Navigation und Service

„Wir müssen unser Verkehrssystem komplett neu ordnen“

Regensburg soll eine Stadtbahn bekommen – das wurde 2018 beschlossen. Aktuell laufen die umfangreichen Vorplanungen. Gleichzeitig wird in der Öffentlichkeit kontrovers über das Projekt diskutiert. Planungs- und Baureferentin Christine Schimpfermann erläutert, wo die Planungen aktuell stehen und warum die Stadtbahn aus ihrer Sicht entscheidend für Regensburgs weitere Entwicklung ist.

Grafik: Siegerentwurf „bewegtR“ im Rahmen des Online-Dialogs zum Fahrzeugdesign
Siegerentwurf „bewegtR“ im Rahmen des Online-Dialogs zum Fahrzeugdesign © Panik Ebner Design GmbH, Stuttgart

30. November 2022

Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt, bei der Stadtbahn dürfe es nur noch um das „Wie“ gehen, nicht mehr um das „Ob“. Warum?

Die Antwort hängt ganz eng mit der Frage zusammen „Wie wollen wir in Zukunft leben?“. Ein attraktiver, umweltfreundlicher ÖPNV, der auch unterschiedliche Verkehrsmittel miteinander verknüpft, gehört unbedingt zu diesem Zukunftskonzept. Das sagen nicht nur wir Stadtplaner, sondern diesen Wunsch haben uns auch viele Regensburgerinnen und Regensburger bei der Beteiligung zum Regensburg Plan 2040 rückgemeldet: 88 Prozent der Regensburgerinnen und Regensburger haben den Wunsch geäußert, dass sich die Stadt stark oder sogar sehr stark im Öffentlichen Personennahverkehr engagieren möge. Mit den Mitteln, die wir aktuell zur Verfügung haben, lassen sich die Kapazitäten des ÖPNV aber nicht beliebig erweitern. Eine Stadtbahn bietet ganz andere Möglichkeiten, was die Taktung, die Transportkapazität und die Verknüpfung angeht. Wenn wir in Zukunft einen ÖPNV haben wollen, der so attraktiv ist, dass die Menschen gern ihr Auto stehen lassen, müssen wir unser Verkehrssystem komplett neu ordnen. Wir brauchen die Stadtbahn als Rückgrat dieses neugeordneten Verkehrssystems. Und die Stadtbahn wird ergänzt durch ein neues Busnetz, Car- und Bike-Sharing-Angebote und autonome Kleinbusse z. B. in den Quartieren. Ohne die Stadtbahn werden wir die Verkehrswende, die wir uns für die Zukunft wünschen, nicht schaffen.

Porträt: Planungs- und Baureferentin Christine Schimpfermann
Planungs- und Baureferentin Christine Schimpfermann © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Wäre ein Ausbau des bestehenden Busnetzes – am besten mit E-Bussen – nicht die günstigere Alternative?

Wenn die Busse – so wie jetzt – an den meisten Stellen keine eigene Fahrspur haben, führt eine engere Taktung am Ende dazu, dass zu Stoßzeiten eben mehr Busse gemeinsam mit den Autos im Stau stehen. Damit kommen wir in Zukunft nicht weiter. Auch wenn wir auf Busse statt auf eine Stadtbahn setzen würden, bräuchten wir eine Schnellbuslinie, die auf eigenen Spuren fährt, und wir müssten den Straßenraum entsprechend umbauen. Die Frage, ob eine solche Schnellbuslinie oder eine Stadtbahn das bessere System für Regensburg ist, haben wir im Rahmen einer Machbarkeitsstudie gründlich untersuchen lassen. Diese Studie mit dem Titel „Studie zur Einführung eines höherwertigen ÖPNV-Systems in Regensburg“ wurde in den Jahren 2016 bis 2018 von einem internationalen Planungsteam unter der Leitung des Büros komobile GmbH aus Wien erstellt. Das Ergebnis war eine ganz klare Empfehlung für die Stadtbahn.

 

Welche Argumente haben den Ausschlag für diese Empfehlung gegeben?

Hauptargument war die Leistungsfähigkeit: Eine Stadtbahn kann bis zu viermal so lang sein wie ein Standardlinienbus und entsprechend mehr Fahrgäste befördern. Auch bei der Frage, wie sich die eigenen Fahrspuren für einen Schnellbus oder eine Stadtbahn in den Straßenraum integrieren lassen, hat das Schienensystem eindeutig besser abgeschnitten. Und schließlich spielt auch die Förderfähigkeit eine Rolle: Auch für ein Schnellbussystem müssten wir unsere Straßen komplett umbauen, da die Busse weitgehend auf eigenen Fahrspuren unterwegs sein müssten. Diese Umbauten wären allerdings nicht förderfähig, das heißt, die Stadt müsste die Kosten allein tragen. Für die Einführung eines schienengebundenen Systems hingegen gibt es hohe Fördermöglichkeiten durch den Bund und den Freistaat. Hinzu kommt der höhere Komfort für die Nutzerinnen und Nutzer, da ein schienengebundenes System eine höhere Laufruhe hat und die Taktdichte der Fahrzeuge ebenfalls höher gestaltet werden kann.

