Navigation und Service

Erasmus+ Praktikum in Italien im Februar 2020

Das sagt doch jeder! - Das sagt keiner!

Wie ich über Erasmus nicht nur die italienische Kultur, sondern auch die deutsche besser kennenlernte

Als ich mich für das ERASMUS+ Programm bewerbe, bin ich mir nicht sicher, was mich dort erwartet. Ich kenne keinen der anderen Teilnehmer und auch der Informationsfluss verläuft am Anfang recht träge. Trotzdem freue ich mich unglaublich auf die drei Wochen in Italien.

Als wir am Ankunftstag in unser Hostel einchecken, ist der erste Eindruck eher durchwachsen. Das Hostel ist sehr spartanisch eingerichtet und die anderen Teilnehmer verhalten sich sehr zurückhaltend.

Nach dem ersten gemeinsamen Abendessen in der Pizzeria um die Ecke wird die Stimmung jedoch lockerer. Wir kommen aus allen Ecken Deutschlands: von Regensburg über Frankfurt, Kassel, Konstanz, Hamburg und Fehmarn. Wir sind zwischen 18 und 30 Jahre und arbeiten alle in der Gastronomie- & Hotelbranche.

Am nächsten Tag lernen wir unsere Tutorin Giulia kennen, die uns den weiteren Verlauf des Programms erklärt, und auch unsere Partnerbetriebe vorstellt.

Ich arbeite in einer typisch italienischen Bar. Hier treffen sich morgens ältere, italienische Männer, um beim ersten Caffè, also Espresso, Karten zu spielen und die aktuellen Schlagzeilen zu diskutieren. Mittags werden wir dann überrannt von Einheimischen und Geschäftsleuten. Und jeder scheint den Küchenchef zu kennen - in der Küche herrscht reger Verkehr. Meine Kollegen und mein Chef sind alle unglaublich herzlich und nett. Und die Kommunikation auf Englisch und ein bisschen Italienisch funktioniert tadellos. In der Küche kann man sich zudem auch super mit Händen und Füßen verständigen.

Die italienische Küche unterscheidet sich von der deutschen u.a. darin, dass Italiener Gerichte essen, die in Deutschland nur noch selten bestellt werden: coniglio (Kaninchen), trippa (Kutteln) oder cinghiale (Wildschwein) stehen auf der täglich wechselnden Speisekarte. Und die Italiener essen das wirklich gerne!

Typischerweise gibt es sogar mittags mindestens zwei Gänge: Nach einem Pastagericht kommt noch ein Fleischgericht (Fisch gibt es nur freitags), gefolgt standardmäßig vom Caffè, und dazu Wein und Wasser.

Nach fünf Stunden Arbeit und ca. zehn Caffè (hoch lebe die italienische Kaffeekultur) geht es dann mit dem Bus zurück in unser Hostel. Das Schöne an unserer Gruppe ist, dass immer jemand zuhause ist und man immer Unterhaltung findet. Nachmittags gönne ich mir dann den 11. und 12. Caffè und schlendere durch Pistoias Straßen.

Abends wird gemeinsam gekocht oder wir gehen zu unserem Stammitaliener Salvatore, den wir inzwischen ins Herz geschlossen haben.

Am besten in Erinnerung werden mir wohl unsere hitzigen Diskussionen über die eigene Sprache in Erinnerung bleiben. Plötzlich fällt einem auf, dass es alleine zehn verschiedene Begriffe für das Eckstück von Schwarzbrot gibt. Oder dass sich sogar die Bayern uneins darüber sind, wie die Zeit korrekt angegeben wird (viertel Zwölf vs. viertel nach Elf). Was für einen selbst ganz selbstverständlich erscheint, kann in anderen Bundesländern schon mal für Verwirrung sorgen.

Die Wochenenden haben wir alle gemeinsam frei und verbringen sie damit, die Umgebung besser kennenzulernen. Unser erster Trip führt uns nach Florenz, eine der schönsten Städte in Italien. Und ganz zufällig stolpern wir auf der Piazza della Signoria in den Karneval. Alle tanzen, lachen und feiern. Wir steigen sofort mit ein. Am Sonntag wandern wir nach Montecatini-Alto. Ca. 30 Min. starke Steigung werden belohnt mit einem wunderschönen Ausblick über Montecatini-Terme. Dort oben treffen wir auch Mario, einen Düsseldorfer, der vor ca. 20 Jahren ohne Sprachkenntnisse nach Italien ausgewandert ist, um hier ein Restaurant zu eröffnen. Er zeigt uns seine Küche und erzählt Anekdoten von typisch deutschen und italienischen Gästen.

Am nächsten Wochenende besuchen wir Lucca und Pisa. Leider macht das Wetter uns einen Strich durch die Rechnung und wir wandern mit Regenschirm durch die Straßen. Dafür sind aber nur sehr wenige Menschen unterwegs und wir haben freie Sicht auf den schiefen Turm.

Das letzte Wochenende verbringen wir in Siena und auch dort bleibt uns wieder die Luft weg: Die wunderschöne Piazza del Campo, der Torre del Mangia oder auch der Dom sind wirklich wunderschön. Und mit Zug und Bus ist alles von Pistoia auch ganz bequem erreichbar.

Der Trennungsschmerz nach drei Wochen ist dann auch tatsächlich größer als ich erwartet hatte. Denn wieder einmal wird klar: Der erste Eindruck trügt. Nach drei Wochen fühlt es sich an, als kannten wir uns schon seit zwei Jahren.

Der soziale Kontakt, nicht nur zu Menschen aus dem Gastgeberland, sondern auch aus dem eigenen Land ist es, was das Programm so außergewöhnlich macht: Der Austausch mit anderen Schülern aus ganz Deutschland, die in derselben Branche arbeiten wie man selbst, und die zwar unterschiedlicher nicht sein könnten, die sich aber trotzdem ganz leise in dein Herz schleichen.

Und am Ende weißt du: Diese Zeit werde ich nie vergessen.

 

Bericht von Franziska Dietmayr