Dr. Friederike Kind-Kovács
Verleihung des Preises für Frauen in Wissenschaft und Kunst an Frau Dr. Friederike Kind-Kovács
Laudationes von Frau Professor Dr. Ursula Regener, Universität Regensburg:
Es gibt Themen, die unsere vermeintliche Integrität auf den Prüfstand stellen und uns verstören. Das Thema, das heute mit der Preisträgerin im Raum steht, ist ein solches: Welche Konsequenzen ziehen wir als einzelne, als Gesellschaft, als Nation aus der Tatsache, dass Humanitäre Hilfe automatisch eine Position der Überlegenheit erzeugt?
Wir würden solche Themen zugunsten der Handlungsfähigkeit eher verdrängen und auch Hilfsorganisationen entsprechende Freiräume einräumen, wenn es nicht Autor*innen gäbe, die uns geradezu zwingen, Fehler im sozialen System zu identifizieren. Und das brauchen wir dringend, um die ideologischen und aggressiven Entgleisungen, die unsere heutige Welt erschüttern, besser zu verstehen, auf das wir ihnen etwas entgegen setzen können
Der Name der heutigen Preisträgerin hat sich durch ihre intensiven Forschungen und ihre Präsenz auf internationalen Tagungen bereits jetzt fest in dieses Themenfeld eingeschrieben (was an sich schon bemerkenswert ist).
Aus dem Bewerbungsschreiben von Frau Privatdozentin Dr. Kind Kovacs geht hervor, wie viel sie sich vorgenommen hat und welcher Berg vor Ihren Augen gestanden haben muss, als sie Ihre wissenschaftliche Karriere in Angriff nahm: "Ich bewerbe mich um den Regensburger Preis für Frauen in Wissenschaft und Kunst, da ich mit dem Abschluss meiner Habilitation nun endlich das erreicht habe, worum ich mich in den letzten zehn Jahren kontinuierlich bemüht habe: sowohl wissenschaftlich hoch anspruchsvolle und international anerkannte Forschung zu betreiben und eine langfristige (Job-)Perspektive an einer Forschungseinrichtung zu erhalten als auch eine binationale Dual-Career Familie zu gründen und zwei Kinder großzuziehen."
Wer im Wissenschaftsbetrieb unterwegs ist, hat sofort klar, wie ambitioniert jeder einzelne Aspekt dieses Plans ist. Und wer eine Familie zu versorgen hat, weiß einfach, dass das Gelingen auch eines solchen Lebensplanes nicht vom Himmel fällt.
Insgesamt verkörpern Sie, Frau Kind Kovacs so viele Aspekte, dass man sich als Frauenbeauftragte gut überlegen muss, in welcher Phase man Sie jüngeren Nachwuchswissenschaftlerinnen als Role Model präsentieren kann, ohne Überforderungsreaktionen zu provozieren.
Dass Sie, liebe Frau Kind-Kovacs, jetzt auf dem Gipfel dieses selbstgeplanten Berges stehen, deutet auf eine ausgeprägte Fähigkeit, priorisieren oder abschichten zu können. Ihre Zwischenetappen waren:
Die Promotion zum Dr. phil. an der Universität Potsdam im Dezember 2008 mit einer Arbeit über subversive verlegerische Strategien in Zeiten des Kalten Krieges. Wohlweislich wählten Sie Englisch als Wissenschaftssprache und publizierten in einem internationalen Verlag. (New York/Budapest: Central European University Press, 2014)
Ihre Dissertation mit dem Titel "Written Here, Published There: How Underground Literature Crossed the Iron Curtain" wurde 2009 für den Leibniz-Nachwuchspreis "Theoria cum praxi" in der Sektion Geisteswissenschaften nominiert und 2015 mit dem University of Southern California Book Prize in Literary and Cultural Studies ausgezeichnet.
10 Jahre später reichten Sie ihre Habilitationsschrift über Budapest`s Kinder in der Nachkriegszeit des 1. Weltkriegs ein, deren Thematik Sie uns gleich näherbringen werden.
29 Aufsätze, 22 Vorträge, 40 Konferenzbeiträge, ein universitäres Lehrzertifikat, eine Reihe von erfolgreichen Drittmittelprojekten, und nicht zuletzt eine außergewöhnliche Lehr- und Forschungsmobilität, mit der sie sich Kolleg*innen in Ungarn, Österreich, USA, Groß Britannien, Frankreich, Spanien, Polen, Schottland und der Schweiz bekannt machten, komplettieren ihr Portfolio und demonstrieren eindrucksvoll, auf wie vielen Säulen eine Wissenschaftler*innenkarriere heute steht.
Da der Entwurf Ihres Projektes zur Verwendung des Preisgelds zu den Kriterien der Preisvergabe gehört, sei auch dieses erwähnt:
Ihre Organisation und Durchführung einer internationalen und interdisziplinären Konferenz zur Bedeutung von politischen Brüchen in kindlichen Biographien (hier 1989) "Beyond 1989: Childhood and Youth in Times of Political Transformation in the 20th Century", die im Juni 2019 am Institute for Advanced Study (IAS) in Budapest stattgefunden hat, stieß auf so viel Resonanz, dass die Beantragung eines internationalen und interdisziplinären wissenschaftlichen Netzwerkes, das sich mit dem Thema "Children in/of Historical Transformation" beschäftigt, logisch daraus folgt.
Um diesen Antrag bei der DFG oder dem European Research Council erfolgreich zu platzieren, wollen Sie mit dem Preisgeld einen Workshop organisieren, auf dem sich die interessierten Netzwerk-Mitglieder verbindlich zum Antrag austauschen können, Kernthemen identifizieren und auch Formate des Wissenstransfers in eine breite Öffentlichkeit bedenken sollten.
Dabei verfolgen Sie nicht nur ihre eigene, noch nicht an das Wunschende einer Dual-Career-Option gekommene Laufbahn, sondern wollen insbesondere der nächstfolgenden Wissenschaftlerinnengeneration ein Forum schaffen, in dem sie ihre Profile weiterentwickeln kann. Damit haben Sie die oben gestellte Frage nach dem richtigen Zeitpunkt des Role Modeling klug beantwortet.
Vielen Dank der Stadt Regensburg für ihr Engagement und die großzügige Dotierung. Und Ihnen, Frau Kind Kovacs Respekt! Und (in Anlehnung an den Untertitel Ihrer Habilitationsschrift): a bit scientific relief in the aftermath of this ceremony!