Brückenpreis 2025 - Laudatio von Anne Brasseur für Iris Berben
Laudatio anlässlich der Verleihung des Regensburger Brückenpreises 2025
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr verehrte Frau Oberbürgermeisterin,
Sehr verehrte Damen und Herren,
Sehr verehrte Preisträgerin, liebe Iris Berben,
Es ist für mich eine große Ehre und vor allen Dingen eine sehr große Freude, die Laudatio für Frau Iris Berben zu halten. Es ist aber auch, das gestehe ich gerne ein, eine enorme Herausforderung. Bei den unzähligen Preisen, die Sie erhalten haben, waren es jedes Mal hervorragende prominente Laudatoren, die Sie geehrt haben.
Vieles zu Ihnen als Person und Ihren herausragenden Eigenschaften wurde deshalb schon gesagt. Heute will ich den Versuch unternehmen, trotzdem noch einige neue Facetten zu ergänzen.
Die erste Frage, die sich stellt, ist: Wie kommt es dazu, dass eine liberale Ex- Politikerin aus Luxemburg Laudatorin für Frau Iris Berben wird? Nun, wir haben uns bei der Jury des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises kennen und schätzen gelernt. Ich habe dann auch versucht über ChatGPT herauszufinden, was uns sonst noch in unseren Biographien verbindet:
„Anne Brasseur und Iris Berben vereint eine klare ethische Haltung, Mut zur öffentlichen Positionierung und die Überzeugung, dass Engagement Wirkung zeigt. Sie sind jede auf ihre Weise Brückenbauerinnen: zwischen Menschen, Meinungen, Kulturen und gesellschaftlichen Sphären. Ihre Lebenswege zeigen, dass Verantwortung nicht nur eine politische, sondern auch eine kulturelle Aufgabe ist.“
Ich bin der Auffassung, dass diese Darstellung von ChatGPT überaus schmeichelhaft für mich ist und zu kurz gegriffen für die Preisträgerin von heute. In einem aber bin ich Iris Berben leicht voraus, nämlich im Alter, und zwar bin ich genau 85 Tage älter. In dem Buch „Ein Jahr - ein Leben“ schreibt Iris Berben „Was ist Lebenszeit? Mir wird immer klarer, dass es nicht um das eigene, ansteigende Alter geht, sondern im Gegenteil darum, die verbleibende Zeit wahrzunehmen.“ Das ist ein Auftrag an uns alle, meine Damen und Herren: wir müssen die verbleibende Zeit wahrnehmen.
Wir beide sind also laut ChatGPT Brückenbauerinnen. Die Brücke verbindet auch Regensburg mit Luxemburg, und zwar durch Nepomuk, den Brückenheiligen, der symbolisch für diesen Preis steht. Nepomuk wird auch in Luxemburg verehrt. König Wenzel, auch Wenzel der Faule genannt, war Herzog von Luxemburg. Er hat im 14. Jahrhundert, nach einem Streit, Nepomuk in die Moldau gestoßen. Ich möchte mich nachträglich dafür entschuldigen. Es gibt eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Regensburg und Luxemburg. Beide Städte sind UNESCO-Weltkulturerbe.
Ich möchte Sie, Frau Oberbürgermeisterin sowie die Stadt Regensburg dazu beglückwünschen, dass der Brückenpreis dieses Jahr an Iris Berben geht. Ja, sie ist als Schauspielerin bekannt durch ihre enorme Filmkarriere, mit ungefähr 200 Filmen, auf die ich nicht alle eingehen werde. Nur einen Film möchte ich erwähnen: „Sternstunde ihres Lebens“. In diesem Film verkörpert Iris Berben Elisabeth Selbert, eine der Mütter des Grundgesetzes. Durch die Hartnäckigkeit von Elisabeth Selbert wurde die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in Artikel 3 des Grundgesetzes verankert, durch den schlichten Satz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Iris Berben gibt nicht nur in ihrer Filmrolle, sondern auch heute nicht auf, damit dieses Grundrecht tatsächlich tagtäglich durchgesetzt wird, was leider noch nicht immer der Fall ist.
Durch den Brückenpreis wird das soziale und politische Engagement von Iris Berben, das über ihren eigentlichen Wirkungskreis als Künstlerin hinausgeht, noch einmal ausdrücklich hervorgehoben, was besonders in der gegenwärtigen Zeit von großer Bedeutung ist.
