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Der Meister der Regensburger Märkte

Reinhard Kellner sorgt seit 30 Jahren für den reibungslosen Ablauf des Christkindlmarkts auf dem Neupfarrplatz und der Regensburger Dulten. Auch die Organisation der städtischen Märkte liegt in seiner Verantwortung.

Fotografie: Reinhard Kellner auf dem beleuchteten Christkindlmarkt

11. Dezember 2023

Er arbeitet dort, wo andere feiern und mit einem klassischen Neun-bis-Siebzehn-Uhr-Bürojob hat seine Aufgabe wenig zu tun. Marktmeister Reinhard Kellner ist für die Bewirtschaftung des Neupfarrplatzes und des Dultplatzes zuständig. Wenn auf einem dieser Plätze eine Veranstaltung stattfindet, laufen bei ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen von der Marktabteilung die Fäden zusammen. „Wir sind das Bindeglied zwischen Stadtverwaltung, Marktkaufleuten, Festwirten, Polizei, weiteren beteiligten Behörden, Medien, Handwerkern und, und, und“, zählt er auf. Eine große Aufgabe, zu der er vor 30 Jahren wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind gekommen ist. Der gelernte Küchenmeister war 1988 als Lebensmittelkontrolleur bei der Stadt eingestiegen. Nach einem einjährigen Lehrgang in München und bestandener Abschlussprüfung war er für die Kontrolle der Restaurants im Stadtzentrum verantwortlich, als kurz vor der Herbstdult 1993 der damalige Marktmeister von einem Tag auf den anderen ausfiel. „Ich hatte eigentlich Urlaub geplant. Stattdessen haben mich meine Vorgesetzten gebeten, in der Notlage auszuhelfen und für den Kollegen einzuspringen.“ Kellner sagte zu. „Ausdrücklich kommissarisch“, wie er betont. „Denn meine damalige Arbeit war eigentlich schon mein Traumberuf.“ Die folgenden Wochen waren geprägt von hunderten Überstunden und großen Herausforderungen. „Das war kein Sprung ins kalte Wasser, sondern ich bin – wenn Sie so wollen – auf einer Eisscholle gelegen und habe mich langsam ins kalte Wasser durchgeschmolzen.“ Das Ergebnis überzeugte – und so wurde aus der kommissarischen eine Lebensaufgabe. Heute ist Kellner einer der dienstältesten Marktmeister in Bayern. Seine Ausbildung und Berufserfahrung kamen ihm bei der neuen Aufgabe zugute. „Gerade bei Großveranstaltungen ist es entscheidend, dass man beurteilen kann, ob ein Gastronom professionell, sauber und ordentlich arbeitet.“ Neben seinem Hauptberuf ist Kellner nach wie vor als Dozent für Gastronomierecht bei der Industrie- und Handelskammer tätig. Bis zur Geburt seines ersten Enkels vor acht Jahren gab er außerdem an einer privaten Bildungsakademie Lehrgänge für Auszubildende zum Küchenmeister.

Fotografie: Reinhard Kellner im Gespräch mit einer Beschickerin am Glühweinstand
Gespräch mit einer Beschickerin am Glühweinstand © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Die Dulten und der Christkindlmarkt müssen funktionieren – egal, was passiert

Das Schwierigste an der Aufgabe des Marktmeister sei es, mit dem Stress fertigzuwerden, der mit Großveranstaltungen zwangsläufig verbunden ist. „Unser Christkindlmarkt und unsere Dulten sind eine Hausnummer und weit über Regensburg hinaus bekannt. Sie müssen funktionieren. Egal, was passiert: The show must go on. Und je sicherer du bist, dass du alles geplant hast, umso härter trifft dich das Unerwartete.“ Beispiele für solche unterwarteten Ereignisse kann der 63-Jährige einige aufzählen: Das Fahrgeschäft, das nicht angekommen ist, weil der Laster beim Antransport einen Unfall hatte. Oder der Marktbeschicker, der seinen fest eingeplanten Stand nicht aufbaute und von dem sich hinterher herausstellte, dass sein Absageschreiben nicht bei der Stadt angekommen war. Oder der Schausteller, der seine Zusage im letzten Moment zurücknehmen musste, weil ihm Personal abgesprungen war. Besonders in Erinnerung geblieben ist Kellner aber die kurzfristige Absage des Christkindlmarkts 2021, im zweiten Corona-Winter. Nachdem im Jahr zuvor alle Weihnachtsmärkte wegen der Pandemie verboten worden waren, schien es 2021 zunächst besser auszusehen. „Wir hatten alles vorbereitet, um den Markt nach den geltenden Corona-Regeln durchführen zu können. Die Buden waren schon aufgebaut und bestückt. Dann kam – am Freitag vor der geplanten Eröffnung, wenige Stunden nach der Pressekonferenz, auf der wir unseren Markt vorgestellt hatten – die Entscheidung des Ministerpräsidenten, alle Weihnachtsmärkte bayernweit zu untersagen. Für die Marktkaufleute war das nicht nur finanziell schwierig, sondern auch emotional eine Katastrophe.“
Und positive Erlebnisse? Davon gibt es zum Glück ebenfalls sehr viele, „da könnte ich zwei Stunden lang erzählen“, so der Marktmeister. Schon allein der große Zuspruch und die positive Resonanz sei eine tolle Erfahrung. „Unsere Regensburger Veranstaltungen sind beliebt – nicht nur bei den Besucherinnen und Besuchern, sondern auch bei den Marktkaufleuten und Beschickern, die immer wieder gerne zu uns kommen.“ Bestärkende Rückmeldungen gebe es auch von Marktmeister-Kollegen aus anderen Städten. Wenn er von jüngeren Kollegen um Rat gebeten wird oder wenn Dinge, die er für Regensburg mit entwickelt hat – wie etwa das Konzept für Flohmärkte – von anderen übernommen werden, „dann macht das schon Spaß und stolz“. Ein Highlight war für Kellner der Auftritt des Christkinds bei der Eröffnung des diesjährigen Christkindlmarkts. „Diese Tradition, dass das Christkind die Gäste begrüßt, hat es früher einmal gegeben und es freut mich, dass wir sie jetzt wieder aufnehmen konnten.“

