Brückenpreis 2025 - Rede von Iris Berben

Rede von Iris Berben anlässlich der Verleihung des Regensburger Brückenpreises 2025

- Es gilt das gesprochene Wort -

Was für eine Funktion hat eine Brücke eigentlich?

Wikipedia – die manches weiß, aber längst nicht alles – beantwortet diese Frage folgendermaßen:
Ich zitiere: Oft hat eine Brücke mehrere Bestimmungszwecke z. B. im Verkehrsbereich:
Da werden dann u. a. Straßenbrücken, Fußgängerbrücken, Eisenbahnbrücken, Stadtbahnbrücken und Rohrleitungsbrücken unterschieden.

Die Aufzählung geht endlos weiter: Kanalbrücken, Wasserbrücken, Grünbrücken, Pionierbrücken,
Behelfsbrücken.
Übrigens wusste ich nicht, dass ungenutzte Brücken im Volksmund „Soda Brücken“ genannt werden.
Also Brücken, Brücken, Brücken – ich lerne eine Menge darüber:

Ich war schon etwas verzweifelt, weil ich gar nichts von einer der wichtigsten Funktionen einer Brücke las. Nein, ich war nicht verzweifelt, ich war einfach ungeduldig. Glücklich und beruhigt
fand ich dann weiterlesend auf Wikipedia, die „Brücke als Symbol“. Als Symbol für die Überwindung von Gräben und die Verbindung über trennende Grenzen hinweg.

Und ich erfuhr bei dieser kleinen „Brücken-Suchreise“ auch noch, dass sich auf der Rückseite jeder Europabanknote ebenfalls eine Brücke befindet, die ein Symbol der Völker Europas und Europa mit der Welt darstellt. Also eine Brücke, die, wie ich sie nennen würde, unter „lebenswichtige Brücke“ fällt.

Und darunter fällt auch die Steinerne Brücke.

Die älteste Brücke Deutschlands, ein Unesco Kulturerbe. Das bedeutendste Bauwerk hier in Regensburg – neben dem Regensburger Dom natürlich.

Und diese Brücke ist auch Namensgeber für den „Regensburger Brückenpreis“, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen wahrzunehmen, die – ich zitiere – „in besonderem Maße herkömmliche Grenzen oder Gegensätze politischer, nationaler, wissenschaftlicher, sozialer, kultureller oder religiöser Art
überbrücken“.
Das ist ein sehr wichtiges, ein gutes, ein ehrenhaftes Anliegen, und ich freue mich wirklich von ganzem Herzen über diese Würdigung.

Und gleichzeitig erschrecke ich mich, ärgere ich mich, wundere ich mich und frage ich mich, warum ist so eine Würdigung, so eine Auszeichnung, immer noch nötig?
Sollte denn nicht das, was wir überbrücken müssen, längst selbstverständlich sein?
Ja, das sollte es! Ist es aber nicht!

Es scheint ein naives Wunschdenken von einigen zu sein, immer wieder auch von mir. Es zeigt sich nämlich, dass wir weit davon entfernt sind, die Verunsicherten, die Alleingelassenen, die Bequemen, die Hass getriebenen, die Antisemiten, die Ausgrenzer, die Demokratie-verächter und die Rückwärtsgewandten zu erreichen.

Es zeigt sich, dass der Wunsch, begreiflich zu machen, dass das Fremde, das Ungewohnte, das Neue uns nicht voneinander trennt, uns nicht einengt, uns nichts wegnimmt, uns keine Angst machen soll, sondern dass wir es als Bereicherung sehen können. Als Chance, als eine weitere Möglichkeit, über den Tellerrand
unseres eigenen Lebens hinauszusehen.

Der Wunsch, begreiflich zu machen, dass wir die vielen Herausforderungen, oft auch Überforderungen, nur gemeinsam stemmen können.

Der Wunsch, jedem seine/ihre Lebensform, Individualität, Freiheit und vor allem Würde zu gewährleisten.
Dieser viel zitierte und sicher unverrückbarste zentrale Satz des deutschen Grundgesetzes, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ gilt für ALLE Menschen.

Dieser Satz, diese zutiefst humanistische Forderung, gilt es zu erfüllen.
Das bedeutet: Sie zu leben! Ja, das ist auch Arbeit, aber wenn wir diese Arbeit alle miteinander leisten, wenn wir sie teilen, ist sie eben auch die einzige Aussicht, vielleicht sogar ein Garant, auf ein friedliches, freiheitliches, gerechtes Miteinander.

Und ich weiß natürlich auch um die Erschöpfung dieser Arbeit, dieeinen überkommt, über die Zweifel, ob man tatsächlich etwas bewirken kann, um die Ernüchterung nach all den traurigen Schlagzeilen, die wir täglich hören und lesen, die uns immer wieder zurückwerfen.

Das muss man aushalten und durchhalten – das gelingt (mir) am leichtesten mit den Komplizen und Komplizinnen, die ich mir immer wieder suche, oder die mir begegnen.
Und so ein Anlass, wie der heute hier, ist ja auch wieder ein perfekter Ort, diese Komplizenschaft auszuweiten.
Denn das ist doch der eigentliche Sinn so einer Würdigung: Die Bühne nutzen, den Finger in die Wunde legen, ein kleiner Weckruf, das Erinnern an das große Privileg, in einem freien, demokratischen Land leben zu können, das uns die Gestaltung dieses Landes mittragen lässt.

Ich bin unendlich dankbar, so leben zu können. Aber zur Dankbarkeit sollte sich auch immer die Verantwortung gesellen. Und zu dieser Verantwortung gehört auch, unsere Geschichte zu
kennen.

