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„Hortplätze sind besonders begehrt“
Dr. Sabine Kellner-Mayrhofer ist seit Januar 2023 Bildungsreferentin der Stadt Regensburg. Im Interview berichtet sie, wo Regensburg beim Ausbau der Ganztagsbetreuung steht und warum die Digitalisierungsoffensive nicht nur die Schulen betrifft.
30. Mai 2023
Frau Dr. Kellner-Mayrhofer, nach mehr als 20 Jahren im Schuldienst – davon zwölf als Schulleiterin – sind Sie als Bildungsreferentin sozusagen auf die Seite der Verwaltung gewechselt. Was war die größte Umstellung?
Der größte Unterschied ist eigentlich die Größe des Aufgabengebietes. Vorher war meine Arbeit auf die schulische Bildung beschränkt, also – vereinfacht gesagt – den Bereich der Fünf- bis Fünfzehnjährigen. Jetzt spannt sich der Bogen über das ganze Feld des lebenslangen Lernens: von der vorschulischen Bildung über die Schulen und Berufsschulen bis hin zur Fort- und Weiterbildung an VHS und Stadtbücherei sowie die Stabsstelle Erinnerungs- und Gedenkkultur. Genau das ist es aber auch, was die neue Aufgabe so spannend und reizvoll macht.
Davon abgesehen war die Umstellung eigentlich gar nicht so groß. Denn mit Verwaltung hatte ich ja auch an der Schule und als Schulleitung schon zu tun, wenn auch mit anderen Programmen. Was ich bei der Stadt toll finde, ist, dass es für alle möglichen Fachbereiche Spezialisten gibt, die bei Fragen unkompliziert unterstützen können. In der Schule ist man im Vergleich dazu ja meist als Einzelkämpfer unterwegs.
Was liegt Ihnen besonders am Herzen? Wo wollen Sie Schwerpunkte setzen?
Alle drei Bereiche – vorschulische, schulische und Erwachsenenbildung – sind wichtig. Was mich aktuell sehr stark beschäftigt, ist der Bereich Kita, weil hier einfach die Nachfrage extrem hoch ist und ich damit bisher weniger zu tun hatte als mit dem schulischen Bereich. Ich habe deshalb in den ersten Monaten viel Zeit für Termine mit Trägern und Leitungsteams von Kitas und Kindergärten investiert, um die Einrichtungen und ihre zuständigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner kennenzulernen. Ein zweites großes Thema ist natürlich der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder, der ab 2026 eingeführt wird.
Wie sieht es denn mit der Nachmittagsbetreuung an Grundschulen aktuell aus in Regensburg? Schafft es die Stadt, den Rechtsanspruch ab 2026 zu erfüllen?
Wir sind eigentlich gar nicht so schlecht aufgestellt. Die Quote aller Betreuungsangebote an unseren Grundschulen liegt aktuell bei rund 70 Prozent. Aber: Der Rechtsanspruch bedeutet, dass jedem Kind an fünf Tagen in der Woche eine ganztägige Betreuung zusteht – also inklusive Schulunterricht acht Stunden pro Tag – und das bei einer Schließzeit von maximal vier Wochen jährlich. Diesen hohen Anspruch erfüllt derzeit kein einziges unserer Ganztagsangebote. Selbst die Horte, die fünf Tage die Woche abdecken und bis 17 Uhr geöffnet haben, bleiben mindestens sechs Wochen im Jahr geschlossen. Bei der Mittagsbetreuung gibt es auch viele kurze Angebote, die nur bis 14 Uhr geöffnet sind und kein Mittagessen anbieten. Um den Rechtsanspruch zu erfüllen, würde das noch nicht ausreichen. Wir haben also gute Voraussetzungen, aber auch noch einiges zu tun, bis das neue Gesetz in Kraft tritt.
Wie bereitet sich die Stadt auf die neue Gesetzeslage vor?
Der Begriff Ganztagsbetreuung umfasst ganz unterschiedliche Formate mit verschiedenen Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten. Bei den Eltern am beliebtesten ist meistens der Hort, weil er die längsten Betreuungszeiten und eine sehr gute personelle Ausstattung bietet. Bei Schulneubauten, wie am Sallerner Berg, planen wir deshalb von Anfang an Hortgruppen mit ein. Um den Bedarf zu decken, reichen Horte allein aber nicht aus. Dafür brauchen wir das gesamte Spektrum der Ganztagsbetreuung mit Mittagsbetreuung, Hort und offenem und gebundenem Ganztag. Und wir müssen schauen, wo es Synergien gibt, und was an den einzelnen Standorten konkret bis 2026 getan werden muss, um das Angebot bedarfsgerecht auszubauen. An manchen Schulen gibt es schon Räume für eine Ganztagsbetreuung, an anderen Standorten müssen wir etwas bauen oder zumindest vorübergehende Lösungen schaffen, zum Beispiel mit Containern. Um hier möglichst schnell zu Ergebnissen zu kommen, habe ich eine Stabsstelle „Bildungskoordination“ eingerichtet, bei der künftig alle Fäden, die den Bereich Ganztag betreffen, zusammenlaufen.
Ein Thema, das viele Eltern umtreibt, ist der Personalmangel in den Kindergärten und Krippen. Wie sieht es hier in Regensburg aus?