Bei der Vorbereitung dieser Laudatio habe ich versucht, mir ein genaueres Bild von Iris Berben zu machen, was aber aufgrund ihres facettenreichen Lebens kein leichtes Unterfangen ist. Schwierig auch deshalb, weil die Laureatin auf die sozialen Medien verzichtet, was ich sehr positiv bewerte. Was aber auch bedeutet, dass ihre Spuren im Netz deutlich weniger ausgeprägt sind als bei anderen öffentlichen Personen. Ich habe Probleme, die Terminologie zu verstehen, da man diese Medien in meinen Augen nun wirklich nicht als „sozial“ bezeichnen kann. Ich bin verwundert, dass in einer Zeit, in welcher die Privatsphäre so gut geschützt wird wie nie zuvor, viele Menschen alles oder fast alles über sich preisgeben wollen und sich fast einer Art „digitalem Exhibitionismus“ hingeben. Iris Berben war und ist, was ihr Privatleben anbelangt, immer sehr zurückhaltend. Dazu hat sie einmal gesagt: „Ich finde, dass solche Intimitäten wie die Details einer privaten Beziehung nicht in die Öffentlichkeit gehören.“
Hier aber einige Etappen aus ihrem Leben, die weniger privat und deshalb auch in der Öffentlichkeit bekannt sind.
Nach der Scheidung Ihrer Eltern musste Iris Berben oft umziehen, wechselte die Schule und verbrachte viel Zeit in Internaten, die sie aus disziplinarischen Gründen verlassen musste. In dem schon erwähnten Buch „Ein Jahr - ein Leben“ sagte sie: „Es war harmlos. Heute würde ich als anstrengendes Kind gelten, dem man sich besonders widmen müsste. Vorlaut eben.“
Folgendes wurde von der Schule über sie geschrieben: „vorlaut, ungehorsam, Stunde gestört, zu spät zum Beten gekommen.“ Im Zeugnis stand „Passt sich der Gemeinschaft nicht an.“ Solche Beschreibungen haben sie mit Sicherheit geprägt und ihren Drang nach Freiheit stark beeinflusst.
Als unangepasst kann man dann auch ihr späteres Leben bezeichnen, da sie nie heiraten wollte. Dies nach dem Motto von Hildegard Knef aus dem Lied “Für mich soll’s rote Rosen regnen“: „Ich möcht nicht allein sein und doch frei sein“. Mit 21 brachte sie ihren Sohn Oliver zur Welt, und zwar als alleinerziehende Mutter oder wie es damals hieß: Mutter eines unehelichen Kindes.
Wie soll man die Laureatin heute beschreiben:
Sie kann sehr laut sein, unbändig leidenschaftlich, unerschütterlich standhaft, unangepasst, eigenwillig, streitlustig, charmant, aufrichtig, facettenreich. Mit diesen Worten hat die damalige Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dryer, die Laureatin Iris Berben anlässlich der Verleihung des Deutschen Rednerpreises 2022 beschrieben. Weiter wurde Iris Berben von der Ministerpräsidentin als Fürsprecherin für Toleranz und Menschlichkeit gewürdigt, als „Mensch, der sich als Vorbild einmischt und andere bewegt, sich einzumischen“. Ich erlaube mir, mich dieser sehr treffenden Beschreibung anzuschließen. Genau diese Einmischung ist eine prägende Eigenschaft von Brückenbauerinnen wie Iris Berben, denn sie bedeutet, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.
Ja. Eigenwilligkeit und den Mut zu klaren Aussagen kann man der heutigen Preisträgerin nun wirklich nicht absprechen. Sie eckt an, sie zeigt Rückgrat und sie mischt sich ein, nimmt kein Blatt vor den Mund, wie neulich bei einem Interview im Stern unter dem Titel: „Manche Frauen sollten lieber mehr Hirn als Hintern trainieren“. In diesem Interview stellt Iris Berben die Frage „wozu sind wir auf die Straße gegangen“. Seit 1968 kämpft sie für ein selbstbestimmtes Frauenbild und sagt, „Heute habe ich oft das Gefühl, es ist wie ein Herdentrieb - Individualität wird eher abgestraft, man wird gecancelt, wenn man nicht dazu gehört“ und weiter „Aber ich habe oft das Gefühl, wir entwickeln uns gerade zurück.“
Man scheint in der Tat vergessen zu haben, dass in Deutschland erst 1958 die Gleichstellung von Mann und Frau im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert wurde. In vielen anderen Ländern ließ diese Gleichstellung noch länger auf sich warten. Bis dahin war es den Frauen nicht erlaubt, einen Beruf ohne Einwilligung ihres Mannes auszuüben und sie durften kein Bankkonto ohne dessen Genehmigung eröffnen. Es dauerte bis 1977, bis es zur vollen Gleichberechtigung bezüglich der Rolle in der Familie kam.
Bis 1973 wurde Sex außerhalb der Ehe in Deutschland gesetzlich geächtet. Das Vermieten einer Wohnung oder von Hotelzimmern an unverheiratete Paare war strafbar. Von unverheirateten Paaren sagte man, sie würden in wilder Ehe leben. Ich habe es mal nachgesehen, Ihr Sohn kam 1971 zur Welt.
1975 wurde die Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre gesenkt.
