Der „Dornröschenschlaf“
Was so nicht stimmt. Im Gegenteil: Während des weiteren Verlaufs des 19. Jahrhunderts veränderte sich Regensburg mehr als in langen Zeiten zuvor. Die Entwicklung hin zu einer modernen Stadt vollzog sich hier genauso wie anderswo – allerdings nicht so stürmisch und in weniger dramatischen Ausmaßen. Die Bevölkerung wuchs von knapp 20.000 auf über 50.000 Einwohner. Im Jahr 1859 wurde Regensburg an das Eisenbahnnetz angeschlossen, 1910 wurde ein moderner Hafen in Betrieb genommen. Industriebetriebe siedelten sich an: Kalkwerke, Werften, Verlage, eine Bleistift-, eine Zucker- und eine Schnupftabakfabrik, eine Porzellanmanufaktur und, vorübergehend, so etwas Exotisches wie eine Seidenplantage.
Doch der Prozess der Industrialisierung wurde von den städtischen Entscheidungsträgern nicht gerade gefördert, was mit Regensburgs besonderer Sozialstruktur zusammenhing. Das lokale Establishment war von den Zeiten der Freien Reichsstadt her immer noch mehrheitlich protestantisch, Zuwanderer aus dem bayerischen Umland waren überwiegend katholisch – was die herrschenden Verhältnisse langfristig in Frage stellte. Im Ergebnis entwickelte sich die Stadt dadurch eher gemächlich. Das ist es, was mit „Dornröschenschlaf“ gemeint ist.
Industrie mitten in der Altstadt: Die Schnupftabakfabrik © Stadt Regensburg