Der Personalmangel betrifft uns natürlich auch. Die Stadt hat aber in den vergangenen Jahren schon einiges getan, um die Situation zu verbessern. Die Leiterin des Amts für Tagesbetreuung von Kindern Frau Dr. Hartl-Grötsch macht hier einen hervorragenden Job. Ein echtes Erfolgsmodell ist etwa unsere praxisintegrierte Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher bzw. zur staatlich anerkannten Erzieherin, die je zur Hälfte in einer städtischen Kindertageseinrichtung und an der Fachakademie für Sozialpädagogik stattfindet. Damit gewinnen wir neue Nachwuchskräfte, die den Regensburger Einrichtungen oft auch nach Abschluss der Ausbildung erhalten bleiben. Auch die Arbeitsmarktzulage, die wir dem Erziehungspersonal in Kindertagesstätten seit einigen Jahren zahlen, hat sich bewährt.
Erfüllt Regensburg den Rechtsanspruch auf Betreuung für Kindergarten- und Krippenkinder ab einem Jahr?
Bisher ja, auch wenn wir nicht jeder Familie einen Platz in der Wunsch-Einrichtung anbieten können. Anders als bei den Schulen, wo die Nachmittagsbetreuung zwangsläufig in der Nähe der Schule stattfinden muss, gilt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz auch dann als erfüllt, wenn die Kita bis zu 30 Autominuten vom Wohnort entfernt ist. Natürlich ist das alles andere als optimal, aber als letzter Ausweg steht uns diese Möglichkeit immerhin offen. Selbstverständlich versuchen wir, alle möglichst wohnortnah unterzubringen. Wenn neue Baugebiete geplant werden, wird der Bedarf an vorschulischen und schulischen Einrichtungen, den sie auslösen, bereits von Anfang an berücksichtigt. Aber auch wenn wir bauen wie verrückt, kommen wir in unserer wachsenden Stadt trotzdem kaum hinterher.
Was raten Sie Eltern kleiner Kinder, die demnächst einen Platz brauchen. Ist es wirklich nötig, das Kind schon vor der Geburt auf die Warteliste setzen zu lassen?
Für die städtischen Einrichtungen kann ich sagen, dass es auf jeden Fall reicht, wenn man sich in dem Jahr anmeldet, in dem man den Platz braucht. Die Plätze werden auch nicht nach Reihenfolge der Anmeldungen vergeben, sondern nach einem Punktesystem, welches vom Stadtrat genehmigt wurde. In diesem sind Kriterien wie Berufstätigkeit der Eltern und soziale Aspekte berücksichtigt. Für die Platzvergabe in Horten und der Mittagsbetreuung gilt ein eigenes Punktesystem. So stellen wir sicher, dass die knappen Plätze zuerst an diejenigen gehen, die sie am dringendsten brauchen.
Corona hat die Lücken in der Digitalisierung deutlich gezeigt – besonders auch an den Schulen. Wo steht Regensburg hier?
Grundlegende Voraussetzungen für Digitalisierung sind WLAN-Anschluss und Verkabelung. Hier sind wir fast durch – nächstes Jahr wird die letzte unserer Grundschulen komplett verkabelt. Auch bei der Ausstattung mit Lehrer- und Schülergeräten haben wir während Corona mit Mitteln aus dem Digitalfonds der Regierung große Fortschritte erzielt. Ohne bei den Schulen nachzulassen, möchte ich das Augenmerk künftig auch verstärkt auf die anderen Bildungsbereiche legen. Dazu habe ich eine Stabsstelle „Digitale Bildung“ direkt im Referat angesiedelt, die diese Entwicklung begleiten und lenken wird. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Digitaloffensive, sobald die Schulen versorgt sind, auf den Bereich der vorschulischen Bildung ausweiten wird. Auch Stadtbücherei und VHS brauchen eine gute, aktuelle Ausstattung. Die VHS ist zum Beispiel ganz stark im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Integration. Das wollen wir künftig weiter ausbauen. Dazu gehört auch, dass wir alle Seminarräume mit digitalen Medien ausstatten. Um uns für die kommenden Herausforderungen möglichst gut aufzustellen, bewerben wir uns gerade um Aufnahme in das Bundesprogramm „Bildungskommune“, das insbesondere Projekte aus den Bereichen Digitalisierung und Integration fördert.
Mir ist wichtig, die Digitalisierung im Zusammenhang des lebenslangen Lernens zu begreifen. Ein tolles Beispiel dafür ist das Projekt „zusammen digital“ des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales, an dem wir uns aktuell beteiligen. Ab Mitte Juni werden Schülerinnen und Schüler der Willi-Ulfig-Mittelschule regelmäßig Beratungstermine für Seniorinnen und Senioren zum Umgang mit digitalen Geräten wie Handy oder iPad anbieten. Sowohl für die Jugendlichen als auch für die Älteren ist das eine wunderbare Veranstaltung, von der beide Seiten profitieren können.
Zu Ihrem Referat gehört ja auch die Stabsstelle Erinnerungs- und Gedenkkultur. Was sind hier derzeit die wichtigsten Projekte?
Neben dem „Tagesgeschäft“ – wie der Organisation von Veranstaltungen zu wichtigen Gedenktagen, dem Runden Tisch Gedenkkultur, der Zeitzeugenarbeit oder den Kooperationen mit Regensburger Schulen – ist ein wichtiges Thema, bei dem wir vorankommen möchten, das Gutachten zu den belasteten Straßennamen. In Kürze werden wir Zuwachs im Team bekommen, der/die sich ausschließlich um die Fortführung dieses Projekts kümmert. Ziel ist, alle Straßennamen nach einem Ampelsystem einzuteilen: in grün (nicht belastet), rot (auf jeden Fall umzubenennen) und gelb (muss genauer untersucht und dann entschieden werden). Bei den Zweifelsfällen sollen ein Expertengremium und ein Runder Tisch, in dem alle Opfergruppen vertreten sind, hinzugezogen werden, um zu entscheiden, wie wir mit dem jeweiligen Namen umgehen.