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Studienreise nach Vancouver Island Ende April 2025

Teilnehmer am indigenen Workshop in Kanada © Städt. BS II

Vom 20.04.-04.05.2025 traten wir, zehn Schülerinnen und Schüler, davon neun Schreiner Azubis und eine Bauzeichnerauszubildende, und zwei Lehrkräfte der städtischen Berufsschule II Regensburg unsere Studienreise nach Vancouver Island an.
Ziel war es, Eindrücke ins eigene Handwerk und die Ausbildung im Ausland zu gewinnen. Inwiefern unterscheidet sich das kanadische Schreinerhandwerk vom deutschen und wo liegen Gemeinsamkeiten? Zudem sollte die Reise dazu dienen, internationalen Austausch zu bieten und Kontakte zu knüpfen.
Mein persönliches Ziel war zudem, eine Vorstellung vom Arbeiten als Schreinerin im Ausland zu gewinnen, um zu eruieren, ob dies für mich eine Möglichkeit für meine Zeit nach der Ausbildung wäre. Außerdem wollte ich die Kanadierinnen und Kanadier, die uns letztes Jahr in Regensburg besucht haben,
wiedertreffen.
Die Planung und Organisation der Reise hat unser Lehrer Herr Hastreiter übernommen, weshalb wir uns dankbarerweise selbst um kaum etwas kümmern mussten. Mein Bertieb war sehr begeistert von diesem einzigartigem Angebot und mein Chef hat mich für die Reise freigestellt.
Vor Reiseantritt wusste ich nicht was mich dort erwarten sollte. Ich hab mich natürlich auf die Reise gefreut. Doch, da ich noch nie eine so große, weit entfernte Reise unternommen habe, war die Vorstellung für mich, selbst am Flughafen, noch so fern, dass ich erst in Kanada realisieren konnte, dass das wirklich passiert.

Den Hinflug haben wir ohne Probleme, und meinerseits leider auch ohne Schlaf, gut überstanden. Aufgrund der Zeitverschiebung und des Schlafmangels konnte ich am ersten Abend in Victoria kaum die neuen Eindrücke verarbeiten und war einfach nur froh ins Bett zu kommen. Am nächsten Tag wurde dies allerdings nachgeholt und erst einmal die Stadt erkundet. Ich fühlte mich als wäre ich in Hollywood. Die amerikanische Architektur, besonders die kleinen einstöckigen Häuser, die riesigen Autos und Trucks kannte ich bisher nur aus Filmen. Auch den Anblick der wunderschönen riesigen Bäume war ich nicht gewöhnt. Als ich den ersten Totempfahl am Stadtstrand entdeckte, fragte ich mich, inwiefern Kanada seine Vergangenheit aufgearbeitet hat und wie sehr Indigene Symbole nur als Touristenattraktionen missbraucht werden. Im Laufe der Reise bekam ich, dank eines Indigenous Culture Workshop am College den Eindruck, dass zum Glück eher ersteres zutrifft. Ein Problem, das die kanadische Regierung dagegen nicht in den Griff zu bekommen scheint, war die große Anzahl an wohnungslosen und drogenabhängigen Menschen auf den Straßen.

Am ersten Nachmittag nahm uns Albert, der Zimmererlehrer des College, mit auf eine Tour auf seinem Segelboot. Die Fahrt auf dem Pazifik war ein einzigartiges Erlebnis, bei dem wir auch ein paar Robben beim Sonnen beobachten konnten.
Ab Dienstag startete dann das Programm des College. Nach einer Willkommenszeremonie mit Kaffee und Snacks besichtigten wir den Campus. Dieser fühlte sich sehr einladend an und war mit den blühenden Krischbäumen und alten Eichen auch sehr schön anzuschauen. Die Angebote am College sind  sehr vielfältig. Ich war fast etwas neidisch auf die Studierenden und hätte am liebsten jeden Kurs dort belegt. Danach ging es für uns ist Royal BC Museum und abends noch zur ersten Social Night mit Bier und Tacos.

Die Kanadierinnen und Kanadier waren alle sehr offen und freundlich. Neben dem Austausch über den Alltag und die kulturellen Unterschiede fand ich den politischen Austausch sehr interessant. Wie vorherrschend die Angst vor einer Invasion Trumps bei einigen ist, war mir vorher zum Beispiel nicht bewusst.

Am Mittwoch durften wir einen Einblick ins Fine furniture Programm des Colleges werfen. Zuerst haben uns die Studierenden dort ihre Projekte gezeigt. Im Gegensatz zu unseren Projekten in der Berufsschule haben die Schülerinnen und Schüler hier viel mehr Freiheiten, ihre Werkstücke kreativ zu gestalten. Die Werkstatt zu sehen war ebenfalls sehr interessant, da die Maschinen vor Ort alle viel kleiner waren als wir sie gewohnt sind. Gemeinsam mit Sandra der Fine furniture Lehrerin haben wir Salatbesteck hergestellt. Dabei haben wir zum ersten Mal die Methode des steam bending angewandt.

Nachmittags gab es eine kleine Wanderung auf den Mount Douglas. Die atemberaubende Aussicht auf den Pazifik, auf die Rocky Mountains und die Olympic Mountains am Horizont werde ich so schnell nicht mehr vergessen.

Donnerstag besuchten wir den für mich spannendsten Workshop über Indigenous Culture. Wir haben viel über die Kultur und Bräuche verschiedener indigener Völker gelernt, traditionelle Musik und Sprache gehört und Tee aus einheimischen Kräutern getrunken. Interessant fand ich besonders die medizinische Pflanzenlehre die indigene Menschen schon Jahrhunderte vor schulmedizinischen Erkenntnissen entdeckten. Von einer betroffenen Person über die schwere Vergangenheit zu lernen, hat mich, auch wenn ich sehr dankbar war, dass sie ihre Geschichte mit uns geteilt hat, sehr emotional berührt.

