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Green Deal – Regensburg setzt sich höhere Ziele beim Klimaschutz

Im Interview erklären Umwelt-Bürgermeister Ludwig Artinger und Rudolf Gruber, Leiter der Stabsstelle Klimaschutz und Klimaresilienz, was sich die Stadt mit dem „Green Deal Regensburg“ vornimmt.

Fotografie: Photovoltaikanlage auf einem Flachdach

16. August 2021

Die Stadt Regensburg unternimmt entscheidende Schritte zum Klimaschutz. Schon im April 2021 haben Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer und Umwelt-Bürgermeister Ludwig Artinger den „Green Deal Regensburg“ ausgerufen. Im Juli hat der Stadtrat höhere Klimaziele beschlossen und festgelegt, wie die selbstgesetzten Ziele erreicht werden können. Im Mittelpunkt steht dabei der Aktionsplan Energie und Klima, der vorsieht, dass bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen in Regensburg um 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Bis 2030 soll die Stadtverwaltung klimaneutral werden. In einem weiteren Schritt sollen bis 2035 die städtischen Tochterunternehmen und die Gesamtstadt das Ziel der Klimaneutralität erreichen.

Im Interview mit regensburg507 erklären der für Umwelt und Klimaschutz zuständige Bürgermeister Ludwig Artinger und Rudolf Gruber, Leiter der in Artingers Ressort angesiedelten Stabsstelle Klimaschutz und Klimaresilienz, was sich die Stadt vornimmt.

Warum setzt sich die Stadt so anspruchsvolle Ziele beim Klimaschutz?

Artinger: Der Klimawandel kommt nicht irgendwann, er ist mit seinen Folgen schon jetzt deutlich spürbar. Wir erleben auch in unserer Region einen Anstieg der Durchschnittstemperaturen und eine Häufung von extremen Wetterphänomenen. Erst vor kurzem hat nicht allzu weit weg von uns, in Tschechien, ein Tornado mit fürchterlichen Folgen gewütet, was bisher in Mitteleuropa sehr selten war. Im Juli haben dann die katastrophalen Überflutungen nach Starkregen in mehreren deutschen und benachbarten Regionen gezeigt, wie verheerend die Auswirkungen solcher Ereignisse sein können. All dies macht deutlich, warum es so dringend notwendig ist, noch mehr für den Klimaschutz zu tun.

Außerdem ist es beim Klimaschutz wichtig, auf allen Ebenen verstärkte Anstrengungen zu unternehmen – von der EU bis hin zu den Kommunen. Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2021 entschieden, dass die Bundesregierung über ihre bereits beschlossenen Maßnahmen hinausgehen muss. Daraufhin wurde auf Bundesebene ein Sofortprogramm beschlossen, in Bayern sind ebenfalls verstärkte Maßnahmen zu erwarten, und auch die Stadt Regensburg gibt sich jetzt noch ambitioniertere Ziele.

Wo steht die Stadt aktuell?

Artinger: Regensburg hat schon viel unternommen: Beispielsweise hat die Stadt 2013 einen Energienutzungsplan erstellt, der 2017 um das Leitbild Energie und Klima ergänzt worden ist. Die Stadt hat das Programm „Regensburg effizient“ aufgelegt, mit dem die Anschaffung von klimafreundlichen Geräten und ähnliches mehr bezuschusst wird. Seit 2016 gibt es für das Stadtgebiet eine Übersicht, auf welchen Dächern die Installation einer Solaranlage lohnend sein kann. Wir fördern Gewerbetreibende und Privatleute beim Kauf von Elektroautos und E-Rädern. Seit 2018 arbeitet die Stadt an einem Energie- und Klimaschutzmanagement, und 2019 ist Regensburg dem internationalen Konvent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zum Schutz des Klimas beigetreten. In der Stadtverwaltung wurden zusätzliche Stellen für Klimaschutzmanagement und Klimaresilienzmanagement geschaffen.

Und nun gehen wir einen sehr großen Schritt weiter. Wir stecken uns durchaus anspruchsvolle Ziele – zum einen, dass in Regensburg bis 2030 die Emission von Treibhausgas um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert wird. Geschafft haben wir bisher eine Reduzierung um etwa 40 Prozent. Bis 2035 soll Regensburg als Ganzes klimaneutral sein.

Fotografie: Das Haus für Energie- und Umweltbildung Rubina auf dem Gelände der ehemaligen Nibelungenkaserne
Das Haus für Energie- und Umweltbildung Rubina auf dem Gelände der ehemaligen Nibelungenkaserne © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Wie kann das erreicht werden?