Nur, wenn wir uns mit unserer Vergangenheit auseinandersetzen, können wir die Zukunft gestalten.
Nur wenn wir etwas einordnen, wenn wir Signale und Mechanismen erkennen, können wir frühzeitig eingreifen.

Ich mache mir keine Illusionen, wo wir gerade stehen.

Ich sehe mit Schrecken und unendlicher Wut, wie sich Antisemitismus weit in die Mitte unserer Gesellschaft eingeschlichen hat. Aber er schleicht schon lange nicht mehr, er marschiert mit großen Schritten geradewegs in viele Köpfe, leider auch in die Köpfe junger Menschen.

Und er marschiert auch an Orte, von denen wir erwartet haben, dass dort der Diskurs geführt wird – an Universitäten.
Ja, unterschiedlicher Meinung sein, aber sich eben austauschen, zuhören, versuchen, den anderen mit klugen Argumenten zu überzeugen. Gemeinsam nach Lösungen suchen, für das, was falsch läuft oder
es gemeinsam zu einem Kompromiss kommen zu lassen. Dazu waren doch auch Universitäten gedacht.

Stattdessen werden jüdische Studenten angegriffen. Bei kulturellen Veranstaltungen Teilnehmer ausgeladen. Der Sport überlegt ebenfalls diesen Weg zu gehen.

Alles Orte, an denen wir normalerweise Solidarität leben und einfordern, diskutieren und abwägen.
Und dann die ewige Verzerrung von Kritik an einer Regierung – mit antisemitischen Aktionen, Gewalt, Beleidigungen, Ausgrenzung zu beantworten.

Nein. Kritik an Israels Regierung ist nicht antisemitisch – wer sich mit der Innenpolitik des Landes ein wenig beschäftigt, weiß, wie viele Menschen dort im Land Woche für Woche auf die Straße gehen und ihren Unmut kundtun.
Aber das jüdische Menschen in unserem Land Angst haben müssen, sich auf der Straße erkennen zu geben, weil sie dadurch zum „Freiwild“ werden – ist antisemitisch.

Und sich gegen jede Form des Antisemitismus zu stemmen, bedeutet auch nicht, nicht gleichzeitig seinen Blick auf das unsägliche Leid der Menschen in Gaza zu richten.

Es gibt einfach kein Entweder – Oder.

Das ist die Sprache von Politikern, die uns mit einfachen Antworten auf komplizierte Zusammenhänge ruhigstellen wollen. Das ist das Ergebnis der Zunahme von Autokraten und Despoten weltweit.
Was muss eigentlich noch alles passieren?

Mit Schrecken, Verzweiflung und Trauer blicken wir gerade nach Manchester.
Aber soweit müssen wir nicht einmal schauen. Wir sehen doch, was in unserem Land jüdischen Menschen angetan wurde und wird. Wir sind aufgerufen, uns einzubringen. Uns unserer Verantwortung bewusst zu sein.
Denn wenn wir Viele sind, können wir auch Vieles erreichen.

Aber dazu müssen wir laut und sichtbar sein, uns verbinden, um DANN gemeinsam über Brücken zu gehen, oder uns auf der Brücke begegnen.

Ich danke Ihnen von Herzen, dass ich hier heute eingeladen bin und zu Ihnen sprechen darf.

Und natürlich für den Regensburger Brückenpreis, den ich erhalte.

Zum Abschluss möchte ich noch von einer kleinen Erkenntnis erzählen. Sie ist der „Steinernen Brücke“ gewidmet.

Aber zuvor nutze ich die Gelegenheit auch noch für ein großes Dankeschön. Ich durfte nämlich im letzten Frühjahr mehrere Wochen im wunderschönen Regensburg verbringen. Gemeinsam mit meinem Kollegen Heiner Lauterbach und einer Vielzahl sehr talentierter, engagierter junger Kolleginnen und Kollegen haben
wir den Kinofilm „Ein fast perfekter Antrag“ gedreht.

Und es war ein großartiges Zusammenarbeiten mit den Einwohnern von Regensburg, wunderbare Begegnungen voller Empathie.

Wir wurden sehr oeen empfangen und unterstützt, mich persönlich hat viel „Regensburger Lächeln“ durch diese Zeit begleitet und getragen.

Also nochmals, herzlichen Dank, das ist nicht selbstverständlich.

Und jetzt zu meiner Erkenntnis:
Der erste Drehtag für mich war eine Szene mit Heiner Lauterbach auf der Steinernen Brücke und es war auch für mich persönlich meine erste Begegnung mit diesem imposanten Bauwerk.

Der erste Drehtag bedeutet für mich aber immer auch Nervosität, Verunsicherung, Zweifel, Suche …
Und dieser erste Drehtag hatte es in sich: Die Sonne schien, die Sonne schien nicht, Wolken kamen auf,
Regen goss in Strömen, die Sonne kam wieder. Der Regen auch. Sturm fegte unser Equipment von der Brücke.

Sonne kam, Sonne ging. Gewitter erbrach sich über uns, Menschenmengen, die endlich über die abgesperrte Brücke gehen wollten, wurden ungeduldig. Der Dialog mit Heiner war lang, wichtig, mit vielen Emotionen …
Kurzum: Es war nicht der beste Einstieg in den Film!!
Aber was soll ich sagen? Ich habe diese besagte Szene vor kurzem sehen können.
Nichts von all den Widrigkeiten darin zu spüren oder zu erahnen.
Alles wirkt leicht und alles ist enthalten, was für die Geschichte relevant ist.

Aber: Die Steinerne Brücke!!!
Meine Befürchtung, die Zuschauer werden viel mehr auf sie als auf Heiner und mich schauen.

In dieser Szene sieht man wieviel Magie, Kraft und Stärke sie hat, eine Haltung und Schönheit – dagegen konnten Heiner und ich einfach nicht anspielen.