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„Als Glückspilz geboren“
Ralf Müller sagt das selbst von sich. Der 57-jährige Fagottist ist seit 1. Januar 2024 Chef der Sing- und Musikschule der Stadt Regensburg am Bismarckplatz. Ein Traumjob für jemanden, der Musik, Menschen und das Unterrichten liebt. Und so einer ist Müller. Doch sein Glückspilz-Feeling begann tatsächlich schon viel früher.
Und zwar 1966 – mit seiner Geburt in eine Familie, die ihm früh viel Freiraum ließ. Als vierjähriger Pimpf, Sohn eines Schlossers und Hobby-Tenorhornspielers sowie einer Buchhalterin, wackelte er zum ersten Mal in die Früherziehung der Musikschule seiner kleinen Heimatstadt in Nordrhein-Westfalen – und verließ sie im Grunde erst wieder als er bereits 20 war. „Ich bin da später jeden Tag nach der Schule hin, Montag bis Freitag. Die normale Schule war nicht Meins. Alles, was ich heute bin und auch wo ich heute bin, habe ich der Musikschule zu verdanken“, schwärmt Ralf Müller, wenn er davon erzählt, wie alles begann. „Meine ganze Menschenbildung fand in der Musikschule statt. Ich habe dort eine umfassende Persönlichkeits- und Wertebildung erfahren: Wertschätzung und Respekt, Fairness und Gemeinsinn, Menschenwürde und Toleranz, Begeisterungsfähigkeit und Durchhaltevermögen, Sinn für Gleichheit und Rücksichtnahme.“
Diesen ganzheitlichen Ansatz verfolgt er auch als neuer Musikschulchef in Regensburg. Der staatlich geprüfte Musiklehrer möchte, dass die rund 3.850 Schülerinnen und Schüler im Instrumental- oder Vokalunterricht zugleich fürs Leben lernen. „Wir haben mit der 1:1-Situation im Unterricht eine einmalige Chance, das auch zu erreichen. Über die Musik kommen Emotionen und gesellschaftspolitische Themen zum Tragen, die auf den ersten Blick oft nicht bemerkt werden würden. Wir können hier sehr individuell auf die verschiedenen Charaktere und ihre Bedürfnisse eingehen.“ Dass Musizieren aber auch soziales Verhalten fördert, wird vor allem spürbar in den verschiedenen Ensembles und Gruppen der Sing- und Musikschule. „Auf den anderen zu hören, entsprechend zu reagieren und sich an einer Gemeinschaftsleistung zu erfreuen, das sorgt für ein echtes Miteinander“, so Müller.
Kompetenznachweis Musik wird wiederkommen
Die Musikschule ist hier bereits auf einem sehr guten Weg, findet der neue Chef. Seinem ersten Eindruck nach, habe sein langjähriger Vorgänger Wolfgang Graef viel geleistet. Jetzt möchte er hier den nächsten Schritt gehen: Dafür drückt er selbst nochmal die Schulbank, damit ab 2025 an der Regensburger Schule der Kompetenznachweis Musik wieder möglich sein wird. Das ist ein Zertifikat für ausgewählte Nachwuchsmusikerinnen und -musiker, das ihnen neben musikalisch herausragendem Können auch besonders gute soziale Fähigkeiten und Schlüsselkompetenzen bescheinigt – ein bei Arbeitgebern und Universitäten gern gesehenes Zeugnis, das durchaus den Ausschlag für eine Zusage geben kann. Für die Musikschule ist der Kompetenznachweis auch ein nach Außen sichtbarer Beweis für ihre gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dies sichtbar zu machen, ist die zentrale Mission Müllers.
Dass ihm diese Ausrichtung gelingen kann, dafür spricht seine bisherige Vita: Als exzellenter Fagottist war der Diplommusiker 34 Jahre lang nicht nur im Philharmonischen Orchester der Stadt Regensburg tätig, sondern auch als Instrumentalpädagoge bei den Regensburger Domspatzen und seit 2018 an der Musikschule tätig. Mit seinem musikpädagogischen Kinderprogramm „KlaMuKi“ erlangte er außerdem eine große Bekanntheit und führte im Laufe von 15 Jahren rund 30.000 Mädchen und Buben an die klassische Musik und Instrumente heran. Schon hier war ihm die Vermittlung der Musik und ihrer völker- und menschenverbindenden Sprache genauso wichtig wie das „bloße“ Erlernen eines Instruments. Dass Musik über alle sozialen Schichten hinweg verbindet, weiß er aus eigener Erfahrung. Über seinen Vater, den Hobby-Tenorhornisten, kam zufällig der Kontakt zum klassisch ausgebildeten Solo-Hornisten der Düsseldorfer Oper zustande. So ergab sich für den kleinen Ralf Müller der Zugang zu Oper und klassischer Musik. „Mit zwölf Jahren habe ich Mozarts Cosi fan tutte als meine Lieblingsoper auserkoren und verliebte mich in das schwarze Fagott der Musikerin Susan Fasang.“ Und wieder gab es einen Zufall im Leben des Glückspilzes Müller: Viele Jahre nachdem er sich verliebt hatte, traf er ebendieses Fagott wieder und vermittelte es an die Burglengenfelder Blaskapelle, die gerade eines suchte. Jetzt ist es zumindest in seiner Nähe.
Was will er beibehalten, nach über 30 Jahren Wolfgang Graef als Schulleiter? Den Musikpreis mit der Präsentation der „musikalischen Exzellenzen“ der Schule werde er natürlich weiterführen, sagt Müller. Auch die wunderbaren Projekte des Cantemus Chor und die zahlreichen Kooperationen mit Schulen bleiben. Neu wird eine Fokusverschiebung in den Sommerkonzerten sein: Die Musik behält hier zwar ihren wichtigen Stellenwert, bereichert wird sie darüber hinaus durch Darbietungen der „menschlichen“ Exzellenzen. Auch die Kooperation mit der Musikschule in Masaka (Uganda) wird der zweifache Familienvater weiterführen: „Das ist eine wunderbare Möglichkeit, unseren musikalischen Horizont zu erweitern“, findet Müller. „Vielleicht sind künftig auch mal Annäherungen an Volksmusik und Folklore denkbar. Das gibt es bis dato noch nicht.“ 2025, wenn die Sing- und Musikschule ihren zehnten Jahrestag des Einzugs in das historische Gebäude am Bismarckplatz feiert, werden wieder Gäste aus Uganda kommen. 2026 soll der Gegenbesuch der Regensburger in Masaka erfolgen. Dass Musik über Völker hinweg verbindet, zeigt sich auch an den mehr als 50 Nationalitäten, die an der Musikschule gemeinsam musizieren. Dieses tolle Team gefällt Ralf Müller auch besonders gut am neuen Job.