabei verschiedene ökologische wie soziale Siegel, wie beispielsweise Der Blaue Engel, das Fairtrade-Siegel, das Deutsche Bio-Siegel, Naturland, FSC oder XertifiX  leisten. Sie machen es möglich, Lieferketten und Produktionsbedingungen zurückzuverfolgen. „Diese Labels haben eine hohe Glaubwürdigkeit“, betont Grein, der gleichzeitig davor warnt, dass es auch einige Zertifikate gibt, die von Unternehmen in Eigenregie entwickelt wurden und weniger Aussagekraft und Glaubwürdigkeit besitzen.

Text: Dagmar Obermeier-Kundel