Grafik: Eine Stadtbahn fährt auf einer begrünten Spur.
Auch in Regensburg soll die Stadtbahn – wo immer es möglich ist – auf begrünten Spuren fahren, die den Straßenraum aufwerten. © istockphoto.com/shellexx

Wie sieht es mit innovativen Verkehrsmitteln aus, z. B. Flugtaxis oder Seilbahnen? Könnten solche Systeme keine Alternativen sein?

Um es ganz klar zu sagen: Eine moderne Stadtbahn ist ein Verkehrsmittel der Zukunft.  Moderne Bahnen, wie sie z. B. in den vergangenen Jahren in Dijon oder in Luxemburg gebaut worden sind, haben mit der historischen Tram, die es früher gab, nicht mehr viel zu tun. Sie sind barrierefrei, in moderner Bauart deutlich leiser und fahren auf eigenen Spuren, die zum Teil begrünt sind und so den Straßenraum aufwerten. Weltweit ist daher in den letzten Jahren eine Vielzahl solcher modernen Tramsysteme entstanden.

Außerdem darf man nicht vergessen, dass für die Stadtbahn bereits eine gründliche Machbarkeitsstudie vorliegt, die diese Lösung ganz klar empfiehlt. Es wäre nicht vertretbar, diese klare Empfehlung zu ignorieren und mit den Planungen für andere Verkehrsmittel wieder bei Null zu beginnen. Übrigens ist auch keineswegs sicher, dass solche Machbarkeitsstudien immer mit einer Empfehlung enden. In München ist eine Seilbahntrasse über den Frankfurter Ring am Ergebnis der vorbereitenden Kosten-Nutzen-Untersuchung gescheitert.

 

In der aktuellen Diskussion wird oft auf den Masterplan verwiesen, der Ende 2023 vorliegen soll. Was kann man sich darunter vorstellen?

In der Machbarkeitsstudie 2018 wurde erst einmal grundsätzlich untersucht, ob eine Stadtbahn für Regensburg überhaupt eine sinnvolle Lösung sein könnte. Das positive Ergebnis dieser Voruntersuchung war die Voraussetzung dafür, in die Planungen einzusteigen. Das tun wir jetzt mit dem Masterplan. Hier geht es um Details wie: Welche Möglichkeiten gibt es für den genauen Streckenverlauf, wo und wie kann die Bahn in den bestehenden Straßenraum integriert werden, welche Vor- und Nachteile haben die jeweiligen Optionen, sind die betroffenen Brücken stabil genug, um eine Stadtbahn darüber fahren zu lassen, welche Kosten sind jeweils zu erwarten, und so weiter. Dabei werden natürlich auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis und die Förderfähigkeit mit den Ergebnissen des Masterplans weiter untersucht und konkretisiert. Das alles für die gesamte Strecke von rund 15 Kilometern zu untersuchen ist sehr aufwändig.

 

Einer der wenigen Punkte, die jetzt schon feststehen, ist das grundsätzliche Kernnetz: Die geplante Trasse der Stadtbahn verläuft von Wutzlhofen zur Uniklinik, bzw. nach Burgweinting, also vom Norden in den Süden. Wann und warum hat man sich für diese Trasse entschieden?

Die Studie für ein höherwertiges ÖPNV-System 2018 hat unterschiedliche Linienführungen auf ihre verkehrlichen Effekte und ihre technische Machbarkeit untersucht. Dabei ist herausgekommen, dass diese Strecken das größte Potenzial haben, um uns bei der Verkehrswende schnell voranzubringen. Deshalb haben wir sie den weiteren Planungen zugrunde gelegt als das Kernnetz, das als erstes gebaut werden soll. In einem zweiten Schritt kann und soll dieses Kernnetz dann in Ost-West-Richtung und über die Stadtgrenze hinaus in den Landkreis erweitert werden.

Fotografie: Thomas Feig, Leiter des Amtes für Stadtbahnneubau, Planungs- und Baureferentin Christine Schimpfermann und Frank Steinwede, Leiter Strategische ÖPNV-Planung bei das Stadtwerk Regensburg.Mobilität beantworteten im Rahmen des 2. Dialogforums zur Stadtbahn Regensburg, das von Dr. Chrisoph Ewen moderiert wurde, die Fragen aus dem Publikum.
Thomas Feig, Leiter des Amtes für Stadtbahnneubau, Planungs- und Baureferentin Christine Schimpfermann und Frank Steinwede, Leiter Strategische ÖPNV-Planung bei das Stadtwerk Regensburg.Mobilität beantworteten im Rahmen des 2. Dialogforums zur Stadtbahn Regensburg, das von Dr. Chrisoph Ewen moderiert wurde, die Fragen aus dem Publikum. © Guido Schweiß-Gerwin

Kritiker der Stadtbahn führen die hohen Kosten an. Was entgegnen Sie ihnen?

