Bayerns Städte mit dem Rücken zur Wand

Gemeinsame Pressemitteilung der Städte München, Nürnberg, Regensburg, Würzburg, Coburg und Ansbach

Lage in Regensburg
Wie auch eine Vielzahl anderer bayerischer Städte sieht sich die Stadt Regensburg mit einer sehr schwierigen finanziellen Ausgangslage konfrontiert. Der städtische Haushaltsentwurf 2026 wird zwar aufgrund vorhandener Kapitalrücklagen als noch genehmigungsfähig angesehen werden können. Allerdings zehrt die sich über den gesamten Planungszeitraum bis 2029 erstreckende Unterfinanzierung an dieser Substanz, sodass eine zukünftige Finanzierbarkeit städtischer Leistungen stark gefährdet ist. Wir verbrauchen die Rücklagen und bauen die Verschuldung gleichzeitig auf! Insbesondere gelingt es uns nicht mehr, die gigantischen Investitionen im Bildungsbereich (Schul- und Kitabau), im Bereich des ÖPNV, im Wohnungsbau oder beim Klima- und Umweltschutz aus eigener Finanzkraft zu finanzieren, sodass eine merkliche Erhöhung der Verschuldung notwendig ist.  Ohne beherzte und mutige Anpassungen der Rahmenbedingungen steuern wir ins finanzielle Abseits.
Hauptgrund dieser Entwicklung ist eine anwachsende Verlagerung der Finanzierungsverantwortung ausgeweiteter sowie neuer Aufgaben auf die Kommunen.
Als Beispiel seien hier unsere enormen Ausgabensteigerungen im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe mit jüngsten Kostensteigerungsraten in Regensburg von jährlich 15 Prozent und einem Gesamtniveau von rund 90 Mio. Euro genannt. Dies entspricht einer Verdopplung gegenüber 2015. Die zeitgleich ausbleibenden Kompensationen stellt die Grundproblematik eindrucksvoll dar.
Auch die von der Stadt zu begleichende Bezirksumlage mit einer kürzlichen Steigerung des Umlagesatzes von 19,3 Prozent auf 23,2 Prozent bedeutet eine Ausgabenerhöhung für Regensburg um 11 Prozent auf 74 Mio. Euro in 2025.

Im gleichen Atemzug sind unsere Refinanzierungsmöglichkeiten stark beschränkt, sowohl aufgrund der insgesamt schwächelnden wirtschaftlichen Entwicklung als auch wegen fehlender Autonomie bei der Einnahmenerzielung. Der Haushalt der Stadt Regensburg ist dabei in hohem Maße von den Steuereinnahmen, insbesondere der Gewerbesteuer, abhängig.  Auch wenn unsere Gewerbesteuereinnahmen im langfristigen Schnitt nominal kontinuierlich gewachsen sind, bleibt festzuhalten: Inflationsbereinigt hebt sich das für 2025 erwartete Gewerbesteuerniveau der Stadt Regensburg nicht von dem bereits vor 15 Jahren erreichten Ergebnis ab. In den vergangenen zehn Jahren ist das reale Gewerbesteueraufkommen sogar im Mittel um 2 Prozent p.a. gesunken.

Kurzum: Die weitere finanzielle Perspektive ist alarmierend. Bei zusätzlichen, schon in Aussicht gestellten Erhöhungen der Bezirksumlage oder durch bundespolitische Entscheidungen, wie die mit dem sogenannten Investitionsbooster verbundenen verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten, wird das ohnehin schon in Schlagseite befindliche Boot des städtischen Haushaltes unter die Wasserlinie und letztlich zum Kentern gebracht.

„Uns steht das Wasser bis zum Hals“ – Bayerns Kommunen in akuter Finanznot
Die finanzielle Situation unserer Städte und Gemeinden spitzt sich dramatisch zu, worauf der Bayerische Städtetag in einer seiner Pressemitteilungen („Städte und Gemeinden benötigen schnelle finanzielle Hilfe“ vom 20. Oktober 2025) jüngst noch einmal hingewiesen hat.  Die Ausgaben wachsen deutlich schneller als die Einnahmen: Steigende Personal- und Sozialkosten sowie Investitionen in Schulen, Kitas, öffentlichen Nahverkehr, Klimaschutz und Digitalisierung belasten die Haushalte massiv. 
Zahlreiche Kommunen schieben eine „riesige Bugwelle“ von zusätzlich notwendigen Investitionen vor sich her. 
Wir stellen fest: Wirtschaftsbooster, die ausschließlich von oben gedacht sind, entfalten vor Ort keine Wirkung. Die aktuelle positive Wachstumsprognose des AK Steuerschätzung muss sich erst noch bewahrheiten – die strukturelle Haushaltskrise der Kommunen bleibt vorerst Realität.

Daher fordern mehrere bayerischen Kommunen gemeinsam vom Freistaat Bayern und vom Bund:
• Unverzügliche Sofortmaßnahmen im Finanzausgleich Bayern für das Jahr 2026, um die akute Not zu lindern.
• Größere Autonomie bei der Einnahmenerzielung, etwa durch einen erweiterten Gestaltungsspielraum beim Erheben kommunaler Aufwandssteuern und Gebühren.
• Strukturelle Finanzierungsreformen, die eine aufgabengerechte Finanzierung gewährleisten, insbesondere in den Bereichen Flüchtlings- und Integrationspolitik sowie Gesundheits- und Pflegevorsorge. Dazu gehört auch eine angemessene Erhöhung der kommunalen Steuerbeteiligung. Steuersenkungen dürfen nicht zulasten der Kommunen gehen.
• Eine Abkehr des Bayerischen Ministerpräsidenten von seiner Ankündigung, dass nur 60 Prozent des bayerischen Anteils am Infrastruktursondervermögen an die kommunale Ebene weitergegeben werden sollen. In den Städten und Gemeinden leben die Menschen – darum fordern wir, dass 70 Prozent des Anteils möglichst pauschal und ohne komplizierte Förderverfahren weitergegeben werden. Wir wissen, wo den Bürgerinnen und Bürgern der Schuh drückt.

Kommunen stehen vor der Gefahr, ihren gestalterischen Handlungsspielraum vollständig zu verlieren und zu reinen „Verwaltern des Mangels“ zu werden. Diese Entwicklung stellt eine ernste Bedrohung für unsere Demokratie dar – wenn gewählte Gemeinde- und Stadträte keine Lenkungsentscheidungen mehr treffen können, sondern sich ausschließlich mit Sparpaketen und Schuldenverwaltung beschäftigen.

Mit größter Kraftanstrengung halten sich Gemeinden und Kommunen aktuell über Wasser. Wir sind bereit, jetzt und in Zukunft Aufgabenkritik zu üben, bestehende Leistungen zu prüfen und effizienter zu gestalten.

Allerdings sind die Grenzen der Leistungsfähigkeit erreicht: Uns geht langsam die Puste aus!

Wir appellieren eindringlich an Land und Bund, bei der Priorisierung ihrer Themen den Kommunen höchste Aufmerksamkeit zu schenken: Unterstützen Sie Kommunen und Gemeinden in ihrer kritischen Finanzsituation, um ihre Handlungsfähigkeit zu erhalten und so eine starke Demokratie sowie eine lebenswerte Zukunft zu sichern.

Prof. Dr. Georg Stephan Barfuß, Referent für Wirtschaft, Wissenschaft und Finanzen der Stadt Regensburg

28. Oktober 2025

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