Nachmittags erkundigten ein paar von uns den Beacon Hill Park, der mit Red Wood Trees, Pazifik Strand, Pfauen und überraschend zutraulichen Eichhörnchen viel zu bieten hatte.

Am Freitag bauten wir beim Carpentry Workshop eine Gartenhütte. Die nordamerikanische Bauart des Frame Buildings war für mich etwas komplett Neues. Auch gewöhnungsbedürftig fand ich, dass alles genagelt und nichts geschraubt wurde, was überraschend viel Spaß gemacht hat. Die Bauweise ist sehr effektiv und schnell und ergibt für die Region, eine Erdbebengebiet, sehr viel Sinn, da sich die Balken bei Schwingungen mitbewegen können und nicht einstürzen. Allerdings sind die Wände bei dieser Bauweise sehr schalldurchlässig, was mich persönlich sehr nerven würde.

Samstags starteten wir einen Road Trip in den Norden. Zuerst genossen wir eine kurze Erfrischung im See und ein Mittagessen am Seeufer. In einer Tierauffangstation betrachteten wir kranke Vögel, und sogar einen Bären. Anschließend besichtigten wir noch eine ehemalige Eisenbahnbrücke aus Holz und die Cathedral Growth, einen Waldpfad der unglaublich beeindruckende riesige Bäume und einen super klaren Fluss zu bieten hat.

Sonntag war der entspannteste Tag. Wir besuchten zwei Köche und eine Hotelfachfrau aus Regensburg, die zum Arbeiten nach Kanada gekommen sind. Gemeinsam genossen wir den Tag in der Sonne, badeten im Fluss und grillten.
Am Montag durften wir einen lokalen Künstler in seiner Schnitzwerkstatt am College besuchen. Es war sehr beeindruckend zu sehen, was er per Hand für Kunstwerke erschaffen hat. Gerade arbeitet er an einem Totempfahl.

Dienstag besichtigten wir den Canadian Bavarian Store, eine bayerische-kanadische Schreinerei, in der ca. zur Hälfte Deutsche arbeiten. Ich glaube wir würden alle am liebsten anfangen dort zu arbeiten, zumal wir vom Chef gleich angeworben wurden, nach der Ausbildung wiederzukommen. Von der Masse an schönem Vollholz, das die Schreinerei zu bieten hatte, kann ich in meinem Betrieb nur träumen.

Im Sägewerk, das nachmittags auf dem Programm stand, lernten wir, wie die Baumstämme übers Wasser transportiert und schließlich im Sägewerk verarbeitet werden.
Die Schreinerei Vintage Woodwork hat uns ebenfalls zur Besichtigung eingeladen, sowie eine lokale Baustelle, auf der wir eine Führung bekamen, beides sehr interessant zu sehen.

Der Ausflug zum Hatley Castle am vorletzten Tag war eine angenehme Abwechslung zum vorherigen Programm, da wir in dem blühenden Garten etwas Ruhe und Erholung genießen konnten.

Die herzliche Abschlusszeremomie am letzten Tag hat die ganze Reise schön abgerundet. Was am letzten Abend, neben einer kurzen Abkühlung im Pazifik natürlich nicht fehlen durfte, war ein gemeinschaftliches Abschiedsessen, bevor wir Samstag schweren Herzens die Heimreise antreten mussten.

Wir haben durch die Reise viel über die unterschiedlichen Ausbildungssysteme unserer Länder gelernt. Unser duales System scheint in Kanada hoch angesehen zu sein, weshalb es für die ansässigen Firmen attraktiv ist, uns als zukünftige Mitarbeitende anzuwerben. Ich kann mir nach diesem Erlebnis sehr gut vorstellen, nach der Ausbildung noch einmal zurückzukehren und eine Zeit lang dort zu arbeiten. Ich könnte hier viel über in Kanada heimische Holzarten lernen und mehr mit Massivholz arbeiten als es momentan in meinem Betrieb möglich ist.
Auch wenn ich am College am liebsten jeden Kurs besucht hätte, schätze ich es sehr, dass wir in Deutschland nichts für unsere Bildung zahlen müssen, denn das College könnte ich mir nicht leisten.

Ich war positiv überrascht, wie offen und progressiv die Menschen in Victoria waren. Fast jedes Restaurant war barrierefrei und vor allem das College war mit "All gender Washrooms" und LGBTQIA+ freundlichen Stickern für alle einladend. Das Programm "Women in trades" hat mich besonders angesprochen. Als Frau im Handwerk und einzige Frau in meinem Betrieb finde ich es schön zu sehen, dass das College hier besondere Rücksicht darauf nimmt, Frauen im Handwerk zu fördern und sie zu ermutigen, männerdominierte Berufe zu lernen. Ich wünschte unsere Berufsschule würde sich ein Beispiel daran nehmen.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Reise nicht nur eine einzigartige Gelegenheit, sondern auch ein voller Erfolg war, bei der ich viele neue Erfahrungen gesammelt habe, vieles gelernt habe und tolle Menschen kennenlernen durfte. Ich habe auf jeden Fall Lust auf mehr bekommen.

Emilia Knauß

Die Reise wurde durch das GATE Projekt der Joachim Hertz Stiftung und der EU co-finanziert.

in Kanada gebaute Hütte © Städt. BS II