Fotografie: Erster Rundgang über den Donaumarkt am Alten Kornmarkt am 15. September 2012 mit dem damaligen Leiter des Umweltamts Rudolf Gruber, Oberbürgermeister Hans Schaidinger und Josef Prantl, Ordnungsamt (v. l.)
Erster Rundgang über den Donaumarkt am Alten Kornmarkt am 15. September 2012 mit dem damaligen Leiter des Umweltamts Rudolf Gruber, Oberbürgermeister Hans Schaidinger und Josef Prantl, Ordnungsamt (v. l.) © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Der Donaumarkt auf dem Alten Kornmarkt ist über die Jahrzehnte gereift

Kellners Aufgabe beschränkt sich nicht allein auf die Organisation des Christkindlmarkts und der Dulten. Ihm und seinen Kollegen obliegt darüber hinaus das Platzmanagement für den Neupfarrplatz und den Dultplatz mit jährlich 35 bis 45 Veranstaltungen sowie die Organisation sämtlicher Märkte, die die Stadt Regensburg durchführt. Der bekannteste davon ist sicherlich der Wochenmarkt am Samstagvormittag, der über Jahrzehnte auf dem Donaumarkt zuhause gewesen ist. 2012, als dort die Arbeiten für das Haus der Bayerischen Geschichte begannen, siedelte er auf den Alten Kornmarkt um. „Damit ist der Markt anders geworden, aber nicht schlechter“, erklärt Kellner. „Früher auf dem Donaumarkt konnten die Leute mit dem Auto direkt hinfahren und große Gebinde wie einen Sack Kartoffeln oder zwei Steigen Erdbeeren in den Kofferraum laden. Jetzt werden mehr Spezialitäten in kleinen Gebinden verkauft, oft von Direktvermarktern aus der Region, aber auch von Händlern.“ Die richtige Mischung sei dabei entscheidend und der Aufbau der Stände auf dem Alten Kornmarkt bewusst gestaltet. „Um den Platz herum, entlang des Bürgersteigs, haben wir die Lebensmittelwägen angeordnet – wie eine Wagenburg. In der Mitte haben wir dadurch Platz für viele kleine Stände, die unterschiedliche Waren anbieten.“ Der „Donaumarkt am Alten Kornmarkt“, wie Kellner den Markt heute noch nennt, sei über Jahrzehnte gereift und nicht zuletzt deshalb äußerst beliebt bei seinen Kundinnen und Kunden.

Um eine Dult zu organisieren, braucht es ein gutes Team

Die Organisation eines Wochenmarktes auf der einen und einer Dult oder eines Christkindlmarktes auf der anderen Seite lasse sich nicht vergleichen. „Ein Wochenmarkt braucht ständige Pflege und Strategie, aber nicht so intensiv. Wenn ein Betreiber aufhört, zum Beispiel aus Altersgründen, sucht man aus der Bewerberliste einen neuen, passenden Kandidaten. Bei der Dult oder dem Christkindlmarkt müssen wir jedes Jahr ein Konzept vorlegen und die Stände neu ausschreiben.“ Während der Veranstaltung selbst sind Kellner und seine Kollegen von der Marktabteilung (vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ein Auszubildender) praktisch im Dauereinsatz. „Für dieses tolle, gut funktionierende Team bin ich sehr dankbar“, betont er. „Früher waren wir nur zu zweit oder zu dritt. Damit wäre der Aufwand, den eine Dult heute bedeutet, nicht mehr zu stemmen. Das klappt nur, wenn man die Aufgabe auf mehrere Schultern verteilen kann.“ Auch das Vertrauen der Vorgesetzten sei ein hohes Gut, „über das ich sehr froh bin“. Und natürlich die Geduld seiner Familie, „insbesondere meiner Frau, die mir immer den Rücken freigehalten hat“. Während der Dult hätten sie und die drei Kinder oft auf ihn verzichten müssen, „und wenn ich daheim war, war ich meistens zu nichts mehr zu gebrauchen“. Entspannung findet der mittlerweile siebenfache Opa beim Lesen und in der Natur: beim Schwammerlsuchen, Angeln oder bei der Beschäftigung mit seinen Obstbäumen. In seinem Garten pflegt der Hobby-Pomologe, der auch beim Gartenbauverein Obertraubling aktiv ist, 150 Apfel- und mehrere Birnensorten. Außerdem hat er vor einigen Jahren angefangen, Gedichte auswendig zu lernen. „Dieses Hobby habe ich von meinem Vater übernommen. Das ist ein tolles Gedächtnistraining und ein wunderbarer Ausgleich.“

Text: Katrin Butz