Online-Zeitzeugengespräch mit Ruth Melcer

Am Freitag, den 8. November 2024, nutzten zwei Klassen unserer Schule anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht die Möglichkeit zu einem Online-Zeitzeugengespräch der Friedrich-Ebert-Stiftung. Hier konnten hunderte Schüler und Schülerinnen in ganz Bayern eine der wenigen noch lebenden Holocaust-Überlebenden im Gespräch über ihr Leben sehen und hören.
Ryta (später: Ruth) Melcer, geb. Cukierman, wurde 1935 im polnischen Tomaszów Mazowiecki, einer Kleinstadt nahe Lodz geboren. Sie war vier Jahre alt als die deutsche Wehrmacht in Polen einmarschierte und neun Jahre alt als sie die Befreiung im KZ Auschwitz erlebte.
Ab 1942 wurde Ruth Melcers Familie in Ghettos und schließlich in einem Arbeitslager zur Arbeit gezwungen. Ihr jüngerer Bruder wurde zusammen mit anderen Kleinkindern ermordet. 1944 wurde die Familie nach Auschwitz deportiert. Ruth kam mit ihrer Mutter nach Birkenau. Aus dieser Zeit erinnert sie sich vor allem an bestimmte Eindrücke wie das Essen, oft gab es Kohl in der Suppe, der ranzige Geruch würde sie bis heute verfolgen, bis heute kann sie keinen Kohl essen. Auch erinnert sie sich an die Entwürdigungen zu Beginn der Gefangenschaft, wie das Abrasieren der Haare, um die Häftlinge zu entmenschlichen. Doch die schlimmste Angst löste ein Name in ihr aus: Josef Mengele „Der Todesengel von Auschwitz.“
Er, der oft an der Rampe bei der Ankunft neuer Gefangener stand und diese selektiv nach blonden und blauäugigen Kindern durchsuchte, wie sie eines war, machte ihr am meisten Angst.
Sie überlebte, weil eine Blockälteste sie in ihrem Verschlag vor Mengele versteckt hatte. Die Befreiung durch die Rote Armee erlebte Ruth „wie eine Fata Morgana“; wie durch ein Wunder fand sie später sogar Mutter und Vater wieder. Sie gingen zurück nach Polen, später erneut nach Deutschland/München.
Die Erlebnisse im Konzentrationslager verdrängte sie jahrelang, erst ihr Sohn hat durch viele Gespräche erreicht, dass sie ihr Wissen, ihre Eindrücke und Erfahrungen mit der heutigen Welt und vor allem mit der heutigen Jugend teilt.