Erst 1994 wurde der Paragraph 175 aus dem Gesetzbuch gestrichen. Dieser Paragraph stellte eine homosexuelle Beziehung unter Männern unter Strafe.
Unter bestimmten Bedingungen wurde die Abtreibung 1995 straffrei.
Meine Damen und Herren,
Ich habe diese Punkte ausdrücklich erläutert, weil viele, hauptsächliche jüngere Menschen sich dieser Entwicklungen, die noch gar nicht so lange her sind, nicht bewusst sind.
Für diese Freiheiten ist Iris Berben auf die Straße gegangen. Dazu sagt sie: „Ich war auf jeder Demo, kenne die Stärke jedes Wasserstrahls, der mich durch die Straße katapultiert hat.“
All diese Errungenschaften und Freiheiten werden heute als selbstverständlich angesehen. Wohlstand und Frieden werden nicht hinterfragt.
In der Textsammlung „Die Kunst, ohne Sorgen zu leben“ schrieb Stefan Zweig 1941 im Beitrag „Das grosse Schweigen“ Folgendes: „Denn es ergeht uns sonderbar gerade mit den heiligsten Werten des Lebens. Wir vergessen sie, solange sie uns gehören, wir beachten sie in den sorglosen Stunden unseres Lebens so wenig, als wir der Sterne gewahr werden am lichten Tag. Immer muss es erst dunkel werden, damit wir erkennen, wie glorreich die ewigen Gestirne über unseren Häuptern stehen.“
Heute sind wir alle gefordert, um zu verhindern, dass es dunkel wird, dass die Freiheiten, die im letzten Jahrhundert erkämpft wurden, nicht zurückgedrängt werden. Wenn ich sage, wir alle, dann müssen wir alle zu Brückenbauern werden, über alle unsere weltanschaulichen, ideologischen, politischen, religiösen und kulturellen Unterschiede hinweg. Besonders in einer Zeit, in der Hass, Intoleranz, Rassismus, Sexismus, Homophobie, Diskriminierung, Antisemitismus, Ausgrenzung und Rechtsextremismus zunehmen. Um dies zu verhindern, setzt Iris Berben sich nunmehr seit Jahrzehnten bedingungslos ein. Nach ihrem Motto Gesicht zeigen!: „Als Mitglied dieser Gesellschaft, als Demokratin, als Europäerin, ist es meine Pflicht, Haltung zu zeigen. Ich werde nicht nachlassen, Menschen davon zu überzeugen, für ein demokratisches Verständnis, für ein tolerantes und respektvolles Miteinander, einzutreten. Ich zeige Gesicht – für ein weltoffenes Deutschland. Jetzt erst recht.“
Durch Ihre außergewöhnliche Filmkarriere haben Sie ein allseits bekanntes Gesicht, liebe Iris. Hinter diesem Gesicht verbirgt sich aber viel mehr als die Schauspielerin, die Synchronsprecherin, die Herausgeberin, die Rezitatorin, die Schirmherrin, die Präsidentin und... die Mutter und Großmutter, die Partnerin. Sie sind ein sehr feinfühliger und einfühlsamer Mensch, der an Recht und Gerechtigkeit glaubt und sich dafür bedingungslos und leidenschaftlich einsetzt, besonders in einer Zeit, in der versucht wird, die Freiräume zusehends einzuengen.
Ich möchte noch ein letztes Beispiel nennen. Mit der Aktion #WeRemember setzt sich die Laureatin gegen Antisemitismus ein. „Von der Vergangenheit lernen. Die Zukunft schützen. Indem wir aus der Geschichte lernen, können wir gemeinsam eine bessere Zukunft schaffen.“ so steht es auf der Homepage der Kampagne. Bereits 2011 sagte Iris Berben: „Ich habe das Gefühl, dass gerade aufgeklärte Menschen heute wieder Sätze sagen, bei denen die Grenzen zwischen Israel und den Juden verschwimmen. Und das hat nichts mit Kritik an der Politik der israelischen Regierung zu tun, die stattfinden soll und muss.“ Das trifft heute leider noch mehr zu als vor 14 Jahren. Darauf haben Sie in den letzten zwei Jahren mehrfach hingewiesen und sind gerade auch mit linken Teilen des Kulturbetriebs hart ins Gericht gegangen.
Sehr verehrte Preisträgerin, liebe Iris.
Sie wurden bereits für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet aber Ihr Werk ist noch lange nicht beendet, da Sie unermüdlich im Dauereinsatz sind. Es werden noch viele Kapitel des Werkes folgen, über die wir uns sehr freuen. Für die Brücken, die Sie bisher gebaut haben, möchte ich mich bei Ihnen bedanken sowie für die Brücken, die Sie noch bauen werden.
Herzlichen Glückwunsch liebe Brückenbauerin, liebe Iris, von ganzem Herzen.