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Verleihung des Brückenpreises 2022 - Laudatio von Prof. Dr.-Ing. M.Sc. Dipl.-Ing. Michael Sterner

Laudatio Prof. Dr.-Ing. M.Sc. Dipl.-Ing. Michael Sterner anlässlich der Verleihung des Brückenpreises an Michael Buschheuer

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Der große Maler

„Wenn du ein Schiff bauen willst, beginne nicht damit, Holz zusammenzusuchen, Bretter zu schneiden und die Arbeit zu verteilen, sondern erwecke in den Herzen der Menschen die Sehnsucht nach dem großen und schönen Meer.“

Von wem ist das?

Antoine de Saint-Exupéry – nicht aus dem kleinen Prinzen, sondern aus „Die Stadt in der Wüste“.

Der Spruch könnte aber auch von Michael Buschheuer sein, weil er genauso denkt und handelt:

Das große Bild der Vision an die Wand zu malen und dann alle dafür zu begeistern, sodass sich jeder darin sieht und aktiv wird: ich male die Stelle aus, ich hol die Farbe. Das es zur Mission eines jeden einzelnen wird. Daraus ergibt sich das Gesamtbild. Das ist Michael Buschheuer. Ein Visionär, der als gelernter Maler seine Visionen an die imaginäre Wand unserer Vorstellung malt, diese dann pragmatisch in die Realität umsetzt und viele dafür begeistert. Besonders seine Familie, die ihn darin getragen hat.

Und heute bekommt er den Brückenpreis der Stadt Regensburg – für alle Brücken, die er baut und das unermüdliche, zupackende Engagement für unsere globale Gesellschaft. Von Regensburg aus, für die Welt.

Dieser Preis wird laut Satzung an Persönlichkeiten von überregionaler Bedeutung verliehen, die „in besonderem Maße herkömmliche Grenzen oder Gegensätze politischer, nationaler, wissenschaftlicher, sozialer, kultureller oder religiöser Art überbrücken“.

Und mehr Grenzen und Gegensätze aller Art zu überbrücken als Michael Buschheuer samt Family & Friends es tut, ist kaum machbar. Er ist einer, der Brücken baut - über das Mittelmeer, aus Griechenland und Bosien, aus der Ukraine - nach Regensburg, Bayern, Deutschland und Europa.

Er gründete mit anderen die Seenotrettung Sea-Eye und die Flüchtlingshilfe Space-Eye, die jährlich mehrere Millionen Euro Spenden einwerben. Zwei gemeinnützige Vereine, die schon Tausenden Menschen das Leben gerettet und geholfen haben. Pragmatisch. Konsequent. Unkompliziert.
Was hat ihn dazu bewegt?

Michael Buschheuer kam im Januar 1977 im niederbayerischen Mallersdorf als 3. von 6 Kindern zur Welt.

Sein Vater – Maler und Lackierer in 2. Generation war es wichtig, selbst Verantwortung zu übernehmen und einzustehen für das, was man macht. Das sind seine Werte.

Seine Mutter – eine Hauptschullehrerin – nahm schon mal zuhause Penner und Punks auf und pflegte sie, bis sie wieder laufen konnten. Den Einsatz für die Gesellschaft hat er von zuhause mitbekommen. Sein Onkel Hans-Peter sieht eine niederbayerische Sturheit in der Familie, die alle positiv antreibt. Er ist selbst auch einer der Treiber.

Nach der Realschule in Mallerdorf begann er seine Lehre zum Maler und Lackierer zuhause im eigenen Familienbetrieb. Michael sagt von seinem Vater, er habe ein unwahrscheinliches Talent zur Zusammenarbeit. Und er genießt das totale Vertrauen von ihm. Wahrscheinlich war es dieser Grundstock, der ihn die Lehre zuhause beginnen ließ. Nur wenige tun das im eigenen Betrieb. Nach der Lehre übernahm er mit 25 Jahren zusammen mit seinem Vater die Geschäftsführung in 3. Generation. Er hat die Chance genutzt, die ihm sein Vater gab. Seit 30 Jahren arbeiten sie – wie er sagt – im kreativen Austausch wunderbar zusammen. Und dieses Urvertrauen, das totale Vertrauen, das Dinge klappen, die man anpackt, das einander zu-trauen – das spürt man bis heute in seinen Worten, in seiner Art. Welch Gnade, solche Eltern zu haben, die einem dieses Urvertrauen in die Wiege, in die Kinderschuhe legen.