Natürlich ist eine Stadtbahn eine riesige Investition. Aber es ist eine Investition in die Zukunft unserer Stadt, von der viele Generationen nach uns noch profitieren werden. Und: Regensburg muss diese Investition nicht allein stemmen. Die Kosten für die reine Infrastruktur werden bis zu 90 Prozent durch den Bund und den Freistaat unterstützt, und auch für weitere Kosten, wie Fahrzeuge und Betriebshof, gibt es hohe Förderquoten. Das ist eine riesige Chance für unsere Stadt, in der Verkehrswende voranzukommen, die wir unbedingt nutzen sollten. Bis 2040 soll der Anteil von Bus bzw. Bahn sowie von Fahrrad- und Fußverkehr auf 70 Prozent der gesamten Wege in der Stadt ausgeweitet werden, damit wir die Klimaziele erreichen. Die werden wir im ÖPNV nicht allein durch eine Verstärkung des heutigen Busnetzes schaffen. Auf den besonders stark belasteten Kernstrecken ist daher die Einführung einer hochleistungsfähigen Stadtbahn sinnvoll.

 

Bürgerinnen und Bürger, die entlang der Trasse wohnen, befürchten, dass ihr Umfeld sich durch die Stadtbahn verschlechtern könnte, z. B. durch Lärm und Erschütterungen. Sind diese Sorgen berechtigt?

Natürlich wird sich der Straßenraum verändern, aber: Die Stadtbahn gibt uns Gelegenheit, den Straßenraum neu zu ordnen und insbesondere auch für Radfahrer und Fußgänger attraktiver zu gestalten. Diese Aufwertung des öffentlichen Raumes ist unser ganz klares Ziel. Wie schon ausgeführt, setzen wir auf ein modernes Schienensystem, das stetig und leise fährt und gut gegen Erschütterungen gepuffert ist. Und selbstverständlich beziehen wir die Belange der Anliegerinnen und Anlieger in alle Planungen ein. Ich verstehe, dass die Bürgerinnen und Bürger, die entlang der geplanten Trasse wohnen, verunsichert sind. Umso mehr, als wir viele Fragen, die für die Bürgerinnen und Bürger verständlicherweise wichtig sind, noch nicht abschließend beantworten können, weil diese Daten gerade erst im Masterplan erarbeitet werden. Dieser lange Vorlauf, den so ein riesiges Projekt wie die Stadtbahn zwangsläufig hat, ist tatsächlich eine Herausforderung für die Kommunikation. Er lässt sich aber leider nicht vermeiden. Ich kann deshalb nur an alle appellieren, Geduld zu haben und die Fakten abzuwarten. Und ich bin froh, wenn die kritischen Fragen der Bürgerinnen und Bürger jetzt gestellt werden – zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Planung, in dem wir sie gut aufnehmen und Lösungen entwickeln können.

 

Wie werden die Bürgerinnen und Bürger denn an den Planungen beteiligt?

Uns ist es wichtig, die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger bereits in einem ganz frühen Planungsstadium mitzunehmen und einzuspeisen. Schon zu Beginn der Machbarkeitsstudie 2018 gab es deshalb ein sogenanntes Charrette-Verfahren, bei dem sich Bürgerinnen und Bürger mit den Planern und Entscheidern austauschen und ihre Anregungen einbringen konnten. Parallel zur Erstellung des Masterplans setzen wir diesen Austausch zwischen Planerinnen und Planern und der Bevölkerung jetzt fort: In diesem Sommer hatten wir zum Beispiel eine große Online-Beteiligung zum Streckenverlauf und zum Fahrzeugdesign, deren Ergebnisse in die weiteren Planungen einfließen werden. Außerdem bieten wir ein regelmäßiges Dialogforum an, wir organisieren Vor-Ort-Termine zu einzelnen Streckenabschnitten, und am Stadtbahn-Stand stehen die Planerinnen und Planer auch bei Gelegenheiten wie dem Ostengassenfest oder Regensburg Mobil für einen persönlichen Austausch zur Verfügung. Auch auf unserer Homepage www.stadtbahn-regensburg.de werden alle wichtigen Fragen rund um das Projekt beantwortet. In jedem Stadium der Planungen wird es darüber hinaus die Beteiligungsmöglichkeiten geben, die das Planungsrecht vorsieht. Ich lade alle Bürgerinnen und Bürger ein, diese Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten zu nutzen und gemeinsam mit uns dieses Projekt, das für die Zukunft unserer Stadt so wichtig ist, umzusetzen.

Text und Interview: Katrin Butz