Verleihung des Brückenpreises 2025 an Iris Berben
Rede von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich der Verleihung des Brückenpreises 2025 an Iris Berben am 3. Oktober 2022 um 19 Uhr im Historischen Reichssaal des Alten Rathauses
- Es gilt das gesprochene Wort -
Anrede
1995 – vor genau 30 Jahren – beschloss der Regensburger Stadtrat, mit dem Brückenpreis eine neue Auszeichnung zu stiften.
Regensburg feierte damals 750 Jahre Stadtfreiheit:
Am 10. November 1245 hatte Kaiser Friedrich II. Regensburg mit dem Edikt von Pavia in den Stand einer Freien Reichsstadt erhoben, die nur dem Kaiser unterstellt war.
Für unsere Stadt war dieses Ereignis von entscheidender Bedeutung, denn die Regensburger konnten ihr Schicksal fortan in ihre eigenen Hände nehmen.
Regensburg entwickelte sich zu einer reichen Handelsstadt, und war als Sitz des Immerwährenden Reichstag von 1663 bis 1806 ein wichtiges Zentrum der deutschen und europäischen Politik.
Dass die mittelalterliche Altstadt mit Stadtamhof seit 2006 zum UNESCO-Welterbe gehört und jedes Jahr Tausende Menschen aus aller Welt zu uns kommen, um sie zu bewundern – das haben wir nicht zuletzt dieser erfolgreichen Entwicklung zu verdanken.
Wenn Sie so wollen, profitieren wir damit bis heute von der Freiheit, die unseren Vorfahren damals geschenkt wurde.
Der Brückenpreis ist ein Symbol dafür.
Denn Freiheit braucht Frieden.
Freiheit braucht eine offene, vielfältige Gesellschaft.
Freiheit braucht Menschen, die sich dafür einsetzen, Gegensätze und Grenzen zu überbrücken,
– und genau diese Menschen sind es, die wir mit dem Brückenpreis auszeichnen.
Die bisherigen Preisträger sind:
- der ehemalige polnische Außenminister Professor Wladyslaw Bartoszewski,
- der frühere Bremer Bürgermeister und spätere EU-Beauftragte in Bosnien-Herzegowina, Hans Koschnick,
- der Bürgerrechtler und ehemalige tschechoslowakische Staatspräsident Václav Havel
- die beiden deutschen Politiker-Brüder Dr. Hans-Jochen Vogel und Professor Dr. Bernhard Vogel
- der ehemalige Staatspräsident der Sowjetunion Michail Sergejewitsch Gorbatschow
- die Autorin und Publizistin Dr. Carolin Emcke sowie
- der Unternehmer, Menschenrechtsaktivist und Gründer mehrerer Hilfsorganisationen Michael Buschheuer.
Sinnbild des Brückenpreises ist der heilige Nepomuk – und zwar in einer ganz besonderen Darstellung mit zwei Köpfen, die in unterschiedliche Richtungen blicken.
Die Skulptur stammt von dem ostbayerischen Bildhauer Alfred Böschl, der 2020 verstorben ist. Sie ist inspiriert von einer Granitfigur in Schönsee, im deutsch-tschechischen Grenzgebiet. Diese Figur steht auf einer Brücke, und zwar so, dass sich der eine Nepomuk nach Westen (Richtung Bayern), und der andere nach Osten (Richtung Böhmen) neigt. Sie gilt als Sinnbild für die bewegte Geschichte der Region – und erinnert zugleich daran, dass nicht nur die eigene Meinung zählt, sondern dass es wichtig ist, auch den Standpunkt des Nachbarn zu sehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
„nicht nur die eigene Meinung gelten lassen, zuhören, auch den Standpunkt des anderen beachten – vielleicht sogar neugierig darauf sein“ – diese Fähigkeit scheint mehr und mehr verloren zu gehen. Hass und Hetze nehmen zu.
Im Internet, aber auch im „analogen Leben“ steigen die Fallzahlen politisch motivierter Straftaten und von Delikten, die der sogenannten „Hasskriminalität“ zuzurechnen sind.
Die Akzeptanz gesellschaftlicher Vielfalt nimmt ab – insbesondere, wenn es um die ethnische Herkunft, um sozioökonomische Schwäche oder um Religion geht. Zu diesem Ergebnis kommt das kürzlich veröffentlichte „Vielfaltsbarometer“, eine repräsentative Befragung der Robert-Bosch-Stiftung.
Stimmen, die angesichts komplexer Probleme scheinbar einfache Lösungen propagieren und einzelne gesellschaftliche Gruppen zu „Sündenböcken“ erklären, sind unerträglich laut geworden.
Wir brauchen nur 100 Jahre in unsere eigene Geschichte zurückblicken, um zu erkennen, wie gefährlich diese Entwicklungen sind, wie verheerend ihre Folgen sein können.
Wir dürfen dem nicht tatenlos zusehen!
Gerade angesichts der Krisen und Unsicherheiten, denen wir uns gegenübersehen, dürfen wir uns nicht auseinanderdividieren lassen.
Wir müssen miteinander reden, gemeinsam Lösungen suchen und alle miteinander für die Werte einstehen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ausmachen.
Demokratie, Freiheit und Frieden sind keine Selbstläufer, auch wenn das für uns jahrzehntelang so ausgesehen haben mag.