Sein erster Weg nach Regensburg führte ihn in die Berufsschule. Im Jahr 2000 hat sein Familienbetrieb im Regensburger Hafengebiet gebaut. Sie hat heute 50 Mitarbeiter:innen an 6 bayerischen Standorten. Seit 22 Jahren ist damit diese Stadt seine Heimat und sein Lebensmittelpunkt. Er hat 3 wunderbare Kinder und eine tolle Frau, die ihn in allem unterstützt und genauso mitgestaltet und macht wie er. Eine Macherfamilie.

Wie kommen die zur Seenotrettung?

Erinnern Sie sich, an den Moment, als Sie dem ersten Flüchtling begegnet sind?

Bei mir war das 1999 in Kenia. Menschen packten Ihr Hab und Gut, weil ihr Lebensraum durch die anhalten Dürre aufgrund des Klimawandels nicht mehr bewohnbar war. Der Klimawandel nahm ihnen die Heimat. Auch wir Regensburger werden unsere Koffer packen müssen, wenn der Klimawandel von uns weiter ungebremst angefeuert wird durch Kohle, Öl und Gas. In Syrien war das 2011 der Fall. Eine der Fluchtursachen war die folgenschwerste Dürre, die das Land seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erlebt hatte.

In Deutschland begegnete ich dem ersten Flüchtling aus Syrien am 8. Januar 2015 im ICE aus meiner Heimat Passau nach Regensburg. Er war aufgebracht. Die Polizei hatte ihm gerade alles abgenommen und er wusste nicht, wie er weiterkommen sollte nach Deggendorf. Ich bat die Passauer Schaffnerin, den ICE kurz warten zu lassen damit ich ihn zum Anschlusszug begleiten konnte. Ich drückte ihm 50 EUR in die Hand. Zuhause war ich völlig geflasht von diesem Erlebnis, nicht ahnend, was da im Sommer 2015 auf uns zukommen sollte.

Wir beide haben uns im Juli 2016 beim Pecha Kucha im Cinema Paradiso kennengelernt, organisiert von meinem Theaterfreund und Künstler Florian Topernpong. Michael und seine Frau Hanni hatten ihr Projekt - Sea Eye - vorgestellt und geschildert, wie der Entschluss an einem Abend im Mai 2015 mit Bier und Freunden reifte, die Nachrichten zu sterbenden Flüchtlingen im Mittelmeer nicht einfach hinzunehmen, sondern selbst aktiv zu werden. Die Vorstellung, dass sie mit der Familie im Urlaub auf dem Mittelmeer segelten, während in der Nähe Menschen ertrinken, war für sie unerträglich. Sie gründeten mit Familie und Freunden Sea-Eye und finanzierten gemeinsam das erste Schiff, mit dem Sie im Februar 2016 in See stachen. Wenn Sie nur einen Menschen retten würden, hätte es sich schon gelohnt. Sie retteten in ihrer Zeit 12.000 Menschen, bis heute 16.000. 16.000! Trotz widrigster Umstände und menschenverachtenden Behördenvorgängen. Das verdient unser aller Respekt. Sea-Eye ist heute mit mehr als 800 Mitgliedern eine der drei größten Seenotrettungsorganisationen in Deutschland und regelmäßig in den großen Medien. Aus Regensburg! Für die Welt. Für die Humanität.

Regensburg liegt nicht an der See, aber Regensburg rettet!            

Das Foto des ertrunkenen 4-jährigen Alan Kurdi ging um die Welt. Sea-Eye hatte ein Rettungsschiff danach benannt.

Michael Buschheuer war aber auch klar, dass es nicht reichte, „nur“ Menschen zu retten. Er sagt: „Wir müssen uns auch so erklären, dass es die Gesellschaft mittragen kann. Und uns um deren Integration vor Ort sorgen und kümmern.“ Das ist kein Selbstläufer. Ein Blick nach Mariopol zeigt uns: wir brauchen neben Nahrung, Trinken und Energie vor allem ein Dach übern Kopf, eine Bleibe. Aber damit die Geflüchteten auch hier in der Gesellschaft ankommen, braucht es mehr. Meine Auslandserfahrung ist diese: Die Sprache ist der Schlüssel zur Kultur. Wenn ich die Wörter nutze, seien es auch noch so wenige, vor Ort deren Sprache spreche, die Sprichwörter verstehe, bin ich nicht nur leiblich hier integriert, sondern auch geistig-seelisch.