Gruber: Zunächst einmal will die Stadt mit gutem Beispiel vorangehen, indem wir uns vorgenommen haben, die Stadtverwaltung bis 2030 klimaneutral zu machen. Dabei geht es um die Wärmesanierung unserer städtischen Gebäude, um den Abschied von Öl und Gas beim Heizen und Warmwasser und den Ersatz durch erneuerbare Energie. Bei der Stromversorgung setzen wir neben dem Ökostrom der Rewag verstärkt auf Photovoltaik auf städtischen Gebäuden.

Artinger: In Regensburg haben wir ja bereits einige Gebäude, die sehr innovativ mit Wärme und Kälte versorgt werden. Das Haus der Musik und das Museum der bayerischen Geschichte werden mit Anlagen versorgt, die die Temperatur des Abwassers nutzen. In der TechBase wird eine sogenannte Eisheizung eingesetzt. Unser Umweltzentrum „Rubina“ punktet mit viel Holz, Geothermie und Photovoltaik. Und die Stadtbau plant den massiven Einsatz innovativer erneuerbarer Energietechnik in ihren neuen, überwiegend aus Holz gebauten Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Leopold-Kaserne. Die klimafreundliche Technik ist vorhanden und wir werden sie einsetzen, wo immer es geht.

Die Maßnahmen innerhalb der Stadtverwaltung werden natürlich nicht reichen, um die schädlichen Emissionen im Stadtgebiet drastisch zu senken. Deswegen hat sich die Stadt dem „Green Deal“ der Europäischen Union mit ihrem eigenen „Green Deal Regensburg“ angeschlossen, mit dem wir die gesamte Stadtgesellschaft ansprechen. Dabei setzen wir auf eine enge Einbindung der bei uns ansässigen Wirtschaft, der Wissenschaft und der Umweltverbände. Und natürlich wollen wir auch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger dafür gewinnen, aus eigener Initiative etwas für den Klimaschutz zu tun.

Gerade Wirtschaftsunternehmen – vom großen Industrieunternehmen bis zum Handwerksbetrieb – verbrauchen große Mengen an Energie. Wie wollen Sie sie zum Mitmachen animieren?

Artinger: Wir erfahren jetzt schon viel Unterstützung für unsere Klimaschutzpläne. Die begonnene CO2-Besteuerung, die sich ja weiter erhöhen wird, und so manches Förderprogramm setzen finanzielle Anreize für den Umstieg auf erneuerbare Energie. Außerdem tun viele Unternehmen in Regensburg ja bereits aus eigenem Antrieb viel für den Klimaschutz, vom Einsatz von Elektroautos über neue, umweltfreundliche Klimatechnik bis hin zu klimafreundlichen Produktionsverfahren. In sehr vielen Unternehmen herrscht die Überzeugung, dass ihre Zukunftsfähigkeit auch von ihrer Klimafreundlichkeit abhängt.

Gruber: Damit wir möglichst viele Betriebe und Privatleute mit Beratung unterstützen können, haben wir die Energieagentur für die Stadt und die Landkreise Regensburg und Kelheim ins Boot geholt, die eine wichtige Rolle bei der Umsetzung unseres „Green Deal Regensburg“ spielen wird. Die Energieagentur arbeitet auch schon mit dem städtischen Referat für Wirtschaft, Wissenschaft und Finanzen beim „Green Tech Cluster“ Regensburg zusammen.

Artinger: Untergebracht ist die Energieagentur übrigens im Haus Rubina, dem multifunktionalen Umwelt- und Bildungszentrum der Stadt. Nicht weit entfernt vom Rubina, an der Ostbayerischen Technischen Hochschule, arbeitet ein hoch anerkannter Fachmann für erneuerbare Energie und Speichertechnik. Überhaupt ist in Regensburg schon Vieles in Bewegung.

Gruber: Ein Umstieg auf erneuerbare Energieversorgung für Regensburg wird nur in enger Abstimmung und unter Mitwirkung der Wirtschaft und des städtischen Energieversorgers Rewag möglich sein. Mit dem Elektrobus Emil in der Altstadt hat unser Stadtwerk die Elektrifizierung der städtischen Busflotte sehr erfolgreich begonnen, weitere elektrische Busse kommen Schritt um Schritt hinzu. Das Stadtwerk hat außerdem die Versorgung mit Ladesäulen so stark ausgebaut, dass wir mit dieser Dichte einen der bundesweiten Spitzenplätze belegen. Ein erfolgreiches Carsharing-System mit Elektrofahrzeugen bietet das Stadtwerk unter der Marke „Earl“ ebenfalls an.