Deshalb brauchen wir heute – mehr denn je – Menschen, die sich dafür stark machen, die ihre Stimme erheben und sich für ein friedliches Zusammenleben engagieren.
Menschen wie Iris Berben.
Liebe Frau Berben,
es dürfte wohl kaum jemanden geben, der nicht sofort einen bestimmten Film oder ein bestimmtes Fernsehformat im Kopf hat, wenn er Ihren Namen hört – aber das bildet natürlich immer nur einen kleinen Ausschnitt Ihres enormen Schaffens ab.
Sie haben in zahlreichen bekannten Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt. Für Ihre herausragenden schauspielerischen Leistungen sind Sie vielfach ausgezeichnet worden. Von 2010 bis 2019 vertraten Sie als Präsidentin der Deutschen Filmakademie die Interessen der über 2.000 kreativen Mitglieder der Filmbranche.
Nun könnten Sie sich zurücklehnen und Ihre Erfolge einfach genießen.
Niemand ist verpflichtet, sich politisch zu äußern, weil er in der Öffentlichkeit steht – so haben Sie es selbst einmal (sinngemäß) in einem Interview formuliert.
Für sich selbst aber haben Sie sich entschieden, einen anderen Weg zu gehen – einen Weg, der sicher oft unbequemer ist, der Zeit und Energie kostet und der bestimmt nicht überall nur auf Zustimmung stößt.
Sie haben sich entschlossen, in der Öffentlichkeit klare Haltung zu gesellschaftspolitischen Themen zu zeigen. Für Toleranz und Mitmenschlichkeit einzustehen und gegen das Vergessen, gegen Rassismus und Antisemitismus anzukämpfen.
Sie nutzen Ihren hohen Bekanntheitsgrad und Ihre Strahlkraft als beliebte Schauspielerin dazu, Werte wie gegenseitigen Respekt, Toleranz, die Achtung der Persönlichkeitsrechte sowie der Menschenwürde und die Förderung einer lebendigen Erinnerungskultur in den Mittelpunkt zu stellen und einzufordern.
Gerade vor dem Hintergrund des seit Jahren zunehmenden Antisemitismus ist es Ihnen eine Herzensangelegenheit, die Menschen direkt zu erreichen und nicht nur zu sensibilisieren, sondern auf eindringliche Weise davor zu warnen, Verbrechen an der Menschheit wie zur Zeit des nationalsozialistischen Regimes nicht wieder geschehen zu lassen.
Die im Mai verstorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer hat gesagt:
„Es gibt kein christliches Blut, kein jüdisches Blut, kein muslimisches Blut – es gibt nur menschliches Blut, und wir müssen die Menschen respektieren. Was war, war. Das können wir nicht ändern. Aber es sollte nie, nie, nie wieder passieren.“ –
Dieser Mahnung und diesem Auftrag kommen Sie auf einmalige Weise nach, zum Beispiel
- mit Ihrer Schirmherrschaft für das Musiktheaterstück „Die Kinder der toten Stadt“,
- als Mitglied der Gesellschaft „Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“,
- als Botschafterin für den „Raum der Namen“ des Holocaust-Denkmals in Berlin
- als prominente Unterstützerin der #WeRemember-Kampagne zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar
- und selbstverständlich als Jury-Mitglied des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises, der in diesem Jahr im September an die israelisch-palästinensische Versöhnungsinitiative „Parents Circle – Families Forum (PCFF)“ verliehen worden ist.
Der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis erinnert an die staatlich verordneten Menschenrechtsverbrechen des Nationalsozialismus und setzt ein klares Zeichen für Frieden, Versöhnung, Verständigung und Achtung der Menschenrechte. Nicht zuletzt dank seiner renommierten Jury genießt der Preis auch international große Anerkennung.
Es ist mir deshalb eine große Freude, dass wir für die heutige Laudatio eine Frau gewinnen konnten, die dieser Jury gemeinsam mit Ihnen, liebe Frau Berben, angehört hat:
Anne Brasseur wurde 1975 in den Gemeinderat der Stadt Luxemburg gewählt. Seitdem hat sie sich in unterschiedlichen Gremien – auf nationaler ebenso wie auf internationaler Ebene – auf vielfältige Weise für die Gesellschaft und die Europäische Gemeinschaft eingesetzt und tut dies weiterhin.
Wichtige Stationen waren unter anderem das Ministeramt für Bildung, Berufsausbildung und Sport des Großherzogtums Luxemburg und die Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, deren Präsidentschaft sie von 2014 bis 2016 innehatte. Von 2016 bis 2018 war sie Botschafterin des Europarats für das des No Hate Speech Movement.
Neben der Jurytätigkeit beim Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis (von 2016 bis 2020) ist sie auch Mitglied in der Jury des Václav Havel Menschenrechtspreises und des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Liebe Frau Brasseur, es freut mich sehr, dass Sie heute hier sind, um die Brückenbauerin Iris Berben zu würdigen.
Vielen Dank dafür, und vielen Dank an dieser Stelle auch an Andreas Dombert für die musikalische Umrahmung des Festakts.
Ich wünsche Ihnen, liebe Frau Berben, und Ihnen, liebe Gäste, viel Vergnügen beim weiteren Programm und einen schönen Abend hier im Alten Rathaus.