So ist es nicht verwunderlich, dass Michael Buschheuer wieder mit seiner Frau 2018 die Flüchtlingshilfe Space-Eye gründete. Ein Sammelbecken der Humanität. Neben der Dokumentation der Vorkommen im Mittelmehr leistet die Organisation akute Nothilfe an vielen Stellen: in den Flüchtlingscamps in Griechenland wie auf Lesbos samt Schulen und Seenotrettung vor Ort, ebenso in Bosnien samt Bio-Farm von Geflüchteten für Geflüchtete, durch Wohnprojekte auf Samos, auf Lesbos und auch bei uns in Regensburg. Oder das Sichtbarmachen in unserer Stadt durch die weißen Platzhalter für Geflüchtete: Ins Bewusstsein rücken, dass wir überall noch Platz haben, wenn wir Platz in unseren Herzen, in unserem Gemüt dafür Platz schaffen.

Oder Odessa - unsere Partnerstadt, als sie bombardiert wurde richtete Michael sofort eine Busbrücke ein und machte regelmäßige Treffen dazu im Leeren Beutel. Allein über diese Brücke nach Odessa kamen nicht nur 60 LKW mit Hilfsgütern in die Ukraine. Es konnten bereits etwa 3000 Menschen evakuiert werden - davon 1400 nach Regensburg. So wurden 950 Menschen in fremden Wohnungen untergebracht und über 120 in eigenen, selbst betreuten Wohnungen. Sogar ein medizinische Betreuung gibt es für die Geflüchteten. Space-Eye hat mitterweile 250 Mitglieder und 12 Projekte.

Eine unglaublich starke Leistung. Und alles im Ehrenamt! Alles, weil Menschen Verantwortung übernehmen. Besonders einer: Michael Buschheuer. Dafür dürfen wir Dir, lieber Michael, unendlich dankbar sein.

Freunde sagen, er ist ein Praktiker, er packt an, mit frenetischer Leidenschaft, mit großem Erfolg, ein Familienmensch, der sich intensiv auch um die eigene Familie kümmert. Jemand, der andere Menschen mitnimmt. Er ist deutlich mehr als ein Maler: ein Mensch mit unglaublich großem Wissen, großer Überzeugungskraft, großer Klarheit, ein Segler im Herzen, nachdem sogar – passend zum Preis – zeitweise die Eiserne Brücke benannt wurde.

Ein Mensch, der die Gesellschaft und die Menschen in Bewegung versetzt, die harten Fragen zu stellen und sie hart und fair zu diskutieren und in die Verantwortung zu kommen. Die Verantwortung eines jeden einzelnen.

Die Angst vor den Geflüchteten hat viel Spaltung in unsere Gesellschaft gebracht. Aus der Angst erwächst auch das Ego. Und unsere Gesellschaft ist auf allen Ebenen egoistischer geworden. Auf individueller Ebene: „Warum soll ich für den Ukrainekrieg frieren oder ein Tempolimit akzeptieren?“ oder „Warum sollen wir Flüchtlinge aufnehmen. Auf nationaler Ebene: „America first, Brexit, Italia first, oder „Unser Land zuerst“. Und natürlich auch in der Politik, wo wir Machtkämpfe statt Zusammenarbeit oder destruktive statt konstruktive Oppositionsarbeit erleben. Und aus der Angst heraus entspringt auch die Illusion, dass wir von allem getrennt seien, von der Natur, von unseren Mitmenschen. Dem ist nicht so.

Ist es nicht erfrischend, wie Michael Buschheuer diesen Egoismus durchbricht, und nicht nur an sich selbst und die eigene Optimierung und Profitmaximierung denkt?

Welche Wohltat ist es, dass es immer noch Menschen gibt, die nicht nur an sich selbst denken. Die sich aufopfern, teilweise unter Missachtung der eigenen Grenzen, für andere, für das Miteinander, für das Gemeinwohl und das gute Leben – für alle!

Jemanden wie Michael Buschheuer.

Wie würde unsere Gesellschaft aussehen, wenn jeder nur noch an sich denkt? 
Würde sie funktionieren?

Eine Gesellschaft, in der wir alles individualisieren können, wo das eigene Wohl immer an erster Stelle steht und das Wohl der anderen - das Gemeinwohl ganz hinten? In Zeiten, in denen Verteilungskämpfe an der Tagesordnung sind. Im Großen und Kleinen. Vor Ort und global.

Welche Gesellschaft ist das? Funktioniert sie?

Früher waren wir 10 Menschen um den Essenstisch – jung und alt, groß und klein. Großfamilien. Ein kleines Abbild einer Gemeinschaft, die einander braucht und aufeinander angewiesen ist. So ist auch Michael groß geworden. Heute kommen wir vermeintlich allein zurecht. Wir haben uns einen derartigen Wohlstand geschaffen, dass wir nicht mehr groß aufeinander angewiesen sind.

Der Gegenpol zur Angst ist die Hoffnung, die Liebe. Und ich spüre ganz viel Hoffnung, wenn ich mit Michael zusammen bin. Er bringt Mut und Hoffnung in die Gesellschaft, spornt an, mitzumachen, den Kopf nicht hängen zu lassen. Unermüdlich! Schauen Sie ihm in die Augen, Sie werden es spüren.

Michael, Du engagierst Dich zusammen mit Deiner Familie mit Leidenschaft mit all Deinen Talenten für diese eine Weltgemeinschaft und lebst globale Solidarität mit Haut und Haaren wahrhaftig vor. Viele können sich von Dir einige Scheiben abschneiden. Ist es nicht unser aller Aufgabe für das Gemeinwohl aller unter Achtung und Einhaltung der Menschenrechte zu sorgen? Die Würde des Menschen ist und bleibt unantastbar.

Der Brückenschlag zu anderen Menschen gelingt Dir und Du baust fast rastlos immer weitere Brücken zu vielen Menschen, für viele Menschen. Und dieses Engagement wird gesehen und anerkannt. Gerade heute, jetzt und hier!

Dieses Engagement hat Dich hier her, an diesen Platz, in diesen Moment gebracht und wird - wie heute – von allen gewürdigt und gesehen. Und nicht mehr auf „diese lange Bank hier geschoben“: Mit Recht und Fug! Selten hat der Name des Preises besser auf den Preisträger gepasst als heute.

Michael Buschheuer ist ein Held unserer Zivilgesellschaft. Er ist ein lebendes Beispiel dafür, dass man nicht Akademiker sein muss, um großes zu bewirken. Unsere Oberbürgermeisterin ist ein Fan von ihm. Die MZ beschreibt ihn als „den Handlungsfähigen“.

Es ist kein Akademiker, kein profilierter Politiker, der diesen Preis bekommt. Es ist ein einfacher Handwerker und Unternehmer, der das alles geleistet hat. Der Preis an ihn ist ein starkes Zeichen gegen die vorherrschende Ohnmacht in der Gesellschaft, großen Veränderungen und Krisen hilflos ausgeliefert zu sein. Michael Buschheuer ist das Musterbeispiel dafür, dass auch eine einzelne Person aus der Mitte der Gesellschaft viel bewirken und anstoßen kann. Ein Mensch der zupackt, anpackt, mitreißt!

Sind wir zu klein, um etwas zu verändern? Nein!

“You are never too small to make a difference!” von wem ist das? Greta Thunberg – es könnte auch von Michael Buschheuer sein.

Seine beiden Leitsätze sind:

  1. Bin ich verantwortlich?
  2. Bin ich handlungsfähig?

Wenn beides mit Ja beantwortet wurde, ergibt sich daraus eine Pflicht zu handeln.

Wie würde unsere Gesellschaft aussehen, wenn jeder so handelt, wie Michael Buschheuer?

Lassen wir zum Schluss dieser Laudatio den Maler und seine Bilder wirken!

Stellen Sie sich alle eine solche Gesellschaft vor! Machen Sie dazu gerne mal kurz die Augen zu. Keine Angst, es sieht sie keiner – und ich mach es auch. Lassen Sie das Bild vor Ihrem geistigen Auge entstehen und wachsen. Die Ideen die kommen, seien sie auch noch so klein. Sie sind da. Prägen Sie sich diese ein. Setzen Sie sie dann in die Realität um. Nach dem schönen Abend heute wachen Sie morgen auf: Was wäre der erste Schritt, gleich morgen früh?

Danke. Augen auf.

Jeder kann was machen, jeder kann was tun. Alles andere ist eine Illusion. Nur die positiven Bilder der Zukunft tragen uns in die Zukunft. Bilder, wie Sie uns Michael Buschheuer an die Wand malt.

In dem Sinn - im Namen aller – Lieber Michael:

Herzlichen Dank für Deine Bilder!

Herzlichen Dank für Deine Brücken!

Du und Deine Familie & Freunde habt Euch diesen Preis mehr als verdient!