Artinger: All dem und noch vielem anderen mehr werden wir jetzt einen weiteren starken Schub geben.

Und wie sieht der Plan dazu aus?

Artinger: Das wesentliche Instrument bei der Umsetzung unserer durchaus ehrgeizigen Ziele ist der Aktionsplan Energie und Klima, der im Auftrag der Stadt von der Energieagentur betreut wird. Diesen Plan verstehen wir als eine ständige Fortentwicklung. Mit diesem Aktionsplan werden jährlich neue Maßnahmen entwickelt, um die Treibhausgasemissionen kontinuierlich zu senken.

Fotografie: Lastenräder
Im Rahmen des Programms „Regensburg effizient“ fördert die Stadt unter anderem die Anschaffung von Lastenrädern. © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Ist bekannt, welche Arten von Energie mit welchem CO2-Ausstoß in Regensburg verbraucht werden?

Gruber: Diese Zahlen sind ja ein wichtiger Ausgangspunkt für die Beurteilung des CO2-Ausstoßes im Stadtgebiet. 40 Prozent davon entfallen auf die Stromproduktion, 41 Prozent auf die Wärmeversorgung, 19 Prozent auf den Verkehr. Im Jahr 2019 wurden in Regensburg insgesamt rund 1,3 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt, wobei ein großer Teil davon auf die Produktion von Heizwärme und Warmwasser entfällt. Und dabei wiederum liegt Erdgas beim Verbrauch wie auch beim CO2-Ausstoß an erster Stelle. 45 Prozent des in Regensburg verbrauchten Erdgases benötigt übrigens unsere örtliche Wirtschaft.

Artinger: Es ist also enorm wichtig für den Erfolg unseres Aktionsplans, dass der Erdgasverbrauch deutlich reduziert wird. Das ist möglich durch Energieeinsparung, Effizienzsteigerung und durch den massiven Einsatz von erneuerbarer Energie, wie etwa Ökostrom, Geothermie, grüner Wasserstoff oder auch Biogas.

Auch beim Verkehr müssen wir ansetzen, der ja immerhin für 19 Prozent des CO2-Ausstoßes im Stadtgebiet verantwortlich ist. Wir setzen dabei auf den weiter anhaltenden Trend zum Fahrrad, auf eine steigende Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs, der durch die kommende Stadtbahn und E-Busse immer attraktiver und weiter elektrifiziert wird – und auf immer mehr Elektroautos.

Gruber: Wie schnell und wie gut diese Umstellung gelingt, wird auch davon abhängen, mit welchen Förderprogrammen oder finanziellen Entlastungen die Wirtschaft, die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger beim Umstieg in ein möglichst CO2-freies Zeitalter unterstützt werden. Wir brauchen Unternehmen, die sich möglichst klimaneutral aufstellen und erkennen, dass sie davon einen Vorteil haben. Wir brauchen Energie-Lieferanten, die noch mehr Ökostrom und emissionsfreie Alternativen fürs bestehende Erdgasnetz anbieten. Und eine ebenso große Rolle wird den Bürgerinnen und Bürgern zukommen. Auch von ihnen erhoffen wir viele Ideen und vor allem die Bereitschaft, den Schutz des Klimas mitzutragen.

Der Klimawandel erhöht auch für Regensburg die Wahrscheinlichkeit von extremen Wetterlagen – von langen Hitzewellen bis hin zu Überschwemmungen. Wie kann sich die Stadt darauf besser einrichten?

Artinger: Das Stichwort dazu heißt Klimaresilienz – wie kann die Stadt gegenüber solchen Entwicklungen widerstandsfähiger werden? Ende 2018 hat die Stadt dazu beim Umwelt-Bürgermeister eine Stelle für Klimaresilienzmanagement geschaffen, in der mit den Fachämtern der Verwaltung abgestimmt wird, wie etwa mit Hitze oder Starkregen besser umgegangen werden kann. Dabei geht es unter anderem darum, welche Bereiche der Stadt besonders von Starkregen betroffen sein können und welche Vorsorge die Stadt wie auch betroffene Bürgerinnen und Bürger treffen können. Beim technischen Hochwasserschutz an der Donau, beim Bau von Dämmen und Schutzmauern, sind wir gemeinsam mit dem Freistaat schon sehr weit: Diese Maßnahmen sind zu einem großen Teil abgeschlossen. Auf die zunehmende Hitze muss mit klimaangepassten Bauweisen, mit Frischluftschneisen, mit Grün und Wasser in der Altstadt und in den weiteren Wohngebieten reagiert werden. 

Text und Interview: